Der Edelman Trust Barometer 2017 zeigt einen dramatischen Zerfall des Vertrauens der Bevölkerung in Wirtschaft, Regierung, NGOs und Medien. Seit 2012 waren die Werte des Trust Index nie mehr so tief. Am meisten Vertrauen geniessen weiterhin NGOs, gefolgt von der Wirtschaft.
Bestimmte Branchen und Marken geniessen zwar mehr Vertrauen, für ihrer Führungskräfte gilt es jedoch Strategien zu entwickeln. Sie schneiden durch’s Band schlecht ab. “A Person like yourself” ist heute so glaubwürdig wie ein akademischer oder technischer Experte. Mehr noch, sie ist auch weit glaubwürdiger wie ein CEO oder eine Regierung. Dabei gibt es massive Unterschiede zwischen der informierten Öffentlichkeit und der übrigen Bevölkerung. Der Vertrauensunterschied zwischen diesen beiden Gruppen hat sich auf 15 Prozentpunkte ausgeweitet.
Medien büssen am meisten Vertrauen ein
Von allen vier Gruppen haben die Medien gemäss Edelman Trust Barometer 2017 am meisten Vertrauen eingebüsst. Gerade noch 43% der Bevölkerung traut ihnen, im Vorjahr waren es noch 48%. Lediglich in fünf Ländern liegt das Vertrauen über 50%: in Singapur, China, Indien, Indonesien und in den Niederlanden. Einen neuen Tiefstwert haben Medien in 17 von 28 Ländern erreicht.
Die Mainstream-Medien haben Publikum verloren und damit sind auch Werbegelder weggebrochen. Qualität kostet und aufgrund des wirtschaftlichen Drucks können Journalisten ihre Pflicht der Berichterstattung nur noch unzureichend erfüllen. Die Umfrage kommt zum Schluss, dass Medien zu politisiert sind. Zudem orientieren sie sich zu sehr an Themen aus Social Media statt selber eine Agenda zu setzen.
Medien sind also nur noch schwer in der Lage, ihre Kernaufgaben wahrzunehmen:
- Transparenz schaffen,
- Quellen hinterfragen,
- Informationen gewichten und einordnen.
Dabei wäre das heute wichtiger denn je. Es sind die marginal informierten Schichten der Bevölkerung, die wenig Vertrauen in Institutionen setzen. Und gerade sie werden von populistischen Strömungen zunehmend in ihrer Meinungsbildung beeinflusst. Der Edelman Trust Barometer 2017 zeigt denn auch ein alarmierendes Bild der Entwicklung der globalen politischen Landschaft.
Meinungsbildung in der Medien Echokammer
Der Kreislauf des Misstrauens wird zudem durch das Entstehen von Medien-Echokammern vergrössert. Diese verstärkt persönliche Überzeugungen und schaltet Standpunkte, die nicht der eigenen Meinung entsprechen, aus. 54% der Befragten konsumieren kaum je Informationen, die nicht ihrer Überzeugung entsprechen. So bleibt die Chance, dass sie ihre Meinung auch mal ändern, eher klein.
Heute vertrauen Menschen den Ergebnissen von Suchmaschinen mehr (59%) als menschlichen Redakteuren (41%). Interessant finde ich diese Aussage: “People now view media as part of the elite”. Sie ziehen sich zu Gleichgesinnten in ihre Peer-Groups zurück und sind auch empfänglich für die direkte (populistische) Ansprache, beispielsweise von Politikern.
Unternehmen müssen verstärkt ein Peer-to-Peer Mindset verfolgen und sich den Weg zu ihren Zielgruppen bahnen. Das rät Tonia Ries, Executive Director bei Edelman Square. Was bedeutet das konkret? Mitarbeiter seien die glaubwürdigsten Ansprechpersonen in der Organisation zu jedem Thema, glaubwürdiger wie CEOs. Sie sollen dabei unterstützt werden, sich in Communities zu engagieren wo sie Beziehungen aufbauen und die Unternehmensbotschaft an die Zielgruppen bringen können. Anspruchsgruppen wollen einbezogen werden, sonst versagen sie ihre Unterstützung.
Unternehmen auf dem Prüfstand
Medien haben bisher eine Filter-Funktion übernommen, fällt diese gänzlich weg, ist der Weg für Fake-News frei. Und noch etwas ist verloren gegangen: “We have lost the objectivity and shared experience of media as a watchdog on institutions.”
Unternehmen tun gut daran, verantwortungsbewusst zu Handeln und mit einer glaubwürdigen Kommunikation zum Aufbau von Vertrauen beizutragen. So bewahren sie sich ihre “licence to operate”. Was erwarten die Befragten von Unternehmen, damit sie ihnen ihr Vertrauen schenken? Unternehmen sollen:
- ihre Mitarbeiter gut behandeln,
- Produkte und Dienstleistungen von hoher Qualität anbieten und
- ihren Kunden zuhören.
Erschreckend finde ich die Aussage wonach 64% der Bevölkerung durchgesickerte (leaked) Informationen für glaubwürdiger halten wie Pressemitteilungen. Das muss zu denken geben. 55% sagen aber auch, dass der Social Media-Auftritt von Unternehmen glaubwürdiger ist, wie deren Werbung. Edelman empfiehlt einen “inside out”-Ansatz: Erst zuhören, Kontext liefern, nicht nur den ökonomischen, sondern den gesellschaftsrelevanten Nutzen aufzeigen und handeln.
Owned Media und Online only-Media haben an Vertrauen gewonnen; gut gemachter Content dürfte also auf Akzeptanz stossen und zum Aufbau von Verständnis und Vertrauen beitragen. Und genau darum geht es ja in der Öffentlichkeitsarbeit. Dass die Search Engines ebenfalls zugelegt haben, ist ein Wink mit dem Zaunpfahl für alle, die heute SEO noch vernachlässigen. SEO-Expertin Lucia Yapi hat in diesem Blog schon erklärt, wie SEO die Online-PR verstärkt.
CEOs haben ein Vertrauens-Defizit
Von den vier Bereichen gilt die Wirtschaft als der einzige, der einen Unterschied machen kann. Drei von vier Befragten sind sich einig, dass ein Unternehmen Massnahmen ergreifen kann, um sowohl die Gewinne zu steigern als auch die wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen in der Gemeinschaft zu verbessern, in der sie tätig sind. Menschen, die politischen System misstrauen. setzen ihre Hoffnung in die Wirtschaft (59%). “Business is the last retaining wall for trust,” sagt Kathryn Beiser von Edelman, aber “ihre Führungskräfte müssen sich für Themen, welche für die Gesellschaft wichtig sind, einsetzen.”
Wir haben den Punkt überschritten an dem Vertrauen nur ein Schlüsselfaktor für Produktkauf oder Auswahl des Arbeitsplatzes war. Gemäss Umfrage ist Vertrauen der entscheidende Faktor, ob eine Gesellschaft funktionieren kann. Und hier kommt die Teppichetage ins Spiel: “We now observe a huge divide between the modest trust in institutions of business and government and a pitifully low level of confidence in their leaders.” Über zwei Drittel der Befragten trauen es den heutigen Konzern- und Unternehmensleitungen nicht zu, dass sie sich den Herausforderungen ihre Standortes stellen.
Kann sein, dass dem wirklich so ist, kann aber auch sein, dass hier ein Informationsdefizit besteht oder, dass die Ansprache nicht stimmt. Edelman rät darum, die Kommunikation zu ändern: Talk with, not at! Es kommt an, wer spontan spricht (57%), das Kind beim Namen nennt (54%), persönliche Erfahrungen teilt (51%) und die Social Media-Kanäle des Unternehmens (62%) nutzt.
Beherzigen Unternehmen das nicht, riskieren sie, dass die Stakeholder zu “ihresgleichen” abwandern, denn “Eine Person wie du selbst” ist ist heute so glaubwürdig wie ein akademischer oder technischer Experte und weit glaubwürdiger als ein CEO oder eine Regierung. Die Kommunikation verläuft also vielmehr horizontal und nicht mehr top down.
Über den Edelman Trust Barometer 2017
Der Edelman Trust Barometer ist eine Studie, welche jährlich durchgeführt wird und erhebt, wie es um das Vertrauen in Medien, Regierungen, Unternehmen und Nichtregierungs-Organisationen (NGO) steht. Sie wurde bereits zum 17. Mal durchgeführt. Online befragt wurden im Oktober/November 2016 33’000 Personen über 18 Jahre aus 28 Ländern (allgemeine Bevölkerung). Zusätzlich wurden pro Land 200 Meinungsführer interviewet, in den USA und China gar 500. Alle Resultate gibt es auf der Edelman-Website in englischer Sprache.
Ein Kommentar zu “Edelman Trust Barometer 2017: Strategien in der Vertrauenskrise”