Die Content Factory: Transformation der Unternehmenskommunikation bei der Telekom

Björn Muscheid, ClusterLead Content Factory & CVD

Als die Deutsche Telekom im November 2016 mit der Content Factory (CoFa) startete, gehörte sie zu den frühen Corporate Newsrooms im deutschsprachigen Raum. Philipp Schindera, schon damals und bis heute Leiter Unternehmenskommunikation, umschrieb zur Einführung die Ziele so: „Mit der Content Factory gehen wir den nächsten Schritt in die digitale Ära. Kommunikation in Echtzeit, 360-Grad-Medienproduktion über alle Kanäle und der digitale Dialog stehen für uns besonders im Fokus“. 

Warum heisst der Newsroom der Telekom Content Factory? Wo steht die Content Factory heute? Was bedeutete die Transformation in eine ‘Projektorganisation’? Björn Muscheid, ClusterLead Content Factory & CVD, hat die Content Factory mit aufgebaut und mir im Gespräch einen Einblick in die Entwicklungen von der ‚Gründerzeit‘ bis heute gegeben.  

Content Factory als Ort fürs Machen

Bei der Content Factory ist der Name Programm. Björn Muscheid erklärt das so: „Wir wollten mit dem Begriff Factory von Anfang an ‚das Machen‘ betonen und auch, dass wir Content bei uns im Haus produzieren. Die Inhalte, die wir hier erstellen, gehen über reine News hinaus; der Content vermittelt Hintergrund und Zusammenhänge. Wir arbeiten aber im Sinne des klassischen Newsrooms mit redaktionellen Prozessen als Zusammenarbeitsmodell. So stellen wir auch die integrierte Kommunikation sicher.“ 

Noch vor dem eigentlichen Start im November 2016 machte das Team mit zwei ‚Piloten‘ erste Erfahrungen bei grossen Messen und schulte ausserdem alle Mitarbeitenden der Unternehmenskommunikation. Es installierte im März die erste Content Factory bei der damaligen Cebit in Hannover und im September bei der internationalen Funkausstellung IFA in Berlin. Hier wurde ‘das übergreifende Machen’ in Echtzeit geübt. Weiterhin wurden in Workshops die Prozesse zur Zusammenarbeit gemeinsam simuliert und weiterentwickelt. 

Bis im Spätherbst war dann auch der Umbau in der Telekom-Zentrale abgeschlossen, die Content Factory startete in den Routinebetrieb. 

Vorbilder: Redaktionsarbeit und Krisenkommunikation

Ansporn zum Aufbau der Content Factory war es, die interne Abstimmung und Produktion zu beschleunigen und zu verbessern. Grund hierfür war auch das schnellere Medienumfeld wie beispielsweise Social Media – die Steuerung der vielen Themen und Kanäle sollten daher in einen gemeinsamen Raum gebracht werden.

Content Factory Telekom Newsroom als Prozess

Neben dem Lernen von Prozessen in klassischen Medienredaktionen war für Björn Muscheid auch der Vergleich zur Situation der Krisenkommunikation hilfreich: „Im Krisen-Modus macht man intuitiv viele Dinge ziemlich integriert, sitzt in einem Raum und spricht sich schnell ab. Das geht, weil man unter Druck einfach handeln muss. Auch daraus hat sich für uns der Leitgedanke gefestigt, diese Form der engen und raschen Abstimmung auch als Richtschnur für das alltägliche Handeln zu ermöglichen. Wir wollten also hinkommen zu einer permanenten Orchestrierung und Verzahnung von Themen und Kanälen. Und damit das integrierte Vorgehen aus dem ‚Krisen-Modus‘ zu einer Art Routine werden zu lassen.“ Ein interessanter Gedanke, finde ich.

Themenorganisation als Basis für den Erfolg

Die Content Factory ist über mehrere Jahre in Etappen entstanden und hat sich stetig weiterentwickelt. Basis für den erfolgreichen Start war die Bildung einer themenorientierten Projektorganisation, die bis heute die Grundlage der Unternehmenskommunikation der Telekom bildet. Sie wurde bereits drei Jahre vor dem Launch der Content Factory aufgebaut. Dazu Björn Muscheid: „Zuvor standen wir mit der Unternehmenskommunikation in der klassischen Linien-Organisation. Kommunikationsbereiche wie intern, extern, Events usw. waren nicht nur organisatorisch, sondern auch über verschiedene Gänge räumlich getrennt. Hinzu kamen noch Teams für die verschiedenen Geschäftsbereiche an mehreren Standorten.“

2014 gab es dann erste Überlegungen zur Content Factory. Das Folgejahr wurde für die Konzeption genutzt und 2016 ging es an die Umsetzung. Die räumliche Entwicklung beschleunigt hat das HR-Projekt Future Work, mit dem unter anderem Kleinbüros durch Open Spaces abgelöst wurden. Das eröffnete auch die Gelegenheit, die Bedürfnisse für einen Platz für die Content Factory anzumelden.

Themencluster bündeln Perspektiven

In der Content Factory kommen die Inhalte aus definierten Themenclustern zusammen, beispielsweise Corporate-Themen, B2C-Produkt-Themen, Netzausbau-Themen, B2B/Digitale Wirtschaft-Themen oder HR-Themen. Innerhalb jedes Clusters gibt es Projekte, wie die Finanzkommunikation innerhalb von Corporate oder 5G oder Glasfaser im Netzausbau. Entlang dieser Themenstruktur aus Clustern und Projekten werden am ‚Balken‘ – so nennt sich der Redaktionstisch in der Content Factory – Planung, Entwicklung, Distribution und Evaluation des Contents gemeinsam besprochen. Mehrere Bildschirme im Redaktionsraum zeigen, welche Themen gerade in den Kanälen laufen. 

Content Factory Telekom Themencluster

„Dieses themenzentrierte Vorgehen hat sich bewährt“, erklärt Björn Muscheid: „Wir nutzen Ressourcen deutlich effektiver, seit wir die Themen nicht mehr aus verschiedenen Linien doppelt anpacken. So kommt etwa ein Netzkommunikationsprojekt, mit sich ergänzenden Contents für interne, externe oder auch Social-Media-Kanäle, gebündelt an den Balken. Es arbeiten nicht mehr verschiedene Abteilungen parallel, sondern ein Projekt, das sich ganzheitlich dieser Content-Erstellung widmet. Dadurch sind wir auch schneller geworden.“ 

Flexibler durch den Abschied von der Hierarchie

Die Projektorganisation erlaubt agiles Arbeiten: Knapp 100 Mitarbeitende der Unternehmenskommunikation arbeiten themen- und kanalorientiert im gleichen Pool. Überdies gibt es weitere Mitarbeitende in der Unternehmenskommunikation für Steuerungsfunktionen wie Ressourcenplanung oder die Kommunikationsstrategie. In der Projektorganisation sind Ressourcen projekt- oder themenübergreifend eingesetzt, in der Linien-Organisation, mit ihren starren Strukturen, wäre das undenkbar. Das ermöglicht sehr viel Flexibilität.

Content Factory Telekom Vorteile Projekt-Organisation vs Linien-Organisation Abschied von der Hierarchie

Hinzu kommt: Neue Ideen müssen sich in der Content Factory nicht erst durch eine Hierarchie hocharbeiten, sondern werden in einem Team evaluiert, gewichtet und in dynamischen Projekten organisiert. Dafür werden genau jene Kompetenzen zusammengenommen, die für das jeweilige Thema oder Projekt nützlich sind. Es gibt dauerhafte Projekte für Langzeitthemen, andere Projekte werden flexibel mit der Erledigung des Themas beendet.  

„Im Durchschnitt arbeiten die Mitarbeitenden in drei Projekten parallel; wir haben damit gute Erfahrungen gemacht“, sagt Björn Muscheid. „Die Umstellung war ein Change-Prozess. Die Mitarbeitenden haben aber auch gesehen, dass sich für sie mit der Projektorganisation Freiheiten und Möglichkeiten eröffnen. Sie können sich so neuen Themen und Kanälen zuwenden und es haben sich neue Karrieren ergeben.“ Auch wenn die Hierarchien deutlich flacher sind, braucht es – insbesondere für den Vorstand – klare Ansprechpartner. Jeder Themencluster steht unter der Leitung eines Cluster-Managers. 

Die Content Factory arbeitet dank der themenorientierten Projektorganisation mit Rollen, wie sie jeder Newsroom auch kennt. Aufgefallen ist mir im Gespräch mit Björn Muscheid das agile Miteinander und die Betonung des gemeinsamen Ganzen durch die Projektorganisation. Integriert arbeitende Themen und Kanäle-Teams sichern nicht nur den Zusammenhalt, sondern auch den thematischen Blick fürs Ganze. Zudem beugen sie einer allzu starken Spezialisierung und damit dem Risiko von Silodenken im Rahmen von allzu gefestigten Rollen vor.  

Synergien durch ‚Kraftwerk Kommunikation

Seit gut zwei Jahren erfolgt unter dem Titel ‚Kraftwerk Kommunikation‘ auch eine deutlich intensivierte Abstimmung zwischen den Abteilungen Unternehmenskommunikation, Brand Management und Marketing Deutschland. Ziel ist es, die Kraft der verschiedenen Kommunikationsbereiche durch integrierte Kommunikation noch weiter zu stärken. Themen werden wöchentlich gemeinsam geplant, koordiniert und evaluiert.  Insbesondere durch das Aufkommen digitaler Kanäle haben sich zahlreiche gemeinsame Spielfelder aufgetan. 

Ich plane ein weiteres Gespräch, in dem es um die Erfahrungen mit ‚Kraftwerk Kommunikation‘ gehen soll. Sie ist eine grundlegende Weiterentwicklung der Content Factory, die beweist, dass ein Corporate Newsroom kein Projekt, sondern ein Prozess ist.

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2 Kommentare zu “Die Content Factory: Transformation der Unternehmenskommunikation bei der Telekom

  1. Liebe Frau Schindler, wie haben sich denn die Zugriffszahlen auf den Newsroom der Telekom entwickelt? Wie viele monatliche Besucher/Leser gab es am Angang, wie viele sind es heute? Das ist doch ein ganz wichtiger Erfolgsfaktor oder auf Neudeutsch KPI.
    Ich frage ganz bewußt, weil die Fragen zu Leserzahlen in Corporate Newsrooms “Erfolgsgeschichten” bisher nie beantwortet wurden. Warum wohl? Will man nicht verglichen werden? Sind die Zahlen so schlecht, daß man die hohen Ausgaben nur noch schwer rechtfertigen kann? Sie als Beraterin sollten diese Frage stellen und die Antworten veröffentlichen.

    1. Grüezi Herr Maassen
      Wenn es Zahlen gibt, dann kommen diese von der Telekom. Wir sprechen in diesem Beitrag von der Content Factory als Modell der Zusammenarbeit. Das hat nichts oder höchstens indirekt zu tun mit Zugriffen auf einen Online-Newsroom. Die Telekom unterhält eine Vielzahl von Touch Points. Der Newsroom-Bereich auf der Website ist nur einer. Ich empfehle Ihnen, für Ihre Fragen den direkten Kontakt mit Herrn Muscheid zu suchen.

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