In meinem Workshop zu Chancen und Herausforderungen eines Newsrooms anlässlich der Connecta in Bern sassen einige Kollegen, die den Newsroom-Start bereits hinter sich haben. Was klar wurde: Der Aufbau eines Newsrooms bedeutet Blut, Schweiss und Tränen – kurz: er löst einen Change Prozess aus. Ohne den Rückhalt des Managements und eine klare Strategie läuft nichts. Den Newsroom wieder schliessen würde hingegen keiner der Anwesenden, denn er bringt Effizienz, Aktualität und Agilität in der Kommunikation.
Wir haben es also nicht mit einem Hype-Thema zu tun. Der Newsroom ist die logische Folge der schon lange geforderten integrierten Kommunikation. Er verknüpft die intern breit abgestützte Erstellung von Content und richtet ihn konsequent am Nutzen der Anspruchsgruppen aus. Ein einfaches Projekt ist er nicht, bis alles Rund läuft braucht es Zeit, Nerven und jede Menge Kommunikation. Mindestens ein Jahr sollte bis zur Newsroom-Start eingeplant werden, das haben mir viele meiner bisherigen Gesprächspartner aus eigener Erfahrung bestätigt. Umso wichtiger ist eine gründliche und breit abgestützte Vorbereitung vor dem Start. Danach kommt die Zeit, eigene Erfahrungen zu sammeln und Prozesse zu justieren.
Sie tragen sich mit dem Gedanken, einen Newsroom aufzubauen? Dann gehen Sie diese 10 Schritte durch, damit Sie optimal auf den Newsroom-Start vorbereitet sind. Planen Sie die Meilensteine sorgfältig. Dabei sollten Ihnen vor dem Newsroom-Start folgende Fragen helfen. Je früher Sie die Antworten im Unternehmen breit abstützen und sich den Rückhalt des Managements holen, desto besser.
Ich danke Stefan Lienhard, Channel Manager Social Media, der selber im Newsroom der Sanitas Krankenversicherung arbeitet und die Schritte aus seiner Perspektive auf Herz und Nieren geprüft hat. Was für ihn wichtig ist? “Es ist das Mindset welches, einmal mehr, stimmen muss. Mitarbeitende, vor allem jene, welche im Newsroom sitzen, müssen erfassen, dass mit dem Newsroom-Start für sie ein neues Arbeitszeitalter anbricht. Das ist nicht selbstverständlich, diese Haltung aufzubauen braucht Zeit und viel Kommunikation.”
Analyse
Starten Sie mit einer gründlichen Analyse: Was ist der Ist-Zustand der Kommunikation, wie ist sie im Unternehmen angesiedelt mit welchen Befugnissen? Wie funktioniert das Themen-Management, wer trägt zur Entscheidung bei, was auf die Agenda kommt? Wie laufen die internen Prozesse von der Themenfindung über die Aufbereitung bis zur Vernehmlassung, Freischaltung und Erfolgskontrolle? Wie hören Sie heute zu? Gibt es ein Monitoring, das sicherstellt, dass Themen von aussen auch nach innen getragen werden? Wie sieht der Kommunikationsmix aus: Welche Medien und Kanäle werden bespielt, wie gross ist der Output? Wer trägt alles dazu bei? Wo im Unternehmen entsteht Content und wie spielen diese Stellen heute zusammen? Drehen Sie jeden Stein und nehmen Sie die Prozesse kritisch unter die Lupe.
Ziele
Setzen Sie Ziele, dafür dürfen Sie sich durchaus auch die Sinnfrage stellen: Warum wollen wir überhaupt einen Newsroom? Welche Erwartungen werden an einen Newsroom herangetragen und was soll durch den Newsroom ganz konkret verbessert werden? Welche qualitativen und quantitativen Ziele verfolgen wir? Fragen Sie sich ganz konkret: Wo drückt der Schuh? Möchten Sie Ihre Kommunikation im Unternehmen integrierter gestalten? Wollen Sie noch aktueller berichten und Themen aufgreifen, die gerade im Trend sind? Sind Sie mit der Effizienz Ihrer Kommunikation nicht zufrieden? Wollen Sie Ihre Aussenwirkung durch Agenda Setting und SEO verstärken? Wenn Sie keinen Leidensdruck verspüren, wird es intern auch nicht gelingen, die nötige Energie für den Aufbau des Newsrooms frei zu machen.
Organisation
Wie soll die Organisation des Newsrooms aussehen? Welche Abteilungen werden in den Newsroom eingebunden? Wie eng sollen sie mit dem Newsroom verbunden sein. Welche Rollen und Kompetenzen werden im Newsroom verlangt? Welche Rollen gibt es bereits heute und welche Anpassungen müssen sie erfahren? Oft müssen sich Mitarbeitende, die bisher “alles” gemacht haben spezialisieren. Entweder auf Themen oder auf Kanäle. Wie ist dieser organisiert? Welche Rolle spielt der Newsroom in der Krisenkommunikation?
Aufgabenteilung
Wie funktioniert die Aufgabenteilung? Ein Newsroom arbeitet mit der eindeutigen Trennung von Themen und Kanälen. Dazwischen gibt es eine Koordinationsstelle. Im Newsroom sitzen also Themen- und Kanalverantwortliche und ein Chef vom Dienst (CvD). Welche Leistungen werden durch den Newsroom abgedeckt? Wo werden multimediale Inhalte erstellt? Wo Übersetzungen? Wenn die Kommunikation fachlich integriert verlaufen soll, werden Sie nicht alle Inhalte alleine erarbeiten. Fragen Sie sich bereits in der Planungsphase, welche Schnittstellen zu anderen Bereichen/Abteilungen/Sektionen es gibt.
Management
Holen Sie sich einen Auftrag vom Management. Sie fragen sich vielleicht, warum dieser Punkt erst hier erscheint. Viele Veränderungen im Unternehmen entstehen aus einer ersten Idee, die dann in einem kleinen Kreis von initiativen Mitarbeitenden weiter entwickelt wird. Sie übernehmen als Change Agents die Rolle als Treiber des Newsrooms. Doch wenn Sie zum Ziel kommen wollen, müssen Sie sich fragen: Wie sichern wir uns den internen Rückhalt? Wer muss noch überzeugt werden? Viele Leitungsgremien sperren sich gegen das Vorhaben Newsroom. Mit den zuvor gestellten Fragen schaffen Sie eine Grundlage, mit der Sie sich den Rückhalt des Managements holen. Spätestens wenn Sie in der Geschäftsleitung vorsprechen, sollten Sie mit nachvollziehbaren Argumenten das “Warum” darlegen können. Wenn Sie die Unternehmensleitung Board haben planen Sie, sie Sie die betroffenen Mitarbeitenden schon in der Planungsphase mit ins Boot holen.
Content-Strategie
Der Arbeitsauftrag an den Newsroom ist die Content Strategie. Doris Eichmeier und Klaus Eck umschreiben das so: Die Content-Strategie regelt Strukturen, Prozesse, Management, Rollenverteilung, Verantwortlichkeiten, sowie Koordination von Zeit und Inhalten und das Entwickeln der passenden Infrastruktur. Ihr Ziel: wiederholbar sinnvolle, anwendbare und markenrelevante Inhalte zu entwickeln, zu managen und zu publizieren. Wer also sitzt im Team, welches die Strategie ausarbeiten wird? Das Strategieteam sollte intern breiter abgestützt sein. Dieses Team legt auch die Themenschwerpunkte fest, welche integriert über die gesamte externe Kommunikation durchgezogen werden sollten. Marketing und PR sitzen da im gleichen Boot. In der Regel ist das Redaktionsteam durch den Chef vom Dienst vertreten. Wie soll das Redaktionskonzept aussehen und wie wird der Redaktionsplan gestaltet?
Prozesse
Mit welchen Prozessen wird der Newsroom gesteuert? Wie gelangen Themen in den Newsroom? Wer wacht darüber, dass die Content Strategie eingehalten wird? Wie funktioniert die Planung und wie können auch kurzfristige Themen im Newsroom aufgegriffen werden? Wie wird sichergestellt, dass “das Ohr” bei den Anspruchsgruppen und der öffentlichen Berichterstattung bleibt? Welche Abstimmungsgefässe gibt es: Eine tägliche Morgenlage? Eine wöchentliche Redaktionskonferenz? Eine monatliche Besprechung mit weiteren Abteilungen? Wie laufen die Produktions- und Freigabeprozesse? Wie wird die Governance sichergestellt? Welche Rolle spielt der Newsroom in einer Krisensituation? Welche Rollen können den Pikettdienst übernehmen?
Ressourcen
Bringen die Mitarbeiter für den Newsroom die notwendigen Fähigkeiten mit? Welche Fähigkeiten und Kompetenzen fehlen? Werden Sie extern eingekauft oder sollen sie intern aufgebaut werden? Viele Kommunikationsabteilungen haben mittlerweile Kollegen im Team, welche sich in der Bild- und Videobearbeitung auskennen. Reicht dafür eine Schulung des bestehenden Teams? Werden für bei Neueinstellungen die Anforderungsprofile angepasst? Neben den spezifischen Kompetenzen müssen auch Denkhaltung und Mindset stimmen: Wie sind die Mitarbeitenden gegenüber Veränderungen eingestellt? Sind sie bereit, neue Kompetenzen zu lernen und Wissen zu teilen? Oft bedeutet die Neu-Organisation im Newsroom, dass Aufgaben und Positionen gegen neue eingetauscht werden.
Infrastruktur
Wie gestaltet sich die Infrastruktur? Wo soll der Newsroom eingerichtet werden? Wieviel ist sinnvoll und nötig? Klassische Elemente sind ein Stehtisch und ein BigScreen. Braucht es Vorkehrungen, die konzentriertes Arbeiten ermöglichen zum Beispiel mobile Arbeitsplätze, Rückzugsräume, Spezialmöbel, schallschluckende Elemente? Ist der Umbau des Newsrooms zum TV-Studio gewünscht? Wie viele Arbeitsplätze hat der Newsroom? Gibt es eine Grossraumbüro allenfalls mit freier Wahl der Sitzplätze und “shared Desks”? Es gibt Newsroom-Varianten, in denen lediglich das Kernteam aus Chef vom Dienst, Themenverantwortlicher und Kanalverantwortlicher sitzen. Diese stimmen sich eng ab und geben die Aufgaben dann in ihre jeweiligen Teams weiter. Die interne Kommunikation ist wichtig. Fragen Sie sich also: Wie werden Mitarbeiter, die nicht im Newsroom sitzen, in den Prozess eingebunden? Das bringt Sie zum nächsten und letzten Punkt:
Schnittstellen
Sichern Sie die Schnittstellen. Nicht alle Mitarbeitenden sitzen im Newsroom. Zwischen den Meetings zur Abstimmung muss die Kommunikation stimmen. Je grösser die Transparenz darüber was läuft und wer an welcher Arbeit dran ist, desto agiler funktioniert die Zusammenarbeit. Mit welchen Tools arbeiten Sie heute für das Monitoring und für die Erfolgskontrolle? Worauf bauen Sie für den Redaktionsplan? Schnittstellen lassen sich auf dem Reissbrett leicht ausmachen, aber an jeder Position sitzen letztlich Menschen. Darum ist es wichtig, mit einem entsprechenden Controlling zu prüfen, ob die Aufstellung stimmt. Dabei geht es nicht nur um die Zufriedenheit der involvierten Mitarbeiter, sondern darum zu prüfen, ob die Prozesse effizient und die Ressourcen sinnvoll eingesetzt.
Die Digitalisierung bringt neue Herausforderungen für die Kommunikation, aber auch Chancen für die bessere und effizientere Gestaltung. Ist ein Newsroom einmal fertig konzipiert sollte er regelmässige überprüft werden, weil sich halt immer noch sehr Vieles verändert. Wenn es soweit ist, nehmen Sie diese 10 Schritte als Prüfsteine in die Hand.
Kein Newsroom ist wie der andere, was denken Sie: decken diese Schritte das Thema genügend ab? Fehlt etwas? Gibt es Themen, die Sie für völlig irrelevant halten? Teilen Sie mit uns Ihre Erfahrungen.
Danke für die spannenden Tipps. Zu Punkt 9 noch eine Ergänzung: Die Infrastruktur im Sinne von “Tools” bspw. für die Redaktionsplanung, Produktion, Publishing etc. darf auch nicht vergessen gehen.
Gerne Irene, die Tools habe ich in Punkt 10 untergebracht. Sie haben ja auch eine Schnittstellen-Funktion. Kannst du das nachvollziehen?
Da waren meine Finger schneller als meine Augen :-)
Danke für diese spannenden Artikel, bzw. die gesammelten Tipps!
Sehr gerne. Sind Sie in ein Newsroom-Projekt involviert? Dann interessieren mich und meine Leser Ihre Erfahrungen.
Vielen Dank für die tollen Beiträge, vielen Dank für die strukturierten 10 Schritte zum Newsroom. Als Student der Berner Fachhochschule “CAS Projektmanagement”, sind wir daran in einer Fallstudie eine Transformation “Newsroom” einer Firma zu hinterfragen. Eine Literaturrecherche soll die Arbeit begleiten und weitere Entwicklungsschritte für den erwähnten Newsroom auch im Zusammenhang mit der Methode des “agilen Projektmanagements” (Scrum, Knaben, etc.) gehören dazu. Danke für den Content auf Ihrer Homepage!
Hallo Benedikt, die Perspektive und die Methodik, mit der ihr das Thema angeht, tönt sehr spannend. Ich freue mich, wenn ihr zu gegebener Zeit eure Erkenntnisse mit mir teilt, allenfalls ergeben sich auch Learnings, die wir in einem Blogbeitrag teilen können. Das Unternehmen könnten wir anonymisieren, wenn das gewünscht wird.