Bots sind ein Trendthema für 2019. Klar, dass ich mich damit befasse, weil ich es für die Kommunikation für wichtig erachte. Für mich sind Bots jedoch – bis auf ein paar eher zufällige Erfahrungen – weitgehend Neuland. Darum habe ich Sophie Hundertmark befragt, damit sie mir – und Ihnen – die Chatbot-Basics vermittelt. Sie ist Mitbegründerin von h-square und mit ihrem Geschäftspartner auf künstliche Intelligenz und Machine Learning spezialisiert. Ihr habe ich jene Fragen gestellt, die helfen sollen, das Thema einzuordnen und sich Gedanken zum Einstieg zu machen.
Sophie, du hast schon an verschiedenen Konferenzen zum Thema Chatbots gesprochen. Wie bist du zu diesem Thema gekommen?
Ich habe an der Hochschule Luzern HSLU Online Marketing studiert. Für meine Masterarbeit habe ich nach einem spannenden Thema gesucht und bin auf Chatbots gestossen. Damals war ich eine der Ersten, die zu Bots geforscht und darüber geschrieben haben.
Was genau ist ein Chatbot? Welche Arten von Chatbots gibt es?
Kurz und knapp auf den Punkt gebracht ist ein Chatbot ein Softwaresystem, das mit einem menschlichen Benutzer in natürlicher Sprache interagieren oder “chatten” kann. Chatbots können dabei helfen, einen Benutzer zu informieren oder ihm beim Erfüllen einer Aufgabe zu helfen.
Man unterscheidet zwischen zwei Arten von Chatbots: es gibt die regelbasierten und jene, die mit künstlicher Intelligenz (AI) arbeiten. Die Rule-basierten Bots beantworten Fragen, auf welche sie trainiert wurden. Die Entwicklung von solchen Bots ist relativ einfach. Die AI-Bots können mehr, als nur Fragen zu beantworten. Ein solcher Bot lernt aus den Interaktionen mit den Endbenutzern und wird so immer besser. Ich habe das übrigens hier noch etwas genauer beschrieben.
Ist ein Bot und ein Chatbot das Gleiche?
Ja das ist das Gleiche. Diese Helfer werden auch gerne digitale Assistenten genannt, das klingt doch noch etwas besser, weil positiver.
Was macht einen guten Chatbot aus?
Ein guter Bot versteht den User und kann seine Bedürfnisse befriedigen. Falls man sich nicht sicher ist, ob man allen Bedürfnissen gerecht werden kann, sollte man den Umfang des Bots von Anfang an klar kommunizieren. Der Benutzer sollte also verstehen, was der Bot kann und was nicht. Wenn falsche Erwartungen geweckt werden, führt das logischerweise zu Enttäuschungen. Gute Chatbots sind zudem AI basiert, lernen selbst dazu und verbessern sich dadurch kontinuierlich.
Kannst du mir bitte ein Beispiel nennen?
Ja klar! Viele denken bei Chatbots an E-Commerce, doch es gibt noch andere Bereiche, in denen sie gute Dienste leisten können, zum Beispiel im HR. In meinem Blog zeige ich verschiedene Szenarien, wie ein Chatbot das Personalwesen entlasten kann. Das beginnt schon bei der Stellenausschreibung und geht weiter zur Begleitung von Bewerbern. Aber auch im Unternehmen können sie als digitale Assistenten helfen, so zum Beispiel beim Onboarding, beim Mitarbeiter-Management, aber auch in der Weiterbildung. Sie entlasten enorm, ersetzen aber natürlich die Menschen nicht.
Wo hören die Möglichkeiten des Bots auf und wo muss der Mensch eingreifen? Wie funktioniert diese Übergabe?
Durch Algorithmen können wir feststellen, wann der Bot “verloren” ist. Wenn der User zum Beispiel dreimal die gleiche Frage stellt und der Bot immer eine Antwort liefert, mit welcher der User nicht zufrieden ist, dann sagt man: “Der Bot ist verloren”. In diesem Moment wird der Bot an einen Live-Chat weiter geleitet oder er fragt den User nach seiner Adresse/Nummer, damit ihn später ein Mitarbeiter kontaktieren kann.
Umgekehrt können auch Bots natürlich dann übernehmen, wenn ausserhalb der Bürozeiten keine Menschen für einen Live Chat verfügbar sind.
Wenn ein Chatbot nicht mehr als “Computerprogramm” erkennbar ist, weil er so menschlich wirkt, ist das ein Problem?
Ich würde nie versuchen, den Chatbot wie einen Menschen zu machen. Es kommen immer Momente, in denen klar wird, dass es sich um einen Bot handelt. Also bitte keine falschen Erwartungen wecken und die Menschen nicht verwirren.
Wie weit sind wir vom Moment weg, wo diese Unterscheidung gar nicht mehr möglich ist?
Weit.
Wie setzen Unternehmen Chatbots heute in der Regel ein?
Wie oben ausgeführt entweder für interne Unternehmensprozesse wie zum Beispiel das Onboarding neuer Mitarbeiter oder nach aussen für Kunden. Im Kundenservice sind die Anwendungsfälle zahlreich. Sie reichen von der Bearbeitung der klassischen häufig gestellten Fragen (FAQ) über die Reklamationsaufnahme bis hin zur Kaufabwicklung. Ich habe im Blog von Digicomp mit einigen Beispielen gezeigt, wie vielfältig die Möglichkeiten sind. In der Schweiz ist zum Beispiel bei Geschenkidee mit eedi (die umgekehrte Schreibweise von Idee) ein Chatbot im Einsatz. Raiffeisen wollte ein etwas jüngeres Publikum ansprechen und hat dafür einen AI-Assistenten entwickelt. 2019 werden wir noch viele weitere Beispiele sehen.
Wenn ein Unternehmen zu dir kommt und sagt “Wir möchten auch einen Bot haben”, wie gehst du dann vor?
Ich starte am liebsten mit einem Workshop, bei dem wir mit dem Kunden Anwendungsfälle und die Customer Journey evaluieren. Gemeinsam skizzieren wir dann den ersten Usecase des Chatbots. Danach geht’s in die Entwicklung. Als Resultate für einen solchen Workshops steuern wir an:
- Persona Definition
- Use Case-Identifikation
- Data Source-Identifikation
- Gemeinsame Grundlage für die Umsetzung bzw. Implementation eines Chatbots
Damit du dir vorstellen kannst, wie ein solcher Workshop aufgebaut ist, habe ich das aufgearbeitet.
Danke. Welche Schritte sollte ein Unternehmen vorgekehrt haben, bevor es sich an einen Dienstleister wendet?
Eigentlich kläre ich mit ihnen alles Nötige. Aber natürlich ist es gut, wenn sie schon einige Vorstellungen mitbringen: Dazu gehört die Frage nach den Ressourcen: Welche Mitarbeiter arbeiten mit und wer hat auf Kundenseite die Projektleitung. Aber auch das Budget ist ein Thema, ein Unternehmen sollte für ein Bot-Projekt mindestens Fr. 10’000 vorsehen. Dann helfen natürlich auch Informationen, die wir dann im Projekt benötigen: Welche Datenquellen gibt es, die man für einen Bot nutzen könnte und wie sieht die Customer Journey aus…
Welches sind die Fehler, welche Unternehmen machen?
Sie versuchen einen Usecase zu entwickeln, ohne dass sie sich im Thema Chatbots und Bots überhaupt auskennen. Das ist falsch. Man sollte sich vorher sehr genau über Customer Journey und Usecases informieren und dann einen Bot entwickeln, der wirklich einen Mehrwert bietet.
Wie erkennt man die richtige Agentur?
Ich empfehle immer, einen Anbieter zu wählen, der sich auch mit Use Cases, Customer Journey und UX auskennt und nicht nur reiner Entwickler ist. Zudem sollten gute Agenturen die Anfragen ihrer Kunden kritisch hinterfragen und auch mal sagen, dass in einem bestimmten Fall kein Bot empfehlenswert ist.
Hast du einen oder mehrere Lieblingsbot(s)?
Unser interner eigener Bot squary, den wir innerhalb von Slack nutzen. Er macht unter anderem das Time Tracking für uns und hilft auch bei anderen Aufgaben wie beispielsweise bei der Spesenverwaltung. Ab Ende März bieten wir ihn übrigens auch auf dem Markt an.
Wohin geht deiner Meinung nach 2019 der Trend?
Wir werden einen vermehrten Einsatz von künstlicher Intelligenz sehen. Und ein grosses Thema wird die Sprachsteuerung. Vor allem Unternehmen im Bereich E-Commerce sollten sich Gedanken machen, wie sie ihre Zielgruppen auch via digitale Sprachassistenten erreichen bzw. beim Kauf unterstützen können.
Allen, die am Thema dran bleiben wollen, empfehle ich übrigens die AI in Marketing Conference in Zürich, die ich ins Leben gerufen habe. Sie findet erstmals am 27. März 2019 im Kraftwerk Selnau in Zürich statt.
Ich danke Sophie für diese Einführung in die Chatbot-Basics und für die Zeit, die sie sich genommen hat.
Sophie Hundertmark ist Gründerin und Partnerin von h-square. h-square ist in Zürich situiert und ist spezialisiert auf künstliche Intelligenz und Machine Learning.