Der BKW-Newsroom in der Transformation: Herausforderungen, Prozesse und Redaktionstools

BKW-Newsroom Innenansicht
Während Corona war der BKW-Newsroom praktisch verwaist. Vor Ort waren nur diensthabende Media-Relations-Manager, als Ansprechpersonen für allfällig anwesende Mitglieder des Managements.

Früher war die BKW Energie AG ein Berner Energieversorger – heute ist sie eine international tätige Unternehmensgruppe. Der Wandel vollzog sich rasant und fordert auch den seit 2018 aktiven BKW-Newsroom, zumal die Transformation noch in vollem Gang ist. Michael Blum ist einer von drei Newsdesk-Managern – so werden die Chefs vom Dienst (CvDs) bei der BKW genannt – und Verantwortlicher Social Media. Er hat mir im persönlichen Gespräch Einblick gegeben in die Herausforderungen eines CvDs, die Gefahr von Bypassing-Prozessen und das von der BKW entwickelte Redaktionstool, das heute auch anderen Newsrooms angeboten wird.

Im Juni 2019 stiess Michael Blum als Senior Communication Manager zum Unternehmen. Der BKW-Newsroom war gerade ein gutes halbes Jahr alt und deckte alles ab, was damals nötig war. Damals. Mit dem seitherigen Ausbau der BKW war und ist aber auch der Newsroom gefordert: Er muss thematisch die neue Organisation abbilden und gestiegene Bedürfnisse und Ansprüche erfüllen. An diesem Aufstieg zum nächsten Level arbeitet in Bern ein Kernteam aus rund 15 Mitarbeitenden aus der Unternehmenskommunikation und Public Affairs.

Neuausrichtung mit Folgen für den Newsroom

Im März dieses Jahres ist die neue Website live gegangen, die nicht mehr entlang der Organisation des Unternehmens aufgebaut ist, sondern entlang der wichtigsten Märkte, in denen es tätig ist: Gebäude, Infrastruktur und Energie. Durch die Abbildung der drei Unternehmensbereiche ist sie die erste grosse Manifestation der neuen BKW nach aussen. Die neue Ausrichtung hat auch redaktionell zu einer anderen Organisation geführt: Heute arbeitet der BKW-Newsroom mit einer Zentralredaktion, die einerseits für Corporate-Themen und anderseits für die Themen Gebäude, Infrastruktur und Energie zuständig ist – also in einer Art Themendesks organisiert ist. Diese Entwicklung ist noch so neu, dass sich das Zusammenspiel erst noch entwickeln muss. Das gilt auch für den nächsten Schritt, die Einbindung der Konzerngesellschaften in die Erarbeitung der Themen. Durch die Anbindung an den BKW-Newsroom sollen Synergien genutzt werden. In der Kommunikation bleiben die Kompetenzfelder jedoch autonom und entscheiden selbst über ihre thematische Positionierung.

Der veränderte Webauftritt brachte dem Newsroom auch eine neue Rolle, den Channel-Manager Internet. Die BKW unterscheidet zwischen zwei Kanalrollen: Der Channel-Manager kümmert sich um die Inhalte, den Themenmix, Formate und die Distribution der Beiträge. Der Plattform-Owner hingegen hütet die Plattform aus technischer Sicht und schaut, dass sie ‘Up and Running’ ist.

Expertise und Transformations-Kommunikation via Blog

Michael Blum, Newsdesk-Manager und Verantwortlicher Social Media im BKW-Newsroom
Michael Blum, Newsdesk-Manager und Verantwortlicher Social Media im BKW-Newsroom © christinestrub.ch

Seit Juni ist auch der BKW-Blog, der bisher extern gehostet auf WordPress lief, komplett in den Webaufritt integriert. Auch wenn Blogs aus der Branchendiskussion verschwunden sind – für die BKW ist er wichtiger denn je. An spannenden Themen fehlt es der BKW nicht, im Blog kann sie ihr Expertenwissen transportieren und die eigene Sicht auf die Dinge einbringen. «Zudem bildet der Blog auch Hintergründe und Zusammenhänge zur laufenden Transformation sehr gut ab», sagt Michael Blum, der neben seinen Rollen als CvD und Verantwortlicher Social Media auch für den Blog verantwortlich zeichnet. «Dass wir damit auf dem richtigen Weg sind, zeigen uns die derzeit über 10’000 Seitenaufrufe pro Monat», ergänzt er nicht ohne Stolz.

‘One size fits all’ in der Distribution funktioniert nicht

Eine Frage (das zeigt der neuste European Communication Monitor) beschäftigt die Branche in den kommenden Jahren besonders stark: «Wie lassen sich neue Wege finden, um Inhalte zu kreieren und zu verteilen?» Darauf reagiert Kanal-Manager Michael Blum spontan mit dieser Kernformel: «Man muss mit dem richtigen Format über den richtigen Kanal an die richtigen Leute gelangen.» Das klingt zwar gut, geht mir aber zu wenig tief, darum hake ich nach. Und jetzt antwortet Michael Blum auch als Newsdesk-Manager: «Der Ansatz, ein Bild mit einem Text möglichst auf allen Kanälen zu verbreiten – diese Zeiten sind vorbei! Das ‘One size fits all-Denken’ ist aber noch stark verbreitet und das Verständnis, dass Inhalte kanalgerecht aufbereitet werden müssen, in vielen Köpfen noch nicht angekommen.» Seine Aufgabe ist es sicherzustellen, dass die Beiträge zum Kanal passen und für die dortige Zielgruppe relevant sind. Als einer von drei Newsdeks-Managern lehnt er darum auch mal Aufträge ab, einen x-beliebigen Beitrag auf Facebook zu posten. Ohne Antworten zu Zielen, Zielgruppen und Story kommt man an ihm nicht vorbei. Dafür zeigt er auch gerne, was gut läuft und feiert Erfolge – auch die Kleinen.

Pflege der Kanalfitness und Überwachung der Vitalität

Michael Blum kennt und pflegt seine Social-Media-Kanäle akribisch. Im Kanalmix spielt Facebook je länger desto weniger eine Rolle, ausser zu Themen über Swiss Ski, wo die BKW Sponsorin ist, oder bei grösseren Image-Kampagnen. Twitter funktioniert zwar gut für alle fachlichen Beiträge, für das Employer Branding baut er aber lieber auf Instagram: Unter #FactFriday gibt es dort Beiträge zur Transformation und mit #TopJob werden regelmässig ausgewählte Jobs vorgestellt, welche über die Energiebranche hinausgehen. Besondere Aufmerksamkeit schenkt er LinkedIn, «ein extrem guter Kanal». Hier hat Michael Blum viel Zeit in die Zielgruppenbildung im Hintergrund investiert. «Chnüblibüez» nennt er das und die habe sich gelohnt; innerhalb von zwei Jahren konnte die Followerzahl auf heute 16’000 verdoppelt werden.

Allerdings ist die rein organische Verbreitung auch bei LinkedIn vorbei; jeder Beitrag wird über zwei bis drei Tage mit Geld gepusht. Michael Blum arbeitet mit Facelift, einen Social Media Tool für Community Management, Distribution und Analytics. Aber, will ich wissen, werden automatisierte Posts nicht von den Plattform-Algorithmen abgestraft? Michael Blum winkt ab: «Das ist ein Mythos». Er beobachtet seine Kanäle genau: Stagnieren die Zahlen? Gibt es Veränderungen in der Community? Verschlechtert sich die Engagement-Rate? «Mir ist die Kanal-Fitness sehr wichtig und ich schaue auch, dass jeder Kanal eine gute Vitalität hat», sagt Michael Blum und ergänzt: «Ich bin jeden Tag in den Dashboards von Facelift unterwegs um zu schauen, wie wir stehen und was sich bewegt.»

Vier Abstimmungsgefässe für die Planung

Der BKW-Newsroom plant und koordiniert die Kommunikation über vier Abstimmungsgefässe:

  1. Jahresplanung: In dieser Sitzung werden die grossen Themen festgelegt.
  2. Quartals-/Mehrmonats-Planung: Diese sichert den mittelfristigen Überblick. Wegen der laufenden Transformation ist dieses Abstimmungsgefäss gerade im Umbau, weil die Tochtergesellschaften in anderen Ländern eingebunden werden.
  3. COM Agenda: Diese findet alle zwei Wochen statt, moderiert wird sie von Michael Blum. Hier werden Themenideen eingegeben, die das Team dann gemeinsam ‘knetet’. Dies geschieht entlang von vielen Fragen: Gibt es zum Thema eine Story? Wie funktioniert sie? Was wollen wir damit erreichen? Geht es ums Image, um Traffic oder die Lancierung eines Produkts? Michael Blum bestätigt damit den Ansatz jedes professionellen Newsrooms: «Die Frage ‘machen wir was auf LinkedIn’ kommt erst ganz am Schluss, am Anfang steht die Story.»
  4. COM Daily: Dieses ist so aufgebaut, wie man es aus anderen Newsrooms kennt: Rückblick auf den Vortag, Medienschau und Tagesplanung. Im BKW-Newsroom erklären aber zusätzlich die Public-Affairs-Kollegen, was in der politischen Landschaft läuft, vorab im National- und Ständerat und im Kanton.

Jeweils am Mittwoch machen die drei Newsdesk-Manager zudem ein informelles Stand-up, um die kommenden Tage zu planen mit dem Ziel, Lücken zu erkennen und Konflikte aufzulösen. Dafür stützen sie sich auf die Resultate aus den anderen Sitzungen und die Planungstools des Newsrooms.

Ich habe verschiedentlich gehört, dass der Job des CvDs ‘Knochenarbeit’ bedeutet. Darum will ich von Michael Blum wissen, ob er das auch so erlebt. Er bestätigt mir das, zumindest teilweise: «Newsdeks-Manager-Tage sind hektische Tage mit viel Arbeit für die Koordination im Newsroom und mit internen Stakeholdern. Zudem rennt man gegen alte Denkmuster an, immer und immer und immer wieder. Ein Klassiker: Das haben wir letztes Jahr schon so gemacht, kannst du das bitte dieses Jahr gleich umsetzen? Anstrengend wird es auch, wenn Leute versuchen den Newsdeks-Manager zu umgehen, um über eine andere Stelle zum Ziel zu kommen. Das kommt ab und zu mal vor und da helfen nur gute Argumente.» Es kommt also nicht von ungefähr, dass eine der Anforderungen an einen CvD Verhandlungsgeschick und Standfestigkeit sind.

Themen- und Redaktionstool von der BKW entwickelt

Für die COM Agenda, also für die Ideen- und Themenfindung, arbeitet der BKW-Newsroom mit Planner, einem Add-on in Microsoft-Teams. Die App ist nach dem Kanban-Prinzip aufgebaut und gegliedert in die Bereiche Brainstorming, Ideen, on Hold, Umsetzung und erledigt. In der Funktion ist sie vergleichbar mit Trello: einfach auszufüllende Karten können von Board zu Board geschoben werden. Erst wenn eine Idee für die Umsetzung freigegeben wurde, wird diese im Haupttool uhub eingetragen.

BKW-Newsroom Ideensammlung und Entwicklung mit Kanban
In der COM Agenda arbeitet der BKW-Newsroom mit einem Kanban-Board in Microsoft Planner

Der BKW-Newsroom arbeitet mit uhub, einem cloudbasierten Themen- und Redaktionstool. Entwickelt hat es die BKW selbst, weil man mit den damaligen Lösungen am Markt nicht glücklich war. Heute ist die Lösung über ein Spin-off der BKW auf dem Markt erhältlich. Michael Blum hat mir die Plattform in einem Schnelldurchlauf gezeigt und ich muss sagen, sie hat mir Appetit auf mehr gemacht.


Update: uhub hat mich interessiert und ich habe mir die Lösung von Olivier Fuchs zeigen lassen … dabei habe ich den Schwung genutzt und mir gleich weitere Tools angeschaut, die mir aufgefallen sind. Lesen Sie auch: 7 Tools für die Content-Steuerung und Zusammenarbeit im Corporate Newsroom.


Aufgebaut ist uhub in drei Bereiche: Strategie, Planung und Content. Ein vierter Bereich, Analyse, soll in diesem Jahr noch folgen. In der Strategie sind die Schwerpunktthemen Energie, Gebäude, Infrastruktur sowie Corporate angelegt. Dazu gibt es jeweils Subthemen, zum Beispiel für die Sparten Energie, Vertrieb, Handel und Produktion, Infrastruktur, Unterhalt, Ausführung und Planung. Beiträge müssen einem dieser Bereiche zugeordnet werden können. So werden der thematische Korridor und die Orientierung an der Kommunikationsstrategie sichergestellt.

BKW-Newsroom Screenshot uhub Redaktionsplanungstool: Strategie
Strategiebereich (Illustration des Anbieters)

Die Planung zeigt im oberen Bereich in einem Balken die längerfristig definierten Themen, im unteren Bereich die Monats-, Wochen- und Tagesansicht.

BKW-Newsroom Screenshot uhub Redaktionsplanungstool: Planung
Bereich Planung (Illustration des Anbieters)

Im Bereich Content werden die Geschichten erfasst: Nach der Eingabe von Thema und Zielgruppen werden ausgehend von der definierten Strategie Vorschläge für Beiträge über sämtliche Kanäle hinweg  gemacht. Die Themenmanager ‘füttern’ das Tool; sobald sie die Beitragsvorschläge erhalten, nehmen sie mit den verantwortlichen Kanalmanagern Kontakt auf. Diese prüft, ob der vorgeschlagene Mix Sinn ergibt und gemeinsam wird geplant, wie der Beitrag aufgebaut werden kann.

BKW-Newsroom Screenshot uhub Redaktionsplanungstool: Content
Bereich Content (Illustration des Anbieters)

Workflows-, Prozesse und Notifikationen sind in uhub noch nicht angebunden, darum arbeitet das Newsroom-Team mit zwei Tools. Auch diese Features seien für dieses Jahr geplant.

Ich will von Michael Blum wissen, wie zuverlässig die Themenmanager ihre Beiträge ins Tool eintragen: «Das erfolgt nicht immer zuverlässig, klappt aber immer besser», meint er und beweist mit seiner Ergänzung das Stehvermögen, das ein CvD mitbringen muss: «Beiträge, die nicht im Tool stehen, werden auch mal abgewiesen und auf später geplant. Ich erkläre das mit der bereits erfolgten, ohnehin komplexen Planung der anderen Beiträge in unseren Kanälen. Das Planungstool wird noch weiterentwickelt. Es wird immer reifer und die Leute sehen immer besser ein, was es ihnen bringt, wenn sie ihre Beiträge eintragen.»

Unser Newsroom funktioniert! Woran erkennt man das?

Wenn die Macht von Hierarchiestufen zu Lasten einer strategischen Themenagenda genutzt wird entstehen Bypassing-Prozesse; diese sind Gift für den Newsroom.

Der BKW-Newsroom befindet mitten in der Transformation, Michael Blum ist mit der Entwicklung zufrieden und sagt: «Der Newsroom funktioniert.» Aber woran erkennt man das?

«Die Rollen sind mit den richtigen Leuten besetzt und das Prinzip wird gelebt; das ist sehr wichtig», erklärt Michael Blum. «In jedem Unternehmen gibt es ein paar Göttis (Paten) für den Newsroom, vielfach aus der Management-Stufe. Diese müssen den Newsroom und seine Prozesse verstehen und mittragen, sonst funktioniert das nicht. Das bedeutet konkret, dass sie ihre Hierarchiestufe nicht zu Lasten einer strategischen Themenagenda ausnutzen, um Beiträge und eigene Interessen durchzusetzen. In einem schlecht funktionierenden Newsroom übersteuert die Hierarchie das Newsroom-Gefüge. Häufen sich solche Bypassing-Prozesse, ist das Gift für den Newsroom.»

«Natürlich kann es vorkommen, dass der Newsroom kurzfristig ein Thema mit hoher Priorität reinbekommt. Dann ist es der Job des Newsrooms, Konflikte aufzulösen und andere Beiträge zu verschieben. Zum Glück kommt es aber immer seltener vor, dass jemand von uns ultimativ fordert, eine Geschichte zum Beispiel in den Newsletter aufzunehmen. Wir sind mit den verantwortlichen Personen im Gespräch und die grosse Mehrheit unserer Stakeholder hat das Prinzip des Newsrooms verstanden und trägt es mit.»

Ich danke Michael Blum für die Zeit, die er sich für dieses Gespräch genommen hat.

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