Im AXA Winterthur Newsroom arbeitet seit Oktober 2015 ein zwölfköpfiges Kommunikationsteam. Ziel: Mit dem Newsroom-Ansatz den erhöhten Anforderungen an Aktualität, Relevanz und Dialog schneller und effizienter gerecht zu werden. Der Newsroom stösst auf Interesse, beinahe wöchentlich reist eine Delegation für eine Besichtigung nach Winterthur, bereits mehrere Dutzend Führungen haben schon stattgefunden. Ich habe mich mit dem Head of Communications und Leiter Newsroom Lorenz Heinzer und seiner Stellvertreterin Nicole Horbelt unterhalten.
Wir sitzen hier im AXA Newsroom: ein grosser Tisch, der Big Screen, alles da. Was macht euren Newsroom aus?
Während wir früher nach Zielgruppen, bzw. nach interner und externer Kommunikation aufgestellt waren, decken die Themenmanager heute integral das ganze Spektrum ab – von der Mitarbeiterkommunikation, über das Schreiben für die Kundenzeitschrift bis hin zur Medienarbeit. Für die verschiedenen Kanäle sind die Channel-Manager verantwortlich. Die Abbildung zur Newsroom-Organisation zeigt sehr schön, wie wir aufgestellt sind.
Wie seid ihr die Konzeption des Newsrooms angegangen?
Das geschah gemeinsam im Team. Für eine professionelle Kommunikation braucht es eine Organisation, Prozesse und Skills. Aus diesen Bausteinen haben wir Arbeitspakete geschnürt, die in Zweierteams erarbeitet wurden. So haben wir sichergestellt, dass alle den Newsroom mitgestalten konnten.
Wir haben verschiedene Rollen definiert und kennen heute neben den Channel- und Themenmanagern auch die Funktion der Bildchefin. Eine besonders textversierte Themenmanagerin ist zudem Textchefin. Als Leiter des Newsrooms sind wir gleichzeitig Chef vom Dienst (CvD) und vertreten uns gegenseitig.
Die Themenmanager spielen also eine zentrale Rolle?
Ja, im operativen Betrieb ist dem so. Unsere Themenmanager sind alle Kommunikationsexperten, die sich in ihr Thema einarbeiten, mit internen Fachspezialisten in engem Austausch stehen und dadurch in die Prozesse und den Informationsfluss eingebunden sind.
Welche Themen decken sie ab?
Bei der Ernennung der Themenmanager haben wir auf Themen-Cluster und persönliche Neigungen geachtet, heute werden folgende Bereiche abgedeckt: Innovation, Strategy, Vermarktung und IT, Sachversicherungen, Lebensversicherung, HR und Corporate Responsibility, Finance, Distribution. Jeder Themenmanager hat einen Stellvertreter.
Was hat sich bei den Kanälen geändert?
Neben den klassischen Kanälen haben wir auch neue eröffnet. Mit dem Start des Newsrooms ist zum Beispiel auch unser Blog live gegangen. Wir haben damit dem veränderten Konsumverhalten Rechnung getragen, denn 60% der jungen Erwachsenen lesen gemäss foeg der Uni Zürich keine (gekauften) Zeitungen mehr. Ein Unternehmen muss also selber zum Publisher werden und Inhalte in Kanälen anbieten, welche die Digital Natives erreichen. Dazu gehören auch Facebook und Twitter. Der Blog ist übrigens auch in unserem Intranet eingebunden und spielt daher auch in der internen Kommunikation eine tragende Rolle. So wachsen interne und externe Kommunikation zusammen.
Der Big Screen darf offenbar in keinem Newsroom fehlen, wie nutzt ihr ihn?
Links sieht man die Meldungen aus den tagesaktuellen Medien, rechts werden die Artikel über AXA, neuste Blogbeiträge und Posts in den sozialen Medien eingeblendet. Die Idee des Screens ist ein ständiger Abgleich zwischen dem, was in der Welt geschieht und dem was bei uns passiert. Wir nutzen den Screen vor allem im Daily Meeting für die Themenplanung des Tages.
Der Newsroom ist aber gleichzeitig auch als TV-Studio konzipiert. Mit einem Click wechseln wir die Screens zum Inhouse-TV-Magazins Prime für die Aufzeichnung von Statements vom CEO oder von anderen Beiträgen.
Wie läuft so eine Daily Sitzung ab?
Wir treffen uns jeden Morgen um 9 Uhr. Das Daily ist ein Pflichttermin, wer nicht vor Ort ist, wählt sich per Konferenzschaltung ein. Zuerst orientieren wir uns über die geplanten Aktivitäten, sowie über die pendenten Medienanfragen, denn diese entscheiden mit über die verfügbare Kapazität. Die Themenmanager informieren über wichtige Entwicklungen aus ihrem Bereich.
Dann bringen wir den Stand der Dinge aus Innensicht mit den Themen aus dem Monitoring der klassischen und sozialen Medien zusammen und entscheiden, ob ein aktuelles Thema unsere Planung übersteuert. Wenn ein Thema von aussen nicht am selben Tag aufgegriffen werden kann, dann ist es doch meist ein Impuls für eine spätere Geschichte. Das Daily dauert in der Regel circa 20 Minuten.
Ihr sagt: “Wir erzielen dann die Wirkung, wenn wir auch kommunizieren was die Öffentlichkeit gerade interessiert.” Wie findet ihr heraus, was die Öffentlichkeit interessiert?
Die Mitarbeiter der Medienhotline beobachten die klassischen und sozialen Medien und bringen ihre Beobachtungen und Empfehlung für geeignete „übersteuernde Themen“ in die Morgensitzung um 9 Uhr ein. Punkto Relevanz lassen wir uns schon von den grossen, klassischen Medien leiten. Dort schauen wir aber auch immer wieder auf die Kommentare um zu sehen, was die Leser aus einem Thema machen.
Wir funktioniert die Themenplanung konkret?
Dafür haben wir einen gut eingeführten Prozess, wie die Abbildung unten zeigt. Für jedes neue Kalenderjahr erstellen wir eine Planung aus schon bekannten internen und externen Themen. Daraus leitet sich dann eine Halbjahres- sowie die Monatsplanung ab. In den monatlichen Themenplanungsmeetings sind auch die Kollegen aus dem Content Marketing dabei. Gemeinsam legen wir dort unsere konkreten Aktivitäten für jeden Tag und jeden Kanal fest welche wir dann tagesaktuell – am Daily – überprüfen.
Auch euer Publikum mag wohl Storytelling?
Ja, absolut. Ganz neu ist das für uns allerdings nicht, wir haben schon früher viel Storytelling gemacht, allerdings rein nach innen gerichtet. Heute fahren wir den Public First-Ansatz: wir überlegen systematisch bei jeder Geschichte, ob wir sie auch so erzählen können, dass sie für unsere Zielgruppen relevant ist. Wenn wir ein Mitarbeiterportrait publizieren, kann das für künftige Mitarbeiter oder auch für Kunden, die sich eine Versicherung mit Gesicht wünschen, ein Thema sein. Natürlich löst das die interne Kommunikation nicht ab, aber es gibt mehr Themen als man denkt, die auch nach aussen verwertbar sind.
Ich habe von einem anderen Grosskonzern die Aussage gehört, dass er zwar Publisher mit eigenen Plattformen ist, wegen der Bespielung der „Owned Media“ aber auch zuweilen mit der Glaubwürdigkeit kämpft. Wie ist das bei euch?
Das ist für jedes Unternehmen ein Thema, der Schüssel ist die Professionalität. Unser Kundenmagazin „Meine Firma“ zum Beispiel, welches journalistisch hohen Ansprüchen genügt, hat extrem hohe Glaubwürdigkeitswerte.
… ein weiteres Element in der Strategie ist wohl, dass das Informationsangebot so aufbereitet wird, dass es auch geteilt wird?
In der Tat. Wir stellen eine Tendenz fest, dass Journalisten an uns gelangen, weil sie auf einen redaktionellen Beitrag von uns aufmerksam wurden. Ein Blog ist also auch eine Möglichkeit Journalisten zu erreichen. Wenn wir von Journalisten wissen, dass sie sich mit einem Thema beschäftigen, weisen wir sie auch einmal auf einen neuen Beitrag dazu im Blog hin.
Den Blog betreibt ihr seit über einem Jahr, schreibt ihr seither weniger Medienmitteilungen?
Nein, wir schreiben mehr. Neben den Corporate Mitteilungen veröffentlichen wir vermehrt auch Stories, von denen wir denken, dass sie eine ganz bestimmte Zielgruppe interessieren. Durch die Zusammenlegung zum Newsroom haben wir dafür viel mehr Manpower. Früher hatten wir zweieinhalb Mediensprecher, heute sind sieben Themenmanager in die Medienarbeit involviert. In der Vergangenheit war das Medienteam durch die vielen Medienanfragen sehr ausgelastet, die aktive Medienarbeit kam zu kurz.
Wie hat sich die Medienarbeit sonst noch verändert?
Wir entwickeln Themen, erzählen Geschichten und arbeiten dafür auch mehr mit Big Data. Wir setzen uns vermehrt damit auseinander, wie wir spannende Zahlen mediengerecht aufarbeiten können. Die Medien mögen Rankings. So haben wir zum Beispiel eine Geschichte zur Frage gemacht, in welchen Schweizer Skiorten am meisten Ski geklaut werden. Das Überraschende dabei: Sie werden am häufigsten aus dem Keller und nicht im Skigebiet gestohlen.
Dann sind Journalisten auch mit der Online-Recherche aktiv und treten auch über soziale Netzwerke in Kontakt. Zudem wollen sie mehr Bilder und insbesondere Infografiken und Bewegtbild. Was uns besonders überrascht hat ist die Bereitschaft, Infografiken zu übernehmen.
Wie geht ihr mit der gestiegenen Nachfrage nach Bildern und Videos um?
Wir haben im Newsroom einen Skill-Shift vollzogen und einen Infografik-/Motion-Designer eingestellt. So können wir aus dem Newsroom heraus sehr schnell grafische Elemente gestalten. Das gibt uns eine sehr grosse Flexibilität und die Möglichkeit, rasch zu reagieren.
Zusätzlich haben wir einen hervorragenden Fotografen und eine Bildredakteurin im Team, die als Bildchefin über die Qualität der visuellen Inhalte wacht und eine professionelle Bildsprache sicherstellt. Wir sind im Thema Bild und Video also stark aufgestellt.
Ihr seid mit eurem Newsroom enorm produktiv, auf der anderen Seite spricht man vom Content Shock, wie begegnet ihr diesem?
Intern ist dies ein Thema, Extern denken wir nicht, dass wir hier eine entscheidende Rolle spielen.
Wie bedient ihr die Zielgruppen?
Die Hüter der Zielgruppen auf operativer Ebene sind die Channel-Manager, also Nicole als Channel Manager Medien trägt die Verantwortung, das Mix und Qualität der Beiträge für Journalisten stimmen. Gleich verhält es sich bei den anderen Channel-Managern.
Was hat sich seit dem Start verändert? Welche Veränderungen stehen noch an?
Wir haben den Newsroom mobil gemacht und bei unseren Crashtests in Dübendorf zusammen mit unseren Social Media-Kollegen über Twitter, Facebook Live und Periscope live berichtet
Aktuell richten wir das ganze Mess- und Reporting-System auf dem Newsroom aus. Zudem ist es natürlich eine ständige Frage, auf welchen Medien wir künftig präsent sein sollen.
Was gebt ihr euren Besuchern mit auf den Weg, wenn sie einen Newsroom aufbauen wollen?
Zwei Dinge: Den One-Fits-All-Newsroom gibt es nicht, jeder muss seinen eigenen Weg finden und dafür genügend Zeit einrechnen. Fast noch wichtiger scheint uns, dass man den Change nicht unterschätzen soll. Hier haben wir Lehrgeld bezahlt indem wir einfach ausprobiert haben. Trotz vielen Schulungen und Kommunikation war der Aufbau des Newsrooms für das Team eine Herausforderung. Mit dem Start wurde ein Schalter umgelegt und alle hatten einen völlig neuen Job. Mitarbeitende, die bisher intern Interviews geführt hatten, sahen sich plötzlich mit Medienanfragen konfrontiert und lasen ihren Namen als Sprecher in der Zeitung. Das war ein grosser Entwicklungsschritt. Ein solcher Wechsel verlangt sehr viel Zeit, Begleitung und Support.
Ich danke meinen Gesprächspartnern:
Lorenz Heinzer, Leiter Newsroom, hat diese Position seit einem Jahr inne, vorher leitete er sieben Jahre die interne Kommunikation und Publikationen. Per 1. Dezember 2016 wurde er zum Head of Communications ernannt. Bevor er zur AXA Winterthur kam war er Freier Journalist für verschiedene Medien mit Spezialisierung auf Konsumjournalismus.
Nicole Horbelt arbeitet seit gut fünf Jahren bei AXA Winterthur als Head Media Relations und ist seit einem Jahr auch als stellvertretende Leiterin Newsroom. Zuvor war sie während zehn Jahren bei der Zurich Insurance Group, ab 2004 als Mediensprecherin und Senior Media Relations Officer.
2 Kommentare zu “AXA Winterthur Newsroom: PR-Arbeit fundamental verändert”