Hans Koelmann, Präsident der European Association of Communication Directors, bringt die Herausforderungen für den Berufsstand auf den Punkt: „Das breite Themenspektrum des ECM 19 spiegelt die Rolle der heutigen Kommunikatoren wider. Wir sind angehalten, alles zu überblicken – alle Interessengruppen, alle gesellschaftlichen Entwicklungen – und wir müssen zuhanden unserer Organisationen, CEOs und Kollegen in der Führung übersetzen.“
Wir können Change Agents, strategische Unternehmensberater, Leader bei der Entwicklung des Zwecks von Organisationen und Konnektoren sein.
Damit das klappe, brauche es das Vertrauen derer, mit denen wir täglich interagieren: Journalistinnen, Influencer, Führungskräfte und Öffentlichkeit. Darum war die Frage nach dem Vertrauen ein Kernthema der diesjährigen Befragung.
Die Vertrauensfrage …
Das Vertrauen in die Kommunikation und PR wurde aus drei Perspektiven untersucht:
- Makroebene: Vertrauen in den Beruf
- Mesoebene: Vertrauen in Kommunikationsabteilungen oder Agenturen
- Mikroebene: Vertrauen in die Kommunikationsverantwortlichen selber.
… in die Kommunikation

In vielen europäischen Ländern nimmt das Vertrauen in Massenmedien und Journalismus ab. Es stellt sich also die Frage, ob dies auch für PR-Profis gilt, welche im Namen von Unternehmen, NPOs, Regierungen, politischen Parteien usw. kommunizieren. Die Frage mit Blick auf die Makro-Ebene lautete: „Wie sehr vertrauen die folgenden Gruppen der Öffentlichkeitsarbeit oder dem Kommunikationsberuf in Ihrem Land?“ Das kommt ganz darauf an, kann man sagen. Generell schenken Top Executives, aber auch Influencer und Bloggerinnen eher Vertrauen, Journalisten und die allgemeine Öffentlichkeit sind hingegen zurückhaltender. Junge Berufstätige erhalten ein stärkeres Vertrauen von Influencern, Bloggern, Journalistinnen und der breiten Öffentlichkeit als ihre älteren Kolleginnen. Und wenn man auf der Grafik sieht, wie wenig Journalisten den über 60jährigen vertrauen, dann wird klar, dass es Zeit ist für einen Generationenwechsel. Das Internet und vor allem die Social Media haben die Medienarbeit verändert, „alte Schule“ ist nicht mehr gefragt.
Kommunikationsabteilungen in staatlichen Organisationen erfahren ein deutlich geringeres Mass an Vertrauen in den eigenen Reihen und durch Blogger und Influencer.
Am grössten ist das Vertrauen auf der Mikroebene, also bei den Kommunikationsverantwortlichen selbst. Von alle Gruppen bekommen sie auf einer Skala von 1-5 zwischen 3.98 und 4.61 Punkte.
… in Exponenten der Organisation und Interessenvertreter
Hier klingt das im Moment viel diskutierte Thema der Rolle von Mitarbeitern als Botschafter durch. Aus dieser Liste lassen sich zwei Schlüsse ziehen: Höchste Glaubwürdigkeit erzielen Personengruppen mit einem klaren Profil, sei es aufgrund ihrer Expertise und/oder ihrer hohen Stellung in der Hierarchie. Und Gruppen, welchen eine eigene Agenda verfolgen oder die Absicht haben, etwas zu verkaufen, finden sich am Ende der Vertrauensskala wieder.
… ist gar nicht so einfach
Die Resultate zeigen, warum es in der Wirtschaft und in Organisationen schwierig ist, transparent zu kommunizieren. Kopfzerbrechen bereiten die offene und klare Kommunikation über die politische Haltung des Führungsteams (41% finden das schwierig) und über interne Prozesse und Workflows (35,1%). Auch die transparente Kommunikation über Mitarbeitende und Mitglieder sowie die Top-Level-Strategien wird als schwierig wahrgenommen (24,2%). Nach Ansicht der Befragten ist es für ein Unternehmen viel einfacher, über seinen Zweck, Mission und Vision, über seine Produkte und Dienstleistungen transparent zu sein. Bei der Vision und der Mission würde ich allerdings ein Fragezeichen setzen, weil diese oft nicht bekannt oder schwer fassbar sind.
Strategische Herausforderungen
Die Erosion von Vertrauen und die sich verändernde Medienlandschaft bleiben nicht ohne Folgen für die Prioritätensetzung. Gerade auf den vorderen Rängen haben sich die strategischen Themen für die kommenden drei Jahre verschoben:
- Vertrauen aufbauen und erhalten (37.9%)
- Umgang mit der Geschwindigkeit und dem Volumen des Informationsflusses (32.5%)
- Erschliessung neuer Wege zur Erstellung und Verbreitung von Inhalten (31.6%)
Allerdings gibt es frappante Unterschiede zwischen Ländern und Organisationstypen. Nonprofit-Organisationen sehen als Top-Themen: Vertrauen stärken, die Erstellung und Verbreitung von Content verbessern sowie die Notwendigkeit, mehr Zielgruppen und Kanäle mit begrenzten Ressourcen zu verwalten. Unternehmen hingegen legen den Fokus auf den Umgang mit der immer grösseren Informationsflut, auf digitale Trends und Social Responsibility. „Dealing with sustainable development and social responsibility“ hat einen sechsjährigen Tauchgang von unter 20% der Nennungen hinter sich. Jetzt zieht das Thema wieder an, das dürfte mit der Phase der Ernüchterung und der Dominanz und dem Geschäftsgebaren der Big Four GAFA zusammenhängen. Regierungsorganisationen streben mehr Agilität an und Agenturen glauben an den Einsatz von Big Data in der Kommunikation. 28.3% der Befragten sind sich einig, dass im Verlauf von 2019 der Einsatz von Algorithmen und Big Data nochmals an Bedeutung gewinnen wird.
Bei den Prioritäten gibt es auch geografische Unterschiede: Die Schweizerinnen (42.9%) und Österreicher (43.4%) kümmern sich um den Spagat zwischen der Komplexität von Zielgruppen und Kanälen bei limitierten Ressourcen. Die Deutschen hingegen wollen zuerst einmal mit dem Tempo und Volumen des Informationsflusses umgehen (36.1%).
Anteilsmässig die Position gehalten hat die Stärkung der Rolle der Kommunikationsfunktion bei der Unterstützung der Entscheidungsfindung im Top-Management (26.5%).
Künstliche Intelligenz
Mit der Einführung von künstlicher Intelligenz (KI) tritt die strategische Kommunikation in eine neue Phase. KI weckt im Moment auch noch alles zwischen Angst, Skepsis und übersteigerten Erwartungen. Der European Communication Monitor 2019 ist die erste gross angelegte Umfrage, welche die persönliche Akzeptanz, das Wissen und die Wahrnehmung von KI bei Kommunikationspraktikerinnen untersucht hat.
Die Erwartungsschere geht auch hier weit auf. Zwar denken 77.3%, dass Künstliche Intelligenz den Berufsstand grundlegend verändert. Auf der anderen Seite gehen 37% davon aus, dass ihre tägliche Arbeit kaum betroffen sein wird. Diese Einschätzung lässt sich direkt mit den persönlichen Erfahrungen verbinden. So erwarten KI-Anwender eine deutlich höhere Gesamtauswirkung auf allen operativen Ebenen als ihre Kolleginnen, die keine intelligenten Assistenten und Geräte verwenden.
Es ist überraschend und beunruhigend, wie wenig Kommunikationsprofis in Europa heute Assistenten auf ihren Smartphones oder intelligente Geräte zu Hause und im Büro einsetzen. Gemäss ECM 2019 sind es 13.3%
Aus dem Bericht klingt zwar durch, dass sich Kommunikatoren durchaus noch etwas mutiger mit dem Thema auseinandersetzen dürften, indem sie die eine oder andere Anwendung auch ausprobieren. Dennoch kommt die Studie zum Schluss, dass es keinen signifikanten Zusammenhang zwischen der persönlichen Nutzung von KI und der Kenntnis des Konzepts gibt.
Noch ist das Thema schwer fassbar und darum ist es auch nicht verwunderlich, dass Praktiker bei der Suche nach Lösungen für die Einführung von KI in der Kommunikation gefordert sind. Einerseits sehen sie das Risiko bei organisatorischen Schwierigkeiten und andererseits in den unterschiedlichen Kompetenzen ihrer Mitarbeitenden. Nonprofit-Organisationen bewerten die organisatorischen Herausforderungen bei der Umsetzung von KI höher. Das grösste Anliegen der Agenturen ist die Motivation der Teams, sich mit dem Thema aktiv auseinanderzusetzen und zu lernen.
Inhalte erstellen und verteilen
Relevanz ist das Ticket zur Aufmerksamkeit der Stakeholder. Und ob etwas relevant ist, liegt im Auge des Betrachters. Das ist meine Meinung.
Outside-in statt inside-out
Meinen Kunden rate ich darum, ihr Umfeld zu beobachten und von der inside-out zur outside-in-Perspektive, also dem Blickwinkel der Anspruchsgruppen, zu wechseln. Der European Communication Monitor 2019 hat genau dieses Thema auch abgefragt und kommt zu einem ernüchternden Ergebnis:
In den meisten Unternehmen ist eine asymmetrische, von innen nach aussen gerichtete Perspektive nach wie vor vorherrschend.
Shared oder paid?
Bei der Frage jedoch, wie oft eine Abteilung oder Agentur mit bezahlten Inhalten arbeite, wendet sich das Blatt. 53.1% schalten gesponserte Posts auf Plattformen wie Facebook und LinkedIn. 36.2% arbeiten mit Google Adwords und 29% mit gesponserten Inhalten auf Newsplattformen. Das legt den Schluss nahe, dass unter „Paid Content“ klassische Werbemassnahmen verstanden werden, die zugunsten von Online eingebüsst haben. Wenig überraschend sind es Unternehmen und Agenturen, die mit bezahlten Inhalten arbeiten. Dass dieser Weg für Nonprofit-Organisationen immer wichtiger wird, zeigen die Antworten in diesem Beitrag zu den Erfahrungen, wie schweizer Non-Profit-Organisationen Social Media nutzen.
Owned Media, also Inhalte, die auf von Unternehmen selbst kontrollierten Plattformen veröffentlicht werden, sind meiner Meinung nach noch immer unterbewertet. Ich bin gespannt, wie sich die Sichtweise auf dieses Thema in den künftigen Befragungen verändern wird.
Rolle der Mitarbeiter
Bevorzugtes Netzwerk ist LinkedIn, gefolgt von Facebook und Twitter. Während sporadische User eher Facebook nutzen, bewegen sich die Social Media Activists lieber auf Twitter. Instagram nutzen doch 54% der Aktiven und immerhin 30.7% der sporadisch Aktiven im beruflichen und fachlichen Kontext.
European Communication Monitor auf 132 Seiten
Der European Communication Monitor wird jährlich von der EUPRERA, dem europaweiten Verband der Kommunikations und PR-Wissenschaftler sowie dem EACD als internationalem Verband der Kommunikationsdirektoren durchgeführt, oder?
Ja, das ist so, Supporter sind zudem Cision Insights and Fink & Fuchs. Geleitet wird die Umfrage von Prof. Dr. Ansgar Zerfass von der Uni Leipzig.