CommTech Index Report 2023: Luft nach oben für die Kommunikationsbranche in Deutschland!

CommTech Index Report 2023

Die Arbeitsgemeinschaft (AG) CommTech und die Deutsche Public Relations Gesellschaft (DPRG) haben den ersten CommTech Index Report veröffentlicht. Dieser gibt einen detaillierten Einblick in den Stand der Digitalisierung der Kommunikation in Unternehmen und PR-Agenturen in Deutschland. Aktuell liegt der Digital-Index bei 45 von maximal 100 Punkten. Die Ergebnisse lassen aufhorchen und sind ein Weckruf für die Branche. So verwendet etwa ein Fünftel der Befragten ein Tabellenkalkulationsprogramm wie Excel, um die Aufgaben und Aktivitäten im Rahmen von Projekten zu verwalten.

An der Online-Befragung, die von August bis Oktober 2023 durchgeführt wurde, nahmen 218 Personen teil, 73 % aus Kommunikationsabteilungen und 27  % aus PR-Agenturen.

Neben der Methodik und den Ergebnissen der Befragung bieten die Themenfelder Organisation, Technologie, Erfolgsmessung sowie Rollen, Skills & Führung wertvolle Vertiefungen. Wer also noch keine klare Vorstellung davon hat, welche Rolle CommTech künftig in der Kommunikation spielen soll, findet hier wertvolle Denkanstösse.

CommTech: das grosse Zukunftsthema

Der Begriff CommTech ist noch verhältnismässig jung. In den USA wurde er mit der Studie der Arthur Page Society ‘The CCO as the Pacesetter’ 2019 eingeführt. Umso wichtiger ist es, ihn zu klären, denn ein falsches Verständnis führt zu einer Fehleinschätzung, wie die Autorinnen ausführen.

Überraschend viele Befragte geben an, dass sie bereits erhebliche Fortschritte beim Einsatz von CommTech gemacht haben. Dies mag an einer Fehlinterpretation der CommTech-Philosophie liegen. CommTech ist gemäss Report nicht dasselbe wie die Digitalisierung der Kommunikation; letztere ist lediglich eine notwendige Voraussetzung für die Umsetzung von CommTech.

CommTech Index Report 2023 Digitalisierung Kommunikationsabteilung oder PR-Agentur Hype Cycle
Quelle: CommTech Index Report 2023 (S. 10)

CommTech ist die präzise Ausrichtung der Kommunikation entlang einer klar definierten Stakeholder Journey, die eine zunehmende Personalisierung der einzelnen Kontaktpunkte entlang der Journey vorsieht. Das geht nicht ohne Digitalisierung der Kommunikation, aber die Digitalisierung allein ist noch lange nicht die Umsetzung der CommTech-Idee. Es zeigt sich jedoch, dass die überwiegende Mehrheit der Kommunikationsabteilungen derzeit mit der Digitalisierung ihrer Prozesse beschäftigt ist und sich damit in einer Vorphase der Umsetzung von CommTech befindet.

Die Zustimmung von 78 % zur Aussage “CommTech wird die Kommunikationsbranche enorm verändern” zeigt, dass CommTech ein Zukunftsthema ist.

CommTech Index aus 4 Komponenten

Der aktuelle Digitalisierungsindex wurde auf der Grundlage eines Algorithmus berechnet, der vier Komponenten berücksichtigt:

  • Budgetverwendung für Technologien
  • Veränderungen durch CommTech in der Zukunft
  • Einsatz von Technologien in der Kommunikation
  • Nutzung von Daten in der Kommunikation

Pro Baustein können maximal 25 Indexpunkte erreicht werden, sodass sich im erstmals erhobenen Index ein Reifegrad von 45 für die Umsetzung von CommTech in Kommunikationsabteilungen und PR-Agenturen ergibt.

Budgetverwendung für Technologien

Der CommTech-Index berücksichtigt unter anderem die aktuelle und zukünftige Budgetverwendung für Technologien. Er gibt an, welcher Anteil des Kommunikationsbudgets heute für Technologien ausgegeben wird und wie sich das Budget in den nächsten 12 Monaten entwickeln wird.

10 % der Befragten investieren mehr als ein Viertel ihres Kommunikationsetats in Technologien. Knapp ein Viertel konnte keine Angaben zur Budgetverwendung für CommTech machen. Ein gutes Drittel investiert zwischen 6 und 10 Prozent des Budgets. Immerhin 56 % gehen davon aus, dass die Ausgaben in diesem Bereich in den nächsten 12 Monaten steigen werden. Auf den ersten drei Plätzen rangieren Owned Media und Content Creation (45 %), Prozessautomatisierung (43 %) sowie Kollaborationslösungen wie Microsoft Teams und Social Intranets (42 %). 41 % werden in Zukunft mehr in Aus- und Weiterbildung investieren.

Veränderungen durch CommTech in der Zukunft

In dieser Kategorie erhält die Kommunikationsbranche die meisten Indexpunkte. Hier geht es darum, zukünftige Vorteile durch den Einsatz von CommTech zu erkennen, unabhängig davon, ob diese Vorteile bereits realisiert wurden oder nicht.

Die Branche strebt Effizienzsteigerungen an, insbesondere Prozesseffizienz (78 %), Zeiteffizienz (74 %) und Kosteneffizienz (65 %). 67 % erhoffen sich mehr Freiraum für andere (strategische) Aufgaben.

Interessanterweise stellt die Studie einen Zusammenhang zwischen dem Einsatz technologischer Lösungen und der Mitarbeiterzufriedenheit her. Mit meiner diesbezüglichen Zurückhaltung schliesse ich mich der Gruppe der erfahrenen PR-Praktikerinnen an. Während 60 % der Berufseinsteigerinnen von einer höheren Zufriedenheit durch den Einsatz von Technologien ausgehen, sind es bei den erfahrenen Kommunikationsprofis nur 30 %.

Einsatz von Technologien in der Kommunikation

Der zweitwichtigste Bereich betrifft den Einsatz von Technologie in der Kommunikation heute und in der Zukunft. In dieser Komponente des CommTech-Index geht es darum, wie Kundenkontakte im Kommunikationsteam derzeit gehandhabt werden und welche Technologien eine Chance darstellen.

Wie wir gleich sehen werden, hat die Branche noch wenig Erfahrung im Umgang mit Daten. Für die Zukunft sehen aber 93 % der Befragten eine grosse Chance in der Datenanalyse, gefolgt von der Prozessautomatisierung (82 %) und dem Einsatz von künstlicher Intelligenz (75 %) – nur 6 % der Befragten sehen in KI übrigens eine Bedrohung.

Nutzung von Daten in der Kommunikation

Lesetipp: Whitepaper “Wie baue ich einen Datalake” der AG CommTech.

25 von 100 Indexpunkten könnten in dieser Komponente erreicht werden. Allerdings zeigt sich hier ein deutliches Defizit: 39 % der Kommunikationsabteilungen verfügen über keine Expertise in der Datenanalyse. Das mag daran liegen, dass wir, wie es im Bericht heisst, “Männer und Frauen des Wortes” sind. Zugänge zu Daten sind zwar vorhanden, aber eine Tool-Landschaft aus Insellösungen führt zu Datensilos, die kein Gesamtbild ergeben und sich teilweise sogar widersprechen.

Themenfeld Organisation

Wir erfahren eine erfreuliche Entwicklung in Richtung integrierte Kommunikation, was auch von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern begrüsst wird. Die Mehrheit wünscht sich einen bereichsübergreifenden, projektorientierten Ansatz. Weniger als jeder zehnte Mitarbeiter bevorzugt noch eine Organisation in getrennten Abteilungen.

CommTech Index Report 2023 Corporate Newsroom
Quelle: CommTech Index Report 2023 (S. 33)

Gerade kleinere Organisationen wagen sich nicht an das Grossprojekt Newsroom, obwohl die Vorteile auf der Hand liegen. Knappen Ressourcen begegnet man mit Klarheit über Themenfokus, Prozesse sowie die Verteilung von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten im Team. Ob die Lösung am Ende Newsroom heisst, ist letztlich eine semantische Diskussion.

Die Autoren verweisen auf die Studie “Next Communication” der Deutschen Telekom, die die Notwendigkeit integrierter Ansätze bei der Einführung digitaler Technologien unterstreicht. Ein Argument mehr, interne Silos abzubauen. Zumal die Chancen gut stehen, bei den Marketingkolleginnen Lösungen zu finden, die schon länger Erfahrungen mit MarTech gesammelt haben.

Themenfeld Technologie

Auf die Frage, in welchen Aufgabenbereichen die neuen Technologien grosse Auswirkungen haben, nennen 80 % der Befragten an erster Stelle Monitoring und Analyse. Der Newsroom liegt mit 56 % im Mittelfeld, überraschend ist die relativ geringe Bedeutung von Collaboration und Messaging mit 45 %.

CommTech Index Report 2023 Auswirkungen von neuen Technologien auf Aufgabenbereiche in der Kommunikation
Quelle: CommTech Index Report 2023 (S. 38)

Für das Kontaktmanagement nutzen in Deutschland weniger als die Hälfte der Befragten (43 %) eine CRM-Datenbank für das Customer Relationship Management. Immerhin 51 % der Befragten pflegen eine Journalistendatenbank. Ob es sich dabei im Zweifelsfall um eine Excel-Liste handelt, geht aus dem Bericht nicht eindeutig hervor.

Für das Projektmanagement setzen über 22 % auf Tabellenkalkulation, 28 % nutzen den Microsoft Planner. Immerhin jeder zehnte Befragte hat auch Trello für die Verwaltung von Aufgaben, Aktivitäten und Projekten angekreuzt. Papier ist auch im digitalen Zeitalter vielerorts das Mittel der Wahl, so bei 7 % der Agenturen mit mehr als 20 Mitarbeitenden.

Viele Kommunikationsabteilungen und PR-Agenturen sind auf dem Weg zur Digitalisierung und zur Implementierung von CommTech. Doch guter Wille und Budget allein reichen nicht aus. Zahlreiche Hindernisse erschweren oder blockieren den Einsatz von Technologien in der Kommunikation.

CommTech Index 2023 Report Grösste Hürden beim Einsatz von Technologien in der Kommunikation.
Quelle: CommTech Index Report 2023 (S. 39)

Meist werden auf dem Weg zur Digitalisierung mehrere Technologien eingeführt – oft in der irrigen Annahme, dass ein Tool allein die Lösung des Problems ist. In meiner Beratungspraxis höre ich auch, dass Anwendungen parallel eingesetzt werden, weil sich das Team nicht auf eine Lösung einigen kann. Oder es wird eine Lösung eingeführt, deren Nutzung an der Akzeptanz scheitert oder daran, dass die Lizenzen nicht für das ganze Team ausreichen. Die Liste der Hürden ist lang, wie die obige Tabelle zeigt. Welche Fallstricke bei der Einführung von CommTech noch lauern und welche Rolle sozio-technische Systeme dabei spielen, zeigt meine Auswertung der Studie der Universität Leipzig.

Themenfeld Erfolgsmessung

Die Kommunikationsabteilungen nutzen bereits zahlreiche Datenquellen zur Datenanalyse: Webseitenanalyse (z.B. Google Analytics) bei 82 %, Social Media Monitoring (77 %), Medienbeobachter/Clipping-Dienst (76 %), Analyse von Social Media-Diensten (Facebook, Instagram etc.) 75 %. Alles im grünen Bereich, könnte man meinen. Nur bei der Auswertung hapert es. Mehr als ein Drittel der Unternehmen weiss nicht, ob die Medienlage positiv oder negativ ist. Bei der qualitativen Analyse – über welche Inhalte wird gesprochen – fischen die Kommunikationsentscheiderinnen mehrheitlich im Trüben.

Ich verstehe, dass das Vertrauen in die Stimmungsanalyse erst aufgebaut werden muss: Ich habe in der Vergangenheit kaum brauchbare Sentiment-Analysen gesehen. Dass die Beobachtung der Themenlage sowohl zum eigenen Unternehmen als auch zu den für die Organisation relevanten Themen gravierende Mängel aufweist, habe ich schon öfter festgestellt. Jörg Forthmann vom IMWF stellt daher fest: “Auf dieser Erkenntnislage lassen sich weder Erfolge gegenüber der Geschäftsleitung nachweisen noch die operative Arbeit optimieren. Diese Datengrundlage ist allemal geeignet, eine punktuelle Verifizierung des Bauchgefühls zu liefern – aber es bleibt beim Bauchgefühl.”

CommTech Index 2023 Report Datenanalysen Kennzahlen
Quelle: CommTech Index Report 2023 (S. 56)

Interessant ist die Frage, welche Kennzahlen heute und in Zukunft in der Medienanalyse verwendet werden. An erster Stelle steht die Anzahl der Publikationen (84 %). Ein grosser Fortschritt wäre es, die Anzahl Publikationen (sowohl in Owned Media als auch in klassischen Medien) mit den strategischen Themen und deren Gewichtung in der Content-Strategie abzugleichen. So kann überprüft werden, ob die Umsetzung auf dem richtigen Weg ist. Das ist durchaus machbar, man muss es nur tun. Für die Zukunft geht die Entwicklung weg von quantitativen Erhebungen (Publikationen, Reichweiten) hin zu qualitativen Messungen wie Reputation, Brand Value oder gar Return on Investment.

Die Erfolgsmessung fristet in den meisten Unternehmen noch ein Schattendasein, was meist mit fehlenden Ressourcen begründet wird. Der CommTech Index Report spricht hier eine deutliche Sprache. Fehlende Zeit, fehlende Budgets, fehlende Tools, unklare Verantwortlichkeiten, fehlendes Engagement für das Thema und fehlende Daten sind hausgemachte Probleme. Der Datenanalyse wird einfach nicht genügend Priorität eingeräumt, um die notwendigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen und alle notwendigen Entscheidungen zu treffen.

Themenfeld Rollen, Skills & Führung

Die wichtigste Kompetenz für den Einsatz von Technologie in der Kommunikation ist die Fähigkeit zum Monitoring, so die Meinung von über 82 % der Befragten (Mehrfachnennungen waren möglich). Dies zeigt, dass die Branche beim Einsatz von Technologien noch am Anfang steht. Etwas differenzierter sehen dies die Berufseinsteiger und die Kolleginnen und Kollegen mit bis zu 10 Jahren Berufserfahrung. Sie haben die Möglichkeiten und Chancen der neuen Technologien erkannt und sehen Chancen in den Bereichen Content Creation, Research/Insights/Planung und auch im Einsatz von generativer KI.

Letztlich stellt sich für alle die gleiche Frage: Wie schaffen wir es, bei der rasanten technologischen Entwicklung die richtigen Tool-Entscheidungen zu treffen, diese umzusetzen und dabei alle mitzunehmen – unabhängig von der Grösse des Unternehmens? Wir befinden uns mitten in der Lernkurve, was sich auch in den geplanten höheren Investitionen in Aus- und Weiterbildung niederschlägt.

Der Austausch von Wissen und Erfahrungen ist entscheidend. Der CommTech Index Report 2023 zeigt auch: Je grösser das Kommunikationsteam, desto besser schätzen die Kolleginnen und Kollegen ihre Kompetenzen im Umgang mit Technologien ein. Dies hat sicherlich mit dem Handlungsspielraum in grösseren Unternehmen zu tun, aber auch mit der Möglichkeit, sich mit ganz unterschiedlichen Teammitgliedern mit individuellen Fähigkeiten und Erfahrungsniveaus auszutauschen.

Eine Vernetzung für den fachlichen Austausch kann auch über das Unternehmen hinaus erfolgen, ich empfehle dafür in der Schweiz Com Impact und in Deutschland die Arbeitsgemeinschaft CommTech.

Download und Vertiefung

Sie finden den gesamten CommTech Index Report 2023 hier zum kostenlosen Download.

Zudem empfehle ich zur Vertiefung:

Der CommTech Index Report 2023 zeichnet zwar ein ernüchterndes Bild vom Reifegrad der Digitalisierung in der deutschen Kommunikationsbranche. Er zeigt aber auch Perspektiven auf, wohin sich die Kommunikation in Unternehmen und Agenturen entwickeln kann und ist damit eine wertvolle Lektüre. Dafür geht ein grosser Dank an die Initiantinnen und Autoren Thomas Mickeleit, Jörg Forthmann, Marie Sophie Groß, sowie news aktuell, Caliber und die GPRA, welche den Report unterstützt haben.

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