Wenn meine Kunden und Studenten neue Themen und Herangehensweisen für ihre Probleme suchen, empfehle ich ihnen jeweils, die Perspektive zu wechseln. Diese Gelegenheit bot sich mir an der Fachtagung „Gefällt mir“ – Kirche in Facebook, Twitter & Co, zu der ich als Referentin eingeladen war. Der katholische Mediendienst und die reformierten Medien haben am 11. November in Zürich eine Weiterbildung organisiert. Angesprochen waren Kommunikationsbeauftragte und weitere kirchliche Mitarbeitende, die sich mit Social Media befassen.
Der Tag war für mich eine vielschichtige und enorm wertvolle Erfahrung. Insbesondere wurde mir klar, dass Menschen, die sich beruflich mit christlichen Themen beschäftigen, für das Thema Social Media prädestiniert zu sein scheinen. An der Tagung, die von A-Z top professionell und auf hohem Niveau organisiert war, nahmen 100 Personen teil – weitere Interessierte mussten sich mit einem Platz auf der Warteliste begnügen. Von diesem Tag habe ich einiges für mich persönlich und für meine Arbeit mitgenommen:
- In der Schweiz werden für die kirchliche Arbeit schon seit einiger Zeit Social Media als Ergänzung zur klassischen Kommunikation eingesetzt. Die reformierte Kirche betreibt auf ref.ch ihr Portal, die katholische Kirche hat mit kath.ch das Portal für die katholische Kirche der Schweiz aufgebaut (beide Seiten empfehle ich zum genaueren Studium zum Einsatz von Social Media). Dass nach dem Learning by doing eine gehörige Portion eigene Erfahrung mit dabei ist, zeigte die souveräne und fachlich fundierte Moderation von Pfarrerin Pascale Käser Huber.
- Die Tagung war für die Teilnehmer ein Showcase für den Einsatz moderner Mittel. Facebook für die Vor- und Nachbearbeitung, Twitter mit einer Twitterwall zum #gm11 am Anlass (deren Inhalte übrigens regelmässig aufgegriffen wurden), Videoaufzeichnungen, die auf YouTube kommen und natürlich wurde auch fotografiert. Teilnehmen konnte nur, wer zuvor eine Twitter oder Facebook-Schulung durchlaufen hatte und dadurch ein minimales Grundverständnis mitbrachte. Symbolisch für den Aufbruch war für mich die weiss gekleidete Ordensfrau hinter ihrem passend weissen MacBook die sich mit ihrem Nachbarn angeregt über den Twitterstream unterhielt.
- Das gemeinsame Referat von Urs Meier (Geschäftsführer reformierte Medien) und Dr. Charles Martig (Geschäftsführer katholischer Mediendienst) zeigte, dass längst nicht mehr die Digital Natives die kleinen Könige im Social Media-Land sind. Die beiden Theologen haben absolut fundiert gesprochen und eindrücklich herausgeschält, wo der gemeinsame Nenner zwischen religiösen Themen und den neuen Medien liegt: Beide sind im Kern durch und durch sozial. Auch auf dem Panel zeigten ihre Voten einen Sachverstand und ein Verständnis für die Zusammenhänge der Mechanismen, die ich in manchen Gesprächen mit Mitarbeitern aus der Wirtschaft und auch gar aus meiner eigenen Zunft noch schmerzlich vermisse.
- Die zahlreichen Fragen und die überaus aktive Beteiligung der Anwesenden zeigte: „Das Thema ist heiss“. Spürbar war der Wille, die Kommunikation im Social Web solide und richtig anzugehen. Auch in den Pausengesprächen habe ich eine grosse Offenheit und auch Begeisterungsfähigkeit für neue Wege festgestellt. Dennoch entstand nie der Eindruck, dass hier Kommunikationsverantwortliche unüberlegt und ziellos vorgehen und darum lieber gestern als morgen „Facebook machen“ wollen.
- Meine Präsentation habe ich noch während der Tagung bei Slideshare, Facebook und bei meinen weiteren Profilen eingestellt. Nie zuvor habe ich innert kürzester Zeit auf eine Präsentation an allen Orten so viele Kommentare, Fragen und Lob erhalten. In meinem Referat war die Thank You Economy, die ich unlängst in einer phantastischen Präsentation zur digitalen Selbstvermarktung der von mir sehr geschätzten Ulrike Langer entdeckt habe, kein Thema. Sie muss offenbar auch nicht gelernt werden, sie wird in diesen Kreisen einfach gelebt.
Kath.ch und Ref.ch haben mit dieser Tagung für viele kirchliche Mitarbeiter eine Tür zu einer neuen Welt aufgestossen und wichtige Impulse gegeben. Dass sie die Teilnehmer auch in Zukunft nicht alleine lassen, sondern sie weiter begleiten, zeigt ein niederschwelliges Angebot, das sie für jede Kirchgemeinde anbieten (Angebot kath.ch, Angebot ref.ch als pdf). Sie wissen, dass ein Anlass nicht reicht und dass ihr Social Media Weinstock erst dann Früchte trägt, wenn sie sich bewusst, andauernd und geplant in die Kommunikationsarbeit reinknien.