Kürzlich hat mich der Darmstädter Student Tom Neubert für seine Masterarbeit zu einem meiner Lieblingsthemen befragt: Er untersucht, welche Rolle das Content Curation in deutschen Unternehmen spielt. Selber verfolge ich das Thema seit Jahren aktiv indem ich Fundstücke aus meiner täglichen Lektüre online teile und mit Social Bookmarking bei Diigo dauerhaft öffentlich auffindbar mache. Seit April 2015 bin ich Content-Kuratorin für die App TheScope (früher Niuws): In meiner Box zu Online-PR bündle ich Beiträge für Menschen, die keine Zeit oder Lust haben sich im Netz täglich aktuelle Inhalte zu diesem Thema selber zusammenzusuchen. Mit
Niuws The Scope haben Peter Hogenkamp und sein Team ein innovatives Angebot geschaffen dank dem Leser, in einer von Algorithmen dominierten Welt, von Experten handverlesene Nachrichten gratis abonnieren können.
Doch nun zum Interview von Tom Neubert, das eine ganze Menge darüber verrät, was Content Curation genau ist und wie Unternehmen damit arbeiten können.
Haben Sie eine eigene Definition zu Content Curation oder gibt es gewisse Kriterien, die ein Inhalt erfüllen muss, um als „kuratiert“ zu gelten?
Unter Content Curation verstehe ich das Entdecken, Sammeln, Beurteilen, Organisieren und Teilen von Inhalten zu einem bestimmten Thema. Beiträge werden mit einem eigenen Kommentar oder einer Interpretation angereichert und weiter geteilt, was voraussetzt, dass diese online auffindbar und teilbar sind. Zu meinem Thema Online-PR achte ich darauf, dass der gewählte Beitrag aktuell, präzise und damit nutzwertig und für die Praxis relevant ist. Welche Kriterien für die Wahl zur Anwendung kommen hängt von den Zielen beziehungsweise der gewünschten Community ab.
Content Curation wird immer wieder als einfache und kostengünstige (ja sogar kostenlose!) Möglichkeit dargestellt, um an Inhalte für das eigene Content Marketing zu kommen – stimmt das?
Ja und nein. Für die professionelle Nutzung ist der Aufbau eines passenden Quellensets aufwändig und ein Prozess, der nie abgeschlossen ist. Die regelmässige und idealerweise tägliche Lektüre, oder zumindest das Scannen der gesammelten Quellen, ist Pflicht. Ist der Aufbau gemacht und die Lektüre Teil der Tages-Routine, dann wird Content Curation zur kostengünstigen Möglichkeit um Inhalte für das eigene Content Marketing zu nutzen. Richtig wertvoll wird das Ganze, wenn Content Curation ein Folgeprodukt ist aus Aktivitäten die ohnehin gemacht werden: Umfeldbeobachtung, eigene Weiterbildung, Recherche für Schulungen, Referate, Blog usw.
Wo sehen Sie die grössten Chancen für Content Curation in der Unternehmenskommunikation?
Ein Unternehmen bietet seinen Anspruchsgruppen einen wesentlichern Service indem es die aus seiner Perspektive wertvollsten Beiträge aus der Informationsflut fischt und Orientierung schafft. Content Curation ist ein Vertrauensgeschäft. Erkennen die Leser, dass sie regelmässig relevanten und nützlichen Content geboten erhalten, kommen sie wieder und bauen eine Bindung auf. Mit der breiten Abstützung, weg von nur eigenen Inhalten hin zu relevantem Content aus der Branche, positioniert sich ein Unternehmen als Content Hub, was positiv auf die Reputation einzahlt.
Gibt es Vorbehalte gegenüber der Einbindung von Inhalten Dritter?
Natürlich müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen, allen voran das Urheberrecht und der Persönlichkeitsschutz, berücksichtigt werden. Zudem ist darauf zu achten, dass die Quelle sauber deklariert und nachvollziehbar ist. Das Unternehmen muss hinter den Inhalten, die es einbindet, stehen können. Falls dies nicht der Fall ist, muss das auch klar im Begleittext deklariert und begründet werden. Nicht geteilt werden sollten Inhalte die gegen das Recht, die Moral und die guten Sitten verstossen, das fällt auf das Unternehmen zurück.
Welchen Eindruck haben Sie: Schöpfen Unternehmen im deutschsprachigen Raum bereits aus dem Vollen, wenn es um Content Curation geht oder ist hier eher noch viel Luft nach oben?
Das hängt etwas davon ab, wie man das definiert. Ich denke, dass in vielen Newsletters bereits Content Curation gemacht wird indem Beiträge weiter empfohlen werden. Auch Social Publish, wie es Mercedes Benz seit Sommer 2012 und die Deutsche Post DHL mit dem Logistics Newsroom machen, geht in diese Richtung. Während im ersten Beispiel Beiträge eher kommentiert werden, werden sie im zweiten eher organisiert. Es werden aber nicht alle Leistungen von Content Curation nach meinem Verständnis abgedeckt.
Unternehmen sind heute noch zu sehr damit beschäftigt, die eigenen Inhalte in einer Vielzahl von Online-Kanälen zu organisieren. Der Mut oder auch die Idee fremde Inhalte zu teilen fehlen noch in weiten Teilen. So gesehen ist da durchaus noch sehr viel Luft nach oben.
Gibt es wesentliche Unterschiede in der Content Curation zwischen den „Business to Consumer“ und „Business to Business“ Sparten?
Die Zielsetzungen können je nach Thema oder Angebot variieren. Bei B2C kann es eher darum gehen, für die Konsumten die Erlebniswelt rund um ein Produkt zu kuratieren. Bei B2B geht es möglicherweise eher um fachliche Informationen und
Anleitungen. B2B-Kommunikatoren sind oft etwas ratlos, worüber sie online sprechen können, besonders dann, wenn die meisten Inhalte des Unternehmens vertraulich und von Kunden mit einem NDA belegt sind. Dann kann es Teil der Strategie sein, über empfohlenen Drittcontent trotzdem im Gespräch zu bleiben.
Wovon hängt es ab, wie und was eine Marke oder ein Unternehmen kuratieren sollte?
Wie gesagt von den eigenen Zielen: Soll Wissen vermittelt werden? Soll gezeigt werden, dass das Unternehmen breit abgestützt ist? Oder geht es darum, die Zielgruppe zu unterhalten? Content Curation lässt eine grosse Bandbreite zu. Ein einmal gewähltes Ziel sollte dann aber konsequent verfolgt und konsistente Inhalte ausgewählt werden.
Information overload und Content Shock: Wird die Bedeutung von Content Curation angesichts zunehmender Datenmengen und Verfügbarkeit weiter zunehmen?
Ich denke schon und auch hier wird ein neuer Wettbewerb unter Content Kuratoren entstehen, diese Aufgabe können Unternehmen, Ausbildungsstätten und Medienhäuser übernehmen. Ich beobachte eine Zunahme von solchen Angeboten die teils von Menschen, teils von Algorithmen bespielt werden. Ich kuratiere seit April für @Niuws: hier teilen Experten die besten Resultate ihrer täglichen Lektüre. Diese Vorselektion spart den Lesern Zeit und gibt ihnen das Gefühl, nichts verpassst zu haben.
Zum Ausstieg – kurz und knapp: Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Gründe Content Curation zu nutzen beziehungsweise nicht zu nutzen?

Content Curation ist eine Haltung. Sie setzt Neugierde voraus. Den Willen dran zu bleiben (wie viele einst euphorisch gestartete Blogs dümpeln heute inhaltslos vor sich hin?). Die Bereitschaft die eigenen Schätze zu teilen. Den Mut über die gewählten Inhalte eine Position zu beziehen. Das Interesse, mit anderen Interessierten in den Austausch zu treten. Ist das nicht vorhanden rate ich, von Content Curation die Finger zu lassen.
Natürlich bin ich gespannt, zu welchem Befund Tom Neubert kommt und wünsche ihm für seine Masterarbeit alles Gute!
Ein Kommentar zu “Content Curation als Teil der Content-Strategie in der Online-Kommunikation”