Vor einem Jahr hat fiel bei OTTO der Startschuss zum Jobbotschafter-Programm. Aufgrund der Berichterstattung nahm die Branche diese Initiative zunächst als die systematische Ausbildung von Mitarbeitenden zu Influencern wahr, was natürlich zu einem Aufschrei und heftigen Debatten führte. Ein Jahr später ist es wieder ruhig geworden und ich wollte von Eugenia Mönning wissen, was sich in den letzten zwölf Monaten getan hat. Sie verantwortet im Team Corporate Communications die HR-Themen des Onlinehändlers OTTO. Die Jobbotschafter-Profile finden Sie bisher so noch nicht im Netz, ich durfte sie als Auszug aus dem Beitrag im Fachbuch Influencer Relations übernehmen. Sie finden sie am Ende dieses Beitrags.
OTTO ist vor einem Jahr mit dem Jobbotschafter-Programm gestartet. Schlagzeilen wie „Otto bildet Influencer aus“ gingen damals wie ein Aufschrei durch die Branche. Wie ist das Programm angelaufen?
Wir sind sehr zufrieden mit dem Start unseres Jobbotschafter-Programms. Nach der ersten internen Kommunikation haben sich direkt 100 begeisterte Kollegen für das freiwillige Programm bei uns gemeldet, um via Social Media, in Bewerbungsgesprächen oder auf Konferenzen als Corporate Influencer tätig zu sein und damit OTTO als Arbeitgebermarke zu repräsentieren. Bis heute sind es rund 200 Mitarbeiter, die als Corporate Influencer unterwegs sind – und es werden regelmässig mehr.
Das Kapitel zum OTTO-Case im Buch Influencer Relations beginnt mit dem Satz „Verliebe dich nicht in eine Lösung, sondern verliebe dich in das Problem.“ Was war das Problem?
Das Problem ist der aktuelle Tech-Fachkräftemangel am Arbeitsmarkt. Mit flexiblen Arbeitszeiten und hippen Dachterrassen werben momentan viele Unternehmen – damit kann man Talente heutzutage nicht mehr überzeugen. Allein im Geschäftsjahr 18/19 sucht OTTO, als einer der grössten und erfolgreichsten Onlinehändler in Deutschland, 500 Tech-Experten. Dazu zählen etwa Programmierer, Data Scientists oder KI-Spezialisten.
OTTO setzt beim Employer Branding und Recruiting schon eine ganze Weile auf die Mitarbeitenden. Seit wann ist das der Fall und wie hat das seinen Anfang genommen?
Zum ersten Mal haben wir echte Mitarbeiter als Models im Rahmen unserer Arbeitgeberkampagne ROT4 im Juli 2015 (PDF Medienmitteilung) eingesetzt – ebenfalls um Fachkräfte für OTTO zu begeistern. Wir wollten mit der aufmerksamkeitserregenden und in schwarz-rot gehaltenen Print- und Onlinekampagne zeigen, wer OTTO wirklich ist – unsere Teams und Kollegen, die gemeinsam die Zukunft des E-Commerce gestalten.
„Jeder kann, keiner muss.“ Ist das Credo: Wie war bisher der Zuspruch und welche Motivation haben Mitarbeitende, einen zusätzlichen Job anzunehmen?
Der Zuspruch war enorm: Inzwischen haben wir die Zahl unserer anfänglichen 100 Jobbotschafter – ohne Incentivierung – auf 200 Kollegen verdoppeln können, die jeweils mindestens eins von sechs Jobbotschafter-Profilen belegen (die Profile sind am Ende dieses Beitrags beschrieben, Anm.d.Red.). Es gibt viele Jobbotschafter, die beispielsweise das Profil des Multiplikators und des Socializers belegen, da sie gerne über Social Media zu OTTO-Themen kommunizieren, aber auch das persönliche Gespräch zu potenziellen Bewerbern suchen möchten. Sie sind stolz darauf bei OTTO zu arbeiten und überzeugt davon, was sie nach aussen tragen wollen. Der Schlüssel dabei liegt in der auf Vertrauen basierenden Unternehmenskultur bei OTTO, die von den Mitarbeitern gelebt wird. Hinzu kommen flexible Arbeitszeiten, die Möglichkeit, ein Sabbatical zu nehmen, ein eigenes Fitnessstudio auf dem Campus und andere Benefits, die OTTO als Arbeitgeber attraktiv machen.
Im OTTO-Jobbotschafterprogramm gibt es sechs Profile, für welches finden sich am leichtesten Mitarbeitende?
Die Nachfrage der einzelnen Jobbotschafter-Profile ist ungefähr ähnlich. Das liegt daran, dass wir unterschiedliche Interessengebiete in dem Programm anbieten und damit auch unsere – sehr breit aufgestellte – Organisation ganz unterschiedlich ansprechen und bedienen können.
Wenn Socializer am Online-Marketing Festival (OMR) auftreten, herrscht dort vermutlich ein ganz anderes, eher hippes Klima, das sich wohl kaum mit der Kultur später im Job deckt. Ist Ihnen dieser mögliche Gap bewusst und wie kehren Sie da vor?
Der Gap zwischen dem Auftreten unserer Socializer auf Konferenzen und Messen und der Jobkultur bei OTTO ist nicht besonders gross. Wir arbeiten in agilen und crossfunktionalen Teams zusammen und tun das in sehr modernen, neu-gestaltenden Räumlichkeiten. Dazu gehören Co-Workingspaces im Loftstil, Arbeitsflächen im Hamburger Dom-Look und Kaffeeküchen, die aussehen wie eine Almhütte in den Bergen oder ein Gartenhäuschen im Grünen. Aktuell bauen wir noch weitere grosse Teile unseres Hamburger Campus um und stehen anderen grossen Unternehmen in nichts nach.
OTTO beschäftigt 4’700 Mitarbeitende an verschiedenen Standorten: Wie erreichen Sie sie mit Ihrem Programm?
Der Grossteil der Mitarbeiter der OTTO-Einzelgesellschaft sitzen am Hamburger Campus in Bramfeld. Dort erreichen wir unsere Kollegen mit den typisch internen Kommunikationskanälen, wie dem Intranet oder Plakatwänden in den verschiedenen Gebäuden.u
Das Programm läuft jetzt ein Jahr: Wie sieht die Zwischenbilanz aus? Was sind Learnings? Was wird künftig angepasst?
Das Programm wird super von unseren Kollegen angenommen und es werden regelmässig mehr. Die meisten von ihnen sind in den Bereichen E-Commerce und IT tätig, da wir dort auch den meisten Bedarf an Fachkräften haben und die Kollegen motiviert sind, an der Gestaltung ihres Teams durch neue Talente beteiligt zu sein.
Die Trainings des Jobbotschafter-Programms basieren auf keinem festgelegten Rahmenprogramm. Dadurch bieten wir den Corporate Influencern – je nach Bedarf und Jobbotschafter-Profil – immer wieder neue Trainings an. Beispielsweise haben wir aus der Unternehmenskommunikation den Multiplikatoren zuletzt einen freiwilligen Workshop zum Thema PR angeboten, um ihnen Tipps zum Thema Storytelling zu geben und zu zeigen, welche Informationen genutzt oder geschützt werden sollten.
Aktuell liegt der Fokus auf dem Employer Branding. Gibt es schon Anstrengungen oder Pläne, Mitarbeitende für andere externe Ziele als Corporate Influencer oder Themenführerinnen im Social Web aufzubauen?
Aus Kommunikationssicht schliessen wir das natürlich nicht aus, da das Thema Corporate Influencer aktuell sehr spannend für uns ist. Allerdings gibt es aktuell keine konkreten Pläne dazu.
Das OTTO-Programm hat zum Start eine grosse Aufmerksamkeit erhalten und findet sicher zahlreiche Nachahmer. Was sollten diese beachten?
Unser Jobbotschafter-Programm basiert auf einer auf Vertrauen basierenden Unternehmenskultur. Unsere Kollegen berichten positiv von ihrem Joballtag, was nur authentisch sein kann, wenn sie wirklich von ihrem Arbeitgeber überzeugt sind. Ausserdem überprüfen wir keine Inhalte, die unsere Jobbotschafter kommunizieren und haben Vertrauen in sie. Das klappt nicht in einem Unternehmen, in dem die Mitarbeiter unzufrieden sind.
Jobbotschafter: Das sind die sechs Profile
Die Profile, welche OTTO im Jobbotschafter-Programm definiert hat, gibt es so im Netz noch nicht. Ich freue mich, dass ich die sechs unterschiedlichen Profile hier mit freundlicher Genehmigung von OTTO teilen darf, wie sie im Buch Influencer Relations vorgestellt wurden.
Hinter jedem Profil stecken unterschiedliche Aufgaben- und Tätigkeitsbereiche. Diesen Profilen entsprechend gibt es für jeden Bereich verschiedene Seminare und Inhalte, die den Corporate Influencer seitens HR-Marketing und Unternehmenskommunikation angeboten werden. Zwischen den folgenden Profilen können die OTTO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wählen:
Multiplikator
Multiplikatoren unterstützen aktiv bei der Markenbildung von OTTO als Arbeitgeber, indem sie zu ihrer Community passende Beiträge von OTTO Jobs in Social-Media-Kanälen ihrer Wahl teilen und kommentieren oder selbst Inhalte entwickeln. Multiplikatoren können zusätzlich den OTTO-Jobs-Instagram- oder Snapchat-Kanal übernehmen oder Interessierte über Live-Videos auf Twitter oder Facebook an Veranstaltungen teilhaben lassen.
Das Ziel: dabei zu unterstützen, neue Talente auf OTTO aufmerksam zu machen, die Reichweite für OTTO als Arbeitgeber zu erhöhen und die Arbeitswelt online authentisch darzustellen.
Socializer
Socializer vertreten OTTO als Arbeitgeber auf externen Recruiting-Veranstaltungen, internen Events und Fachkonferenzen und führen Gespräche mit Talenten. Sie zeichnet aus, dass sie gerne in Kontakt mit Menschen gehen, andere begeistern und so das Interesse für OTTO wecken.
Das Ziel: im direkten Touchpoint zur Bewerberin – vor allem im persönlichen Kontakt – einen echten Einblick in die Arbeitswelt von OTTO und die Aufgabengebiete zu vermitteln.
Fachexperte
Fachexperten halten auf externen Recruiting-Veranstaltungen, Fachkonferenzen oder Inhouse-Days Vorträge zu aktuellen und trendorientierten Themen ihrer Fachgebiete. Gegenüber dem Socializer steht in diesem Modul vor allem der fachliche Beitrag im Fokus.
Das Ziel: die Wahrnehmung von OTTO als E-Commerce-Arbeitgeber mit Technologiekompetenz zu stärken.
Kontakter
Kontakter stehen als Ansprechpartner für Bewerberfragen zur Verfügung und begleiten die zukünftigen Kolleginnen und Kollegen bis zu ihrem ersten Arbeitstag bei OTTO, beantworten telefonisch oder per Mail Fragen zum Job-Profil, zum Team und zum Arbeiten in der Abteilung. Sie begleiten Kandidatinnen und Kandidaten bei Formaten rund um das Kennenlernen des Teams und der Räumlichkeiten und halten Kontakt zu den Bewerbern, wenn sie ihren Vertrag bei OTTO bereits unterschrieben haben, und stehen bis zum Jobbeginn als Ansprechpartner für Fragen zu Verfügung.
Das Ziel: Kandidatinnen und Kandidaten im Bewerbungsprozess möglichst persönlich zu begleiten, ihnen Unsicherheiten zu nehmen und vorausschauenden „Service“ zu bieten.
Co-Recruiter
Co-Recruiter führen nach Absprache mit der Führungskraft und dem Recruitment eigenständig Interviews, um als Expertin oder Experte die fachliche Eignung von Kandidatinnen und Kandidaten zu beurteilen und beantworten während des Interviews fachliche Fragen zur Position und zur Zusammenarbeit im Team.
Das Ziel: die richtigen fachlichen Fragen zu stellen, um die fachliche Eignung von Bewerberinnen und Bewerbern zu beurteilen. Gleichzeitig sollen sie durch Informationen aus erster Hand zu den Aufgaben und dem Team ein realistisches Bild des zukünftigen Arbeitsplatzes zeigen.
Impulsgeber
Impulsgeber bringen neue Ideen zur Optimierung des Bewerbungsprozesses und des Arbeitgeberauftritts aus ihrer persönlichen Sicht ein und werden bei kreativen Brainstormings und zielgruppenorientierten Workshops einbezogen.
Das Ziel: den Personalbereich durch Verbesserungsvorschläge und Ideen dabei zu unterstützen, Bewerbungsprozesse und Formate zur Verbesserung der Candidate Experience kontinuierlich zielgruppen- und trendgerecht anzupassen.
Update vom 16. September 2019
Zwei Jahre nach dem Start hat meine Kollegin Dr. Kerstin Hoffmann nochmals mit Eugenia Mönning gesprochen und sie nach den Erfahrungen gefragt. Je nachdem, wie sich die Candidate Journey entwickelt, welche Bedürfnisse die Botschafter und Bewerber zeigen, wird das Programm weiterentwickelt und allenfalls gar neue Profile geschaffen, sagt Eugenia Mönning. Lesen Sie das ganze Interview bei PR-Doktor.
Das Jobbotschafter-Programm von OTTO ist ein geniales Konzept.Die Idee der aktiven 6 Profile passt in meine eigene Vision modernen Unternehmenskultur. Mir geht es in meiner Arbeit darum, zufriedene, besser noch glückliche Mitarbeiter zu gewinnen. Laut Gallup Studie sind über 70 % der Menschen unglücklich im Job, bieten also Potenzial für Verbesserungen und Chance um ihr volles Leistungspotenzial über Motivation auszuschöpfen. Führungskräfte müssen sich vom Leistungskontrolleur zum echten Coach ihrer Mitarbeiter entwickeln.
Meine angewandte Methode ist das Reiss Motivation Profile® . Es stellt bei einer Veränderung der Führungskultur das Herzstück für einen neuen Zugang in der Personal- und Führungsarbeit dar. Ein Teil Ihrer Profile, speziell im Recruitment und begleitend, würden durch diese Methode wertvoll unterstützt werden. Weiter Information sehr gerne persönlich. Beste Grüße.