Was sind die Trends in der Kommunikation und wie wirken sich diese auf die Organisationsführung aus? Im Auftrag des Schweizer Harbour Club hat das Forschungsinstitut gfs.bern im Oktober zwei Fokusgruppen mit insgesamt 10 Chief Communications Officers (CCOs) befragt. Der CCO-Compass soll eine Orientierung für die Entwicklung der Organisationskommunikation liefern. Die aktuellen Entwicklungen und Trends lassen sich mit dem Schlagwort Digitalisierung der Kommunikation zusammenfassen.
Im ersten Schritt wurden in den moderierten Gesprächsgruppen die relevanten Trends identifiziert. Danach wurde diskutiert, wie sich diese auf die Kommunikation, auf die Führung und den Wertbeitrag von Kommunikation zum Unternehmen auswirken. Die Ergebnisse aus der Befragung geben eine Innensicht wieder. Die beiden Fokusgruppen stellen jedoch noch kein vollständiges Abbild der Perspektiven aus dem HarbourClub dar. Die Schlussfolgerungen sind daher erste Arbeitshypothesen aus einer internen Sicht, die in einer Folgestudie hinterfragt werden. Sie treffen aber den Nerv der Kommunikation und haben darum den Weg in diesen Blog gefunden.
Welche Folgen hat die Digitalisierung der Kommunikation für die Berufspraxis? Der Unternehmenskommunikation stehen immer mehr Kanäle zur Verfügung, die es sinnvoll zu bespielen gilt. Bewährte Kanäle verlangen zwar weiterhin nach Aufmerksamkeit, verlieren aber an Bedeutung. Während die Technologie, wie neue Websites, vergleichsweise schnell an neue Trends angepasst sind, hinkt die Organisation mit Strukturen und Prozessen hinterher. Wie schwierig es ist, die Relevanz der sozialen Medien einzuschätzen zeigt dieses Zitat aus der Fokusgruppe:
Die grosse schweigende Mehrheit finde ich nach wie vor nicht auf Social Media, sondern ich finde die polarisierenden Ecken, die entsprechend auch anheizen.
Wie verhält sich das denn nun? Ist die Mehrheit irgendwo im Social Web und schweigt oder ist sie gar nicht erst da? Und wie verkauft man der Unternehmensleitung, dass man mehr Budget benötigt, um die schweigende Mehrheit zu bedienen? Und wie funktioniert das dann konkret mit dem Dialog?
Was ich jetzt spannend finde: Jetzt kann ich endlich einen Dialog mit meiner Zielgruppe führen. Einen Dialog, den ich früher nicht gehabt habe.
Ein Hinweis gibt ein weiterer Teilnehmer der bestätigt, dass Dialog in geschlossenen Seiten (oder vermutlich Gruppen) viel besser zustande kommt. Und das führt auch zum nächsten Punkt: Weg von der Masse hin zur Klasse.
Digitalisierung ist ein Trend, die fortschreitende Individualisierung der Gesellschaft ein weiterer, der nach mehr personalisierter Kommunikation ruft. Aber was bedeutet das konkret? Wen soll man mit welchen Inhalten auf welchen Kanälen ansprechen? Wie herausfinden, wenn die Mehrheit schweigt? Ohne genaues Zuhören mit Monitoring und eine engmaschige Erfolgskontrolle, die auf die Ziele abgestimmt ist, geht es nicht (auch auch die Bewegungen von schweigenden Menschen lassen sich im Web messen). Aber es ist so: Themensetzung und Issue-Management sind aufwändiger geworden, folgern die Teilnehmer.
Neben der schweigenden Mehrheit gibt es sie aber auch, jene 10%, die gemäss Nielsen selber aktiv werden, kommentieren, kritisieren, interagieren und damit die Demokratisierung der Kommunikation vorantreiben und zu starken Anspruchsgruppen werden. Sie als valabel oder gar als Beeinflusser einzuschätzen ist ebenfalls eine Herausforderung, der sich die Kommunikation stellen muss:
Vielleicht in 5, 10 Jahren, vielleicht auch schneller, wird sich die Spreu vom Weizen in Social Media trennen. Aber im Moment ist es einfach ein grosser Haufen.
Bei Social Media gilt: “Wie man sich bettet, so liegt man”. Ein “doofes” Facebook oder “geschwätziges” Twitter per se gibt es nicht. Jeder stellt sich seine Timeline selber zusammen und idealerweise klingt es dann so:
Ich informiere mich in erster Linie über Twitter und das was ich dort folge, das sind zum Teil renommierte Leute, Journalisten, Medien und die wissen ganz genau, dass sie selber ein Reputationsproblem haben, wenn sie da nur Schrott veröffentlichen würden.
Insgesamt sehen die Gesprächsteilnehmer die Chancen die aus der Digitalisierung der Kommunikation entstehen, insbesondere beim Employer Branding.
Unternehmen sind gefordert, denn sie müssen lernen, die Kontrolle abzugeben und zu versuchen, Teil des Dialogs zu werden. Das hat Auswirkungen auf die Organisation:
Digitalisierung kehrt die Hierarchie komplett um und man muss sehr starkes Vertrauen an die Front geben.
Damit das klappt braucht es Guidelines und definierte Themenfelder. Dann aber gilt es loszulassen und den Kommunikatoren an der Front einen hohen Grad an Autonomie einzuräumen. Je hierarchischer ein Unternehmen aufgebaut ist, desto harziger und schmerzhafter verläuft dieser Prozess. Die Teilnehmer der Fokusgruppen sehen hier durchaus Konfliktpotenzial.
Einerseits werden soziale Medien als kostengünstige Möglichkeit angesehen und mit den Anspruchsgruppen in den Dialog zu treten. Anderseits entstehen auch Ansprüche an die zeitliche Verfügbarkeit und Reaktionsfähigkeit, was auch höhere Ressourcen beansprucht. Der Kostendruck ist denn auch eine weitere Herausforderung:
Ressourcen werden immer knapper. Kompetenzen und Ansprüche werden immer höher, aber die Ressourcen stehen nicht im Vergleich dazu.
Nicht alle Gesprächsteilnehmer fordern zusätzliche Ressourcen, einige arbeiten zuerst an den Prozessen, schichten Aufgaben um und setzen Prioritäten anders: “Die gleichen Teams machen integriert das Gleiche”.
Relevanz ist im Kampf um Aufmerksamkeit zentral. Das allein reicht jedoch nicht. Zeit ist ein knappes Gut, was vermittelt wird muss schnell erfasst werden können und so steigen parallel auch die Bedürfnisse an Vereinfachung.
Für mich ein grosser Trend aber gleichzeitig auch eine grosse Herausforderung ist die Vereinfachung. Die Komplexität nimmt nicht ab. Gewisse Medien verlangen aber, dass man reduziert.
Wichtiger geworden sind Emotionen in der Kommunikation, um Resonanz zu erzielen.
Individualisierte Ansprüche und die Vielzahl an Kanälen verleihen der integrierten Kommunikation wieder mehr Bedeutung damit ein konsistenter Auftritt gesichert ist, dies geht nicht ohne den Einbezug der internen Kommunikation. In grösseren Organisation entstehen dafür Newsrooms oder Interaction Centers in denen die Kanäle sowie die interne und externe Kommunikation zusammengelegt werden. Ein weiterer Grund einen eigenen Newsroom aufzubauen liegt aber auch in der veränderten Medienarbeit:
In meiner Funktion stelle ich fest, dass die Qualität von medialer Berichterstattung immer mehr abnimmt (…) Und das ist die Ausgangslage für uns, dass man immer mehr selber zum Content Producer wird: Stichwort Newsroom …
Gefragt ist gemäss gfs-bericht eine Dialogstrategie, die von der Organisation auf Stufe der Konzernleitungen bis zu den einzelnen Mitarbeitenden in den Organisationseinheiten auch getragen wird. Netzwerke der CCOs und Management-Fähigkeiten sind für die Entwicklung und den Erfolg wesentlich.
Der Bericht enthält auch Resultate zu Reputation und Messbarkeit, kommt aber zum Schluss:
Im Gegensatz zur Digitalisierung stehen CCOs bezüglich Messbarkeit und Reputation eher im Gegenwind. Reputations-Messung und Kommunikations-Controlling stehen bisher wenig auf dem Radar der CCOs.
Dieses Neuland beschreibt der Bericht sehr schön mit: “Wenn die Kommunikationsaktivitäten heute stärker die Organisation durchdringen, so durchdringen die Controlling-Elemente heute stärker die Kommunikation.” Zudem “werden Indikatoren erhoben, die stark durch Marktlogik und Kundensichten definiert wurden. Das kann für Kommunikationschefs effektiv zum ‘Horror’ werden.” “Die bisherigen Messkonzepte tragen den veränderten Kommunikationsbedingungen nicht Rechnung.”
Heute müssen Kommunikations-Verantwortliche von Getriebenen zu Treibern werden, die das Heft in die Hand nehmen. Und auch wenn sich die Hierarchien verändern: Wesentliche Entscheidungen werden weiterhin oben gefällt und hier braucht es einen höheren Einfluss der Kommunikationschefs.
Ich empfehle die Lektüre des knapp 30seitigen Berichts. Zum Download gibt es ihn bei gfs.bern. Weitere Informationen gibt es auch beim HarbourClub.
Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse und konkretisieren Bedürfnisse ist neben der erwähnten Folgestudie für 2015 auch eine Aussensicht geplant. Man darf gespannt sein.
2 Kommentare zu “CCO Compass zu den Trends in der Kommunikation”