Das Themenhaus der Krebsliga Schweiz: Für den Newsroom eine wichtige Grundlage

Damit ein Newsroom funktioniert, muss er sich zuerst an Themen und dann an Kanälen orientieren. Für das strategische Themenmanagement ist ein Themenhaus ein hervorragendes Instrument. Der Aufbau dauert allerdings seine Zeit und geht nicht ohne die Einbindung verschiedener Stakeholder. Zudem braucht es den Mut zur Fokussierung und damit zum Nein-Sagen. Die Krebsliga Schweiz hat sich nach der Verabschiedung der neuen Verbandsstrategie im Frühsommer 2022 auf den Weg zum Newsroom mit Themenhaus gemacht. Ich durfte sie dabei begleiten. 

Stefanie de Borba (Leiterin Politik & Medien) und Joëlle Beeler (Leiterin Kommunikation) haben mir im Gespräch erklärt, wie sie bei der Entwicklung des Themenhauses für ihre Organisation vorgegangen sind. Wie der Newsroom der Krebsliga Schweiz organisiert ist, sehen Sie am Ende des Beitrags.

Was ist ein Themenhaus?

Bevor wir zum Interview mit Stefanie und Joëlle kommen, lassen Sie mich zunächst erklären, was ein Themenhaus ist.

Haben Sie schon einmal ein Themenhaus gesehen? In diesem Blog etwa jenes der Mobiliar, das Themenhaus der BLS oder das ‚House of Themes‘ von Implenia. Mittlerweile gibt es verschiedene gute Beispiele, an denen man sich orientieren kann. Das der Krebsliga Schweiz in diesem Beitrag gehört dazu.

Ein fertiges Themenhaus wirkt klar, übersichtlich und logisch. Verständlich, dass sich viele Kommunikationsabteilungen damit arbeiten wollen. Nur ist dieses strategische Instrument kein Selbstläufer. Der Weg von der breiten Analyse bis zur Verdichtung auf strategische Themen mit Fokusthemen, die die Unternehmensstrategie unterstützen, braucht Zeit und etwas Hirnschmalz. Es geht auch nicht ohne den Mut, sich zu fokussieren und auch mal Nein zu sagen. Gerade wenn der Druck aus dem Unternehmen, etwa von Abteilungen oder Stakeholdern, gross ist, Themen aus ihren Bereichen zu berücksichtigen, geht das nicht ohne Weiteres. Ein breit abgestütztes Vorgehen, wie es meine Gesprächspartnerinnen gewählt haben, ist der Königsweg.

Worum geht es bei einem Themenhaus? Lassen Sie mich zuerst den Begriff klären: Ein Themenhaus ist die strukturierte Darstellung aller für die strategische Kommunikation relevanten Themen und Botschaften. Es ordnet die Vielfalt der Kommunikationsinhalte und richtet sie auf die strategischen Ziele der Organisation aus. Als Teil des Themenmanagements unterstützt es den Redaktionsprozess. Auf diese Weise stellt es sicher, dass sowohl strategische als auch operative Themen konsistent und zielgruppengerecht aufbereitet und kommuniziert werden.

Fachgespräch zum Aufbau des Themenhauses

Wir haben das Gespräch zu dritt geführt und Stefanie de Borba und Joëlle Beeler haben sich, wie schon bei der gesamten Entwicklungsarbeit des Newsrooms und des Themenhauses, perfekt ergänzt. Zur besseren Lesbarkeit werden die Antworten nicht generell einzelnen Personen zugeordnet.

Joëlle Beeler (Leiterin Kommunikation) und Stefanie de Borba (Leiterin Politik & Medien) Krebsliga Schweiz
Als Du, Stefanie, mich am 3. Juni 2022 angerufen hast, hast du unter anderem gesagt, dass ihr Schwierigkeiten habt, Fokusthemen zu definieren. Wie sieht es heute aus?

Es geht uns viel besser, unsere Fokusthemen sind jetzt definiert. Aber diesen Weg konnten wir nicht allein gehen. Es war wichtig, dass die Geschäftsleitung hinter uns stand. Wichtig war auch, dass wir den Mut hatten, zu gewissen Themen Nein zu sagen.

Was war der Anstoss, diesen Weg zu gehen?

Es war unser Wunsch, integrierter zu arbeiten. Wir hatten zwar den sogenannten ContentHub, in dem wir uns regelmässig besprochen und auch sehr eng mit dem Marketing zusammengearbeitet haben. Was uns aber fehlte, waren der Überbau und die Struktur: Warum kommunizieren wir was und über welche Kanäle? Diese Frage konnten wir nicht für alle Themen durchgängig beantworten.

Für uns in der Kommunikation war der Newsroom eine spannende Lösung. Vieles von dem, was wir vorher bereits gemacht hatten, haben wir wieder aufgenommen, können heute aber strategischer und überlegter vorgehen.

Der Rückenwind aus der Organisation war ein wertvoller Antrieb. Zudem begann die Krebsliga 2022 mit der Umstellung auf eine rollenbasierte Organisation. Der Newsroom mit seinen klar definierten Rollen bot also eine gute Gelegenheit, mit gutem Beispiel voranzugehen. Mit der neuen Verbandsstrategie 2021-2026 waren zudem grundsätzliche Fragen geklärt und der Handlungsbedarf klar.

Kurz: Wir waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort. In der Organisation war die Bereitschaft da, in einen Veränderungsprozess einzusteigen.

Könnt ihr mir einen kurzen Einblick in eure Ausgangssituation geben?

Wie bereits erwähnt, hatten wir den wöchentlichen ContentHub, aber dieser Austausch war zu unspezifisch. Der Fokus hat gefehlt, darum haben wir Themen unterschiedlich gewichtet und auch oft reaktiv gehandelt. Obwohl der ContentHub für sich genommen sehr gut funktioniert hatte, fehlte ihm die Strategie.

Heute gehen wir wirklich integriert vor. Früher wussten wir zwar, was im Marketing lief und wir wurden über Kampagnen informiert. Aber wir sind nicht gemeinsam einen Weg gegangen, sondern eher nebeneinander gefahren.

Wie seid ihr beim Aufbau eures Themenmanagements vorgegangen? Was waren die ersten Schritte?

Zuerst haben wir alle Themen in ihrer ganzen Breite auf einem Miroboard gesammelt. Dann haben wir sie kategorisiert, priorisiert und bewertet. Dabei haben wir nicht nur die Marketing- und Kommunikationsleute eingebunden, sondern auch die wissenschaftliche, politische und fachliche Perspektive aus anderen Bereichen.

Der Weg zum Themenhaus: Sammlung und Analyse aller bisherigen Themen auf einem Miroboard

Die Überthemen kristallisierten sich schnell heraus: Prävention, Früherkennung, Leben mit und nach Krebs und Forschung. Daraus dann die Fokusthemen abzuleiten, war eine Herausforderung. Es gehörte Mut dazu zu sagen: „Wir konzentrieren uns auf Darmkrebs und nicht auf alle anderen Krebsarten, bei denen Früherkennung auch sinnvoll wäre“. Daraus haben wir auch die Zielgruppen abgeleitet.

Um ein Thema stark nach aussen zu kommunizieren, muss man sich fokussieren. Auch für uns galt: „Kill your darlings“. Diesen Weg zu finden war eine Entwicklung, ein schmerzhafter Prozess mit vielen Diskussionen. 

Wer hat letztlich entschieden, wie der Fokus gelegt wird?

Das war ein gemeinsamer Prozess mit allen Beteiligten. Im nächsten Schritt haben wir ein Themenhaus erarbeitet, das wir der Geschäftsleitung zur Genehmigung vorgelegt haben. Dieses wurde auch praktisch unverändert angenommen. Die vielen Diskussionen haben sich gelohnt, denn am Ende war das Vorgehen für alle schlüssig und nachvollziehbar.

Und das ist es bis heute: Das Themenhaus trägt. Wenn ein Thema vorgeschlagen wird, schauen wir, ob es in unser Themenhaus passt. Wenn nicht, hat es keine Priorität, das wird akzeptiert.

Ihr habt einen breit abgestützten Weg gewählt. Was hat euch dabei geholfen?

Wir konnten auf deine Begleitung zählen: Die Struktur und der Weg, den du uns gezeigt hast, haben uns sehr geholfen, uns selbst zu organisieren. Entwicklungen und Auseinandersetzungen brauchen Zeit, das geht nicht in einer Woche. Als Aussenstehende hast du eine objektive Rolle eingenommen, die richtigen Fragen gestellt und unsere Lösungsansätze analysiert: Das hat uns geholfen, unsere Entscheidungen zu treffen.

Was war am anspruchsvollsten? Wie gut ist es zum Beispiel gelungen, die Akteure an einen Tisch zu bringen?

Das war in der Tat nicht so leicht. Das Problem bestand aber eher in der Logistik, alle Beteiligten gleichzeitig für den Austausch zusammenzubringen. Genügend, aber nicht zu viele Leute einzubeziehen, war auch nicht einfach. Und auch ein gutes Gespür dafür zu haben, die richtigen Leute zur richtigen Zeit an den Tisch zu holen. Einige haben aktiv mitgearbeitet, bei allen anderen haben wir darauf geachtet, sie über die Entwicklungen zu informieren.

Natürlich gab es auch Begehrlichkeiten nach anderen Themen, die man über den Newsroom umsetzen könnte. Wir mussten also einerseits auf Kurs bleiben und gleichzeitig Erwartungsmanagement betreiben. Nicht alle umgesetzten Projekte können und sollen Teil des Newsrooms und letztlich des Themenhauses werden. Das zu vermitteln, hat einige Gespräche erfordert.

Fokussieren heisst priorisieren und den „Mut zur Lücke“ und zum „Nein-Sagen“ zu haben. Nach welchen Kriterien habt ihr priorisiert?

Die Grundlage ist die Raison d’être der Krebsliga Schweiz: „Die Zahl der Krebserkrankungen verringern und die Lebensqualität der Betroffenen und ihres Umfelds verbessern.“ In diesem Fundament müssen die Themen verankert sein. Wir haben die Relevanzfrage aus drei Perspektiven gestellt.
1. Was halten wir innerhalb der Krebsliga Schweiz für wichtig?
2. Welche Themen sind aus Sicht des Verbandes, aus Sicht der kantonalen Krebsligen, die täglich mit Betroffenen zu tun haben, relevant?
3. Welche externen Faktoren spielen eine Rolle, die wir nicht beeinflussen können, die aber unsere Arbeit stark beeinflussen, wie etwa länderübergreifende „Awareness-Monate“?

Letztlich ist aber die wichtigste Perspektive jene unserer Interessengruppen. Ein Kriterium ist sicherlich die Prävalenz einer Krebsart, also wie viele Menschen sind von einer Krebsart betroffen? Ein weiterer Faktor ist die Frage: „Haben wir konkrete Angebote oder Berührungspunkte auf fachlicher Ebene mit einer Beratung oder auf politischer Ebene“? Als Krebsliga Schweiz begleiten wir auch politische Geschäfte kommunikativ.

Bekommt ihr heute noch viele Anfragen, zu denen ihr nein sagen müsst?

Ja, aber es wäre auch schlecht, wenn solche Anfragen nicht kämen, denn die Themen rund um Krebs entwickeln sich weiter. Ein Beispiel ist „Bewegung“, da gab es 2023 neue Empfehlungen vom Bund. Das ist keines unserer Fokusthemen und trotzdem relevant, weil Bewegung ein Faktor ist, um das persönliche Krebsrisiko zu senken. Deshalb haben wir uns überlegt, inwieweit wir dieses von aussen getriebene Thema vertieft begleiten. Wir halten die Diskussion für wichtig, die Fokusthemen helfen aber, die Richtung zu halten.

Wie seid ihr auf die Idee gekommen, mit einem Themenhaus zu arbeiten? Wie setzt ihr es konkret im Alltag um?

Das Themenhaus haben wir zum ersten Mal durch dich kennengelernt. Zudem haben uns der Newsroom und das Themenhaus der Mobiliar als gutes Beispiel einen wichtigen Impuls gegeben.

Die neue Verbandsstrategie hat uns mit der Raison d’être als Boden und dem Wertedach „wirksam, solidarisch, gemeinsam“ einen sehr guten Rahmen gegeben. Neben den Fokusthemen steht das ‚Warum‘ und damit unser tägliches Handeln im Themenhaus. Mit der grafischen Darstellung ist es wunderbar gelungen zu erklären, wofür sich die Krebsliga Schweiz einsetzt. Wir arbeiten zwar zunehmend digital, aber trotzdem: Das Themenhaus hängt in vielen Büros, weil viele Kolleginnen und Kollegen damit arbeiten können und nicht nur wir im Newsroom. Im Newsroom prüfen wir bei jeder Anfrage, ob wir sie im Themenhaus platzieren können.

Spielt das Themenhaus eine Rolle bei der Wirkungsmessung?

Ja, denn unsere Themen sind selten tagesaktuell. Sie sind langfristig angelegt oder kommen mit den „Awareness-Monaten“ immer wieder. So können wir entlang der Fokusthemen überprüfen, was gut funktioniert hat und was wir in Zukunft verändern und verbessern müssen.  

Bleibt das Themenhaus so, wie es ist oder entwickelt es sich weiter?

An den grossen Fokusthemen halten wir vorerst fest. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass wir Verschiebungen vornehmen. So könnte das Thema Tabak, das wir jetzt unter dem Überthema Prävention behandeln, mit dem Lungenscreening ein Früherkennungsthema werden. Es gibt auch kleinere Fokusthemen, die wir herausnehmen. Und es gibt auch neue Angebote oder Vorgaben aus dem Steuerungsteam. Das Haus muss sich bewegen, nur das Dach und das Fundament bleiben unverändert. 

Das Themenhaus ist mit den Fokusthemen die Mutter vieler Aktivitäten, aus denen wir neben den Wordings auch die Massnahmen für Marketing und Fundraising ableiten. Es braucht also eine gewisse Konstanz und Verbindlichkeit, denn gerade im Fundraising sind die Vorlaufzeiten länger. Eine Unternehmenspartnerschaft dauert beispielsweise drei Jahre – darauf müssen die Fokusthemen Rücksicht nehmen.  

Deshalb sind die Fokusthemen so gesetzt, dass wir sie im Newsroom langfristig bespielen können, aber auch die Aktualität unterbringen.  

Was möchtet ihr den Kolleginnen mitgeben, die aus dem Hamsterrad herauskommen und strategisch geplante Kommunikation betreiben wollen?

„Man muss den Mut haben, Nein zu sagen, das ist mein Credo“, betont Stefanie.

Joëlle rät: „Wir beschränken unsere täglichen Planungssitzungen auf maximal eine Viertelstunde, auch hier gilt es, immer wieder Nein zu sagen und darauf zu achten, dass die Diskussionen nicht ausufern“.

Und weiter:

In unserem Themenhaus haben wir auch „Squads“, also Projektteams für zeitlich begrenzte Themen, vorgesehen. Für die bereits erwähnten Awareness-Monate oder -Tage arbeiten Personen aus Unternehmenskommunikation, PR, Marketing und Fundraising. Diese interdisziplinären Teams planen frühzeitig und arbeiten proaktiv, wobei sie natürlich auch darauf achten, wie sie mit ihrer Arbeit zu den Fokusthemen beitragen können. Dieser Ansatz hat sich bewährt. 

Das Unternehmen und die GL müssen hinter dem Newsroom stehen, er darf keine Insel sein. Es bleibt eine Daueraufgabe, alle Bereiche immer wieder mit ins Boot zu holen. Denn Kommunikation ist für alle wichtig.

Wir arbeiten mit einem Planungstool und es ist wichtig, dass dieses das Themenhaus sowohl in der Planung als auch in der Auswertung unterstützt. Ein intelligentes Tool von der Grob- in die Feinplanung kann hier viel Handarbeit ersparen.

Ich danke Stefanie de Borba und Joëlle Beeler für das Gespräch und die Offenheit, mit der sie ihre Erfahrungen teilen.


Newsroom der Krebsliga Schweiz

mit freundlicher Genehmigung der Krebsliga Schweiz ©

Im Newsroom der Krebsliga Schweiz arbeiten mit:

  • 2 Personen in der Rolle der Koordinatorin (CvD), die aber auch die Rolle Themenmanager einnehmen
  • 2 Redaktorinnen (Themenmanager)
  • 3 Kanalmanager (2 Web und 1 Social Media)
  • 1 Web- und Kampagnenanalyst
  • 2 Creatives (Grafik, Bild, Video)

Zusätzlich sind die Schnittstellen mit je einer Person im Newsroom vertreten:

  • Fundraising
  • Digital
  • Public Affairs
  • Marketing
  • Themenowner aus den Fachbereichen

Die Geschäftsleitung ist mit zwei Personen im Steuerungsteam vertreten.

Alle Mitglieder des Newsrooms arbeiten in Teilzeit und/oder sind in anderen Rollen ausserhalb des Newsrooms tätig.

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