Communications Trend Radar 2023: 5 Trends, welche die Kommunikation beschäftigen (sollten)

Communications Trend Radar 2023

Die Welt verändert sich dramatisch, das haben uns die vergangenen Monate gezeigt. Kommunikationsprofis, die am Ball bleiben wollen, müssen sich mit den vielfältigen Entwicklungen auseinandersetzen. Welche Trends uns dieses Jahr beschäftigen, beantwortet der Communications Trend Radar 2023. Ein Forscherteam der Universitäten Leipzig und Potsdam hat bereits zum dritten Mal fünf Trends aus Gesellschaft, Wirtschaft und Technik identifiziert. Für 2023 sind dies: State Revival, Scarcity Management, Unimagination, Augmented Workflows, Parallel Worlds. Im englischsprachigen Recherchebericht geben fünf Experten für jeden Trend Handlungsempfehlungen. Den ganzen Bericht finden Sie am Ende des Beitrags zum kostenlosen Download.

Die fünf Trends des Communications Trend Radar 2023 wirken sich aus in den drei Themenbereichen Gesellschaft, Management und Technologie:

State Revival: Das Comeback des Staates

Ein Gesellschafts-Trend, der die erstarkte Rolle des Staates ins Visier nimmt.

Lange Zeit hat der Staat fast gar nicht in die Wirtschaft eingegriffen, jetzt erlebt er, so der Bericht, eine Renaissance. Mehrere Anlässe gaben den Ausschlag, dass das Pendel wieder in die andere Richtung, hin zu mehr staatlicher Kontrolle, ausgeschlagen hat. Haupttreiber waren einerseits die Pandemie und anderseits der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Im Zuge dieser Entwicklungen haben sich Regierungen, Aufsichtsbehörden, Parteien und Politikerinnen vermehrt ins wirtschaftliche Geschehen eingemischt. Dies einerseits als Partner der einzelnen Unternehmen, aber auch regulierend. Mit erheblichen staatlichen Ausgaben wurden Subventionen und die Beschleunigung des Wachstums bestimmter Märkte finanziert.

Die öffentliche Politik wird für viele Unternehmen über das traditionelle Streben nach Legitimierung und Akzeptanz (Licence to Operate) hinaus an Bedeutung gewinnen.

Empfehlungen zur Umsetzung

Was bedeutet das für Kommunikationsabteilungen und CCOs? Dr. Christof Ehrhart, Executive Vice President Corporate Communications & Governmental Affairs bei Bosch und Honorarprofessor an der Universität Leipzig, gibt diese Handlungsempfehlungen:

  • Stärkung der Rolle als politische Beraterinnen für das Topmanagement: Damit Sie als Beraterin für die politische Arbeit wahrgenommen und anerkannt werden, müssen Sie nicht nur den politischen Diskurs beobachten, sondern insbesondere Ressourcen für das Lobbying stärken.
  • (Neu-)Positionierung von Unternehmen in öffentlichen Debatten: Die Diskussion um die Systemrelevanz hat gezeigt, dass es wichtig ist aufzuzeigen, welchen Beitrag ein Unternehmen für das Gemeinwohl oder das Gesamtsystem leistet. Diese Überlegung gehört in die zukunftsfähige Gestaltung von Stakeholder-Maps, Kommunikationsstrategien und Budgetzuweisungen.
  • Aufbau einer Beziehung mit dem Staat auf globaler Ebene: Die Beziehung zu staatlichen Akteuren wird für international tätige Unternehmen künftig besonders wichtig. Starke Governmental oder Public Affairs können gerade in Schwellenländern zu einem Wettbewerbsvorteil werden. Sie sind aber auch eine Gratwanderung, denn diese Art der Beziehungspflege kennt grosse kulturelle Unterschiede.

Lesen Sie dazu im Bericht auf Seite 13 die Fragen zur Reflexion, verbunden mit einer Leseempfehlung zur Vertiefung.

Scarcity Management: Wirtschaften in Zeiten des Mangels

Dieser Trend für das Management beschäftigt sich mit dem Umgang mit Engpässen durch und bei der Kommunikation.

Beim Management von Mangellagen geht es darum, mit Verknappungen und Engpässen so umzugehen, dass Unternehmens- oder operative Ziele dennoch erreicht werden können. Aktuelle Ereignisse wie der Mangel an Arbeitskräften oder die Energieknappheit und deren Auswirkungen wie die Rezession haben die globalen Lieferketten gestört. Sie haben die Verfügbarkeit von Produkten und Dienstleistungen eingeschränkt und die Kosten erhöht.

Der Übergang der – meist als sicher erachteten – Verfügbarkeit hin zu Knappheit und Engpässen in vielen Bereichen fordert bestehende Geschäftsmodelle und die Positionierung von Marken ebenso wie die Fähigkeit von Unternehmen, mit kurzer Reaktionszeit zu kommunizieren.

Empfehlungen zur Umsetzung

Was gilt es für Kommunikationsabteilungen und CCOs zu tun? Nils Haupt, Senior Director Corporate Communications bei Hapag-Lloyd empfiehlt:

  • Kommunikation der Herausforderungen und Folgen von Mangellagen: Verknappung kann ein Angebot attraktiver machen, sie kann aber auch zu Frustration und Verärgerung führen. Kommunikationsstrategien müssen das Spannungsverhältnis zwischen wirtschaftlichen Überlegungen und gesellschaftlicher Verantwortung auffangen. Dabei muss es gelingen, die Balance zwischen proaktivem und reaktivem Verhalten zu finden, wie die folgende Grafik zeigt:
Communications Trend Radar 2023 Kommunikation in einer Mangellage richtig steuern zwischen reaktiv und proaktiv.
  • Umgang mit Engpässen in Kommunikationsabteilungen: Kommunikationsverantwortliche sollten resilientere interne Arbeitsabläufe aufbauen, mit denen sie materielle und personelle Engpässe auffangen. Beispiele sind fehlende oder verteuerte Rohstoffe für Printerzeugnisse oder Energiesparmassnahmen. Sie müssen den Wert aufzeigen, welche die Unternehmenskommunikation erbringt, um negative geschäftliche Auswirkungen von Engpässen abzufedern, um Budgets zu halten oder zu erhöhen.

Lesen Sie dazu im Bericht auf Seite 18 die Fragen zur Reflexion, verbunden mit zwei Leseempfehlungen zur Vertiefung.

Unimagination: Wenn das Unvorstellbare Wirklichkeit wird

Ebenfalls ein Trend für das Management ist der Umgang mit nicht vorhersehbaren Entwicklungen.

Der Trend “Unimagination” beschreibt die Fähigkeit, bisher unvorstellbare Situationen zu akzeptieren und darauf zu reagieren. Im Weiteren geht es darum, Strukturen und Prozesse anzupassen, um auf zukünftige Szenarien vorbereitet zu sein. Viele Szenarien scheinen so unwahrscheinlich, dass sie für unmöglich gehalten werden. Wenn bisher unvorstellbare Situationen oder Entwicklungen eintreten, kann dies interne und externe Stakeholder lähmen und ihre Wahrnehmungen und Einstellungen beeinflussen – manchmal in positiver, meist aber in negativer Weise.

Die jüngsten Ereignisse haben nur allzu deutlich gemacht, dass es immer häufiger zu Vorfällen kommt, die für einen Grossteil der Menschheit unvorstellbar waren. Für Unternehmen und Kommunikationsabteilungen ist es darum umso wichtiger, in solchen Situationen konsequent handlungsfähig zu sein. Gerade in Krisenmomenten müssen sie in der Lage sein, sich ein klares Bild von schwierigen Situationen und deren Verlauf zu machen.

Wir haben gelernt, dass es nicht mehr reicht, mit Managementwissen und Vorhersagen auf jedes Ereignis gut vorbereitet zu sein, um nicht überraschend getroffen zu werden. Vielmehr geht es darum, verschiedene Ebenen und Arten von Ereignissen zu erkennen und zwischen wirklich unvorstellbaren und weniger unvorstellbaren Ereignissen zu unterscheiden.

Empfehlungen zur Umsetzung

Dazu gibt Ihnen Bernd Hops, Executive Vice President Communications & Public Policy bei Infineon, folgende Handlungsempfehlungen:

  • Information der Betroffenen und der Umgang mit Orientierungslosigkeit: Damit die internen und externen Beteiligten handlungsfähig bleiben, müssen alle Informationen schnell gesammelt und klar kommuniziert werden. Damit wird der Einfluss anderer Quellen verringert und Gerüchten entgegengewirkt.
  • Resilienztrainings für Führungskräfte und Mitarbeiter aus allen Unternehmensbereichen: Kommunikatorinnen können ihr Wissen und ihre Erfahrung in unvorhergesehenen und Krisenlagen nutzen und mit anderen Mitgliedern der Organisation teilen. Das setzt allerdings voraus, dass sie in ihrem Bereich selbst erprobt sind in Improvisation und Resilienz.

Lesen Sie dazu im Bericht auf Seite 23 die Fragen zur Reflexion, verbunden mit einer Leseempfehlung zur Vertiefung.

Augmented Workflows: Wie KI die Kommunikation unterstützt

Dieser Trend betrifft ein technologisches Thema zur Zukunft der Arbeit, in der Menschen und künstliche Intelligenz zusammenarbeiten.

Der Trend “Augmented Workflows” konzentriert sich auf eine Zukunft der Arbeit, welche durch die Zusammenarbeit von Menschen und KI-basierten Technologien geprägt ist. Dies verändert die Art und Weise, wie künftig Arbeit verrichtet wird, damit müssen sich Organisation beschäftigen.

In diesem Zusammenhang gilt es mehrere Herausforderungen zu lösen und Fragen zu klären, zum Beispiel: Wie verändern die immer besseren Leistungen von KI-basierten Anwendungen die Interaktion zwischen Mensch und Technologie? Sollte die KI oder der Mensch Aufgaben an den anderen jeweils übertragen, um eine optimale Leistung zu erzielen? Wie werden sich die Arbeitszufriedenheit und die Fähigkeiten der Arbeitnehmer verändern, wenn KI mehr und mehr Aufgaben übernimmt?

Diese Veränderungen werden selbstverständlich auch vor Kommunikationsabteilungen nicht Halt machen.

Empfehlungen zur Umsetzung

Der Bericht rät, sich mit dem Thema zu beschäftigen, um das Potenzial für die eigene Arbeit zu erkennen.

  • Beurteilung der Auswirkungen auf die Kommunikationsinhalte: KI-basierte Technologien können die Identifizierung von Stakeholder-Interessen, die Auswahl und Erstellung von Inhalten, die Bearbeitung von Anfragen und noch vieles mehr unterstützen. Kommunikationsverantwortliche sollten daher abschätzen, wie sich KI auf ihre internen Arbeitsabläufe auswirkt.
  • Identifizierung der vielversprechendsten Anwendungsfälle: Dazu gehört neben der Evaluation der Anwendungen insbesondere die Ermittlung und Entwicklung der erforderlichen Fähigkeiten und Kompetenzen im Kommunikationsteam.
  • Verschiebung von Aufgaben an KI-basierte Technologien: Die steigende Bedeutung von Arbeitsabläufen, die auf KI-basierten Technologien beruhen, werden neue Herausforderungen mit sich bringen. Dies speziell mit Blick auf die Verantwortung für Inhalte. Darum ist es ist wichtig, KI-basierte Technologien zu implementieren, die erklärbar sind. Das bedeutet, dass den Nutzern eine nachvollziehbare Begründung für das Verhalten der KI gegeben wird.

Lesen Sie dazu im Bericht auf Seite 28 die Fragen zur Reflexion, verbunden mit einer Leseempfehlung zur Vertiefung.

Parallel Worlds: Eintauchen in alternative Welten

Der fünfte Trend betrifft ebenfalls die Technologie und beschäftigt sich mit Parallelwelten und dem Umgang mit einer Vielfalt von “Wirklichkeiten”.

Parallelwelten sind erweiterte, veränderte oder alternative Versionen der Realität, die mithilfe digitaler Technologie geschaffen werden. Die Qualität und die Möglichkeiten der Technologie für immersive 3D-Erlebnisse in Parallelwelten werden immer besser. Immer mehr Unternehmen entwickeln virtuelle Plattformen und Dienste auf der Suche nach dem “Metaverse”.

Das Metaversum ist derzeit noch eine Vision, die von mehreren Softwareunternehmen und Plattformanbietern verfolgt wird. Noch ist nicht klar, ob und wann es kommen und wie es aussehen wird. Es gibt jedoch bereits mit AR und VR seit Längerem Technologien, welche Parallelwelten schaffen, indem sie die Realität verändern, erweitern oder ersetzen. (Ich habe zu 360°, Augmented Reality und Virtual Reality vor längerer Zeit geschrieben.)

Diese Technologien bieten für Unternehmen Chancen, bringen aber auch Herausforderungen für die Unternehmenskommunikation mit sich. Einerseits ermöglichen sie unter anderem neue Inhaltsformate und virtuelle Veranstaltungen. Anderseits verlangen sie auch einen grösseren Fokus mit der Beobachtung der Stakeholder-Kommunikation auf neuen virtuellen Plattformen oder veränderte Erwartungen an die Kommunikation wie die Verfügbarkeit von 3D-Inhalten.

Empfehlungen zur Umsetzung

Matthew Ball, Autor des Buches “The Metaverse”, arbeitet mit seinen Empfehlungen am Erwartungsmanagement:

  • Realistische Erwartungen an das Metaverse: Die Vision ist faszinierend, und wenn sie verwirklicht würde, würde das Metaversum Teile unseres Lebens und der Wirtschaft revolutionieren, allerdings sind noch viele Hürden zu überwinden. Ein “Corporate Metaverse” mit verteilten virtuellen Welten und unterschiedlichen technologischen Standards (wie es derzeit u. a. von Meta verfolgt wird) wird keine ähnlich disruptive Kraft entfalten können wie die Internet-Revolution, ist Matthew Ball überzeugt.
  • Erfahrungen und Kompetenzen in Parallelwelten aufbauen: Das Metaversum wird zwar nicht in naher Zukunft entstehen, aber AR, VR, Hologramme und virtuelle Plattformen wie Roblox oder Microsoft Mesh werden die Unternehmenskommunikation nicht unberührt lassen. Die frühzeitige Erkundung dieser Potenziale kann der Kommunikation einen wertvollen Vorsprung verschaffen. Ausprobieren und der Aufbau von Erfahrungswissen sind in dieser Beziehung das A und O.
  • Aufbau einer Dateninfrastruktur und Erforschung von digitalen Zwillingsanwendungen: Die Grundlage für die Nachahmung und Simulation von Kommunikationsprozessen mit digitalen Zwillingen sind qualitativ hochwertige Daten, die physische Gegenstände oder Interaktionen genau beschreiben. Kommunikatoren können die entsprechende Dateninfrastruktur aufbauen, um mögliche Anwendungsfälle für digitale Zwillinge zu erforschen.

Lesen Sie dazu im Bericht auf Seite 33 die Fragen zur Reflexion, verbunden mit einer Leseempfehlung zur Vertiefung.

Zum Communications Trend Radar 2023

Der Communication Trend Radar wird herausgegeben von der Akademischen Gesellschaft für Unternehmensführung und Kommunikation. Er ist im Februar 2023 erschienen.

Das Forschungsteam setzt sich wie folgt zusammen (um die Titel nicht zu verfälschen, habe ich sie in englischer Sprache aus dem Bericht entnommen):

  • Stefan Stieglitz is Professor at University of Potsdam. He is head of the SAP-endowed chair of Business Information Systems and Digital Transformation.
     
  • Daniel Ziegele, M.A. is a research associate at the Institute for Communication and Media Studies at Leipzig University, Germany. 
     
  • Sünje Clausen, M.Sc. is a research associate at the chair of Digital Communication and Transformation at the University of Duisburg-Essen, Germany.
     
  • Ansgar Zerfass is Professor and Chair of Strategic Communication at the Institute for Communication and Media Studies at Leipzig University, Germany.

Der Auswahlprozess für die Wahl und Vertiefung der Trends war wie folgt aufgebaut:

Communications Trend Radar 2023 Auswahlprozess
Auswahlprozess für Trends zum Communications Trend Radar 2023

Der Communications Trends Radar 2023 mit den Trends für die Unternehmenskommunikation kann hier bezogen werden. Link zum englischsprachigen Bericht (PDF).

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2 Kommentare zu “Communications Trend Radar 2023: 5 Trends, welche die Kommunikation beschäftigen (sollten)

  1. Der dritte Trend “Unimagination: Wenn das Unvorstellbare Wirklichkeit wird” sollte eigentlich schon nach dem Erscheinen des Buches “Der Schwarze Schwan: Die Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse” des Publizisten und ehemaligen Optionshändlers Nassim Nicholas Taleb im Jahr 2007 in der Wirtschaft und der Gesellschaft verstanden worden sein. Allerdings habe ich das Gefühl, dass man sich immer noch an die alte Vorstellung klammert, man könne die Zukunft mit genügenden richtigen Informationen, der richtigen Planung, den geeigneten Instrumenten und Methoden vorhersehen und beherrschen. Allein schon der Begriff “beherrschen” führt zu falschen Vorstellungen. Anzeichen dafür findet man auch in der jüngeren CS-Geschichte. Vielen Dank Christine für den Zugang zu dieser Studie und die kurze Zusammenfassung.

    1. Da bin ich ganz bei dir, Emil. Ich denke, dass es eine Kombination braucht: Informationen und Daten sichern, bei der Beurteilung aber Raum lassen für verschiedene Perspektiven. Oft ist es ja so, dass Entscheidungen in einer Bubble gefällt werden, die womöglich dem gleichen Bias unterliegen, der aus der Geschlossenheit der Bubble nicht hinterfragt wird. Das hat leider häufig auch mit Hierarchie zu tun. Da sehe ich eine Chance in der rollenbasierten Organisation.

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