Welche Rolle spielen CEOs in der internen Kommunikation? In der Regel wird die Rolle von CEOs mit Fokus auf die externe Kommunikation diskutiert. Der jährliche Faktencheck von Perikom hilft ab. Der Fachverein für Personalmanagement und interne Kommunikation in der Schweiz, vertieft in seiner jährlichen Studie Fragen zum Innenleben von Unternehmen und Organisationen. 2019 war das Fazit dieser Schweizer Studie: “Transparenz nimmt künftig eine noch wichtigere Rolle in der internen CEO-Kommunikation ein.” Darum ging Forschungsteam im Folgejahr der Frage nach: “Was genau wird unter dem Begriff ‘Transparenz’ verstanden?”
Dr. Andreas Jäggi ist Geschäftsführer von Perikom, Hochschuldozent und Buchautor. Er hat mir meine Fragen zum Faktencheck beantwortet und die Resultate erklärt. Die Studie wurde gemeinsam mit der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich durchgeführt und durch zahlreiche Partnerorganisationen unterstützt.
Andreas Jäggi, das Thema im aktuellen Faktencheck ist die CEO-Kommunikation: Was ist genau darunter zu verstehen?
Damit ist die Kommunikation des/der CEO gemeint und im Kontext des Faktenchecks immer die CEO-Kommunikation zu den Mitarbeitenden. Über die externe Kommunikation des/der CEO wird ja schon ziemlich viel publiziert, insbesondere im Kontext von Reputation/Aktienkurs/Medienresonanz.
Wie eigenständig kommunizieren CEOs heute und welche Rolle spielt die Kommunikationsabteilung beziehungsweise der Chief Communication Officer CCO?
Selbstverständlich ist der CEO innerhalb der gesetzlichen Vorgaben (z.B. Ad-hoc-Kommunikation) frei in seiner Kommunikation. In vielen Unternehmen erarbeitet er jedoch zusammen mit seinem Kommunikationsteam ein Konzept zur CEO-Kommunikation. Darin steckt er den thematischen Rahmen und das Timing: Wann äussern sich der CEO und andere Vertreterinnen der Geschäftsleitung gegenüber welchen Stakeholdern? Zu welchen Themen sprechen sie und – fast noch wichtiger – zu welchen Themen nicht? Bezogen auf die interne Kommunikation werden konzeptuell häufig die Formate und Kanäle festgelegt. Dies geschieht auch im Sinn einer Allokation der knappen CEO-Ressource Zeit.
Eigentlich sollten CEO und CCO ein eingespieltes Team sein: Ist das in der Regel so und unter welchen Voraussetzungen gelingt das?
Viele CCOs grosser Unternehmen machen das gut. Sie sind mit dem CEO im ständigen Gespräch über dessen persönliche Kommunikation gegen innen und aussen. Dies setzt aber gegenseitiges Vertrauen und einen sehr engen Austausch voraus. Herausfordernder wird es, wenn sich CCOs zusätzlich mit externen Beratern abstimmen.
Im Faktencheck 2019 habt ihr die Wirkung des CEOs in der internen Kommunikation untersucht. Welche Instrumente stehen zur Verfügung, wie werden sie genutzt und gibt es einen Trend?
Unsere Untersuchung zeigt alle zur Verfügung stehenden Instrumente in den drei Hauptkanälen Face-to-face, Print und Online. Dies ist im folgenden Chart verdeutlicht:
Corona hat zwangsläufig die nach wie vor favorisierten Formen der CEO-Kommunikation gegenüber Mitarbeitenden verdrängt: die klassische Informationsveranstaltung und die Anwesenheit des CEO an Events. Übernommen haben Online-Formate, wobei die Videobotschaft besonders stark eingesetzt wurde.
In der jüngeren Vergangenheit war in Kommunikationskreisen der Social CEO ein grosses Thema. Was verstehst du darunter und gibt es ihn überhaupt in der Schweiz?
Mit Social CEO wird häufig die Vorstellung eines Geschäftsführers verbunden, der sich regelmässig auf sozialen Medien äussert und auch auf Posts und Fragen reagiert. In unserem Kontext wären das interne soziale Medien. In KMUs ist die Social-CEO sicherlich anzutreffen, nur gibt es hier keine mir bekannten Untersuchungen. Was jedoch die grossen Firmen anbelangt, ist der CEO, der auf internen Social Media verkehrt, die grosse Ausnahme. Hier ist zum Beispiel der CEO von Swissport International AG Station Zürich zu nennen, Bruno Stefani.
Die Social-Media-Zurückhaltung der CEOs bestätigt sich auch, wenn man untersucht, welche der CEOs der Perikom-Liste der 120 mitarbeiterstärksten Unternehmen der Schweiz ein mehr als rudimentäres LinkedIn-Profil aufweisen. Das ist klar die Minderheit. Als Grund für die Zurückhaltung wird oft angegeben, dass die Interaktion mit potenziell Tausenden von Mitarbeitenden zu ressourcenintensiv sei.
Im neusten Faktencheck habt ihr breit untersucht, was unter Transparenz im Zusammenhang mit der CEO-Kommunikation zu verstehen ist. Was sind die Befunde?
Beim Faktencheck 2019 stellte sich heraus, dass “Transparenz” das wesentliche Element ist, das Kommunikations- und HR-Verantwortliche als Voraussetzung für eine vertrauensbildende CEO-Kommunikation nennen. Da wir jedoch den Verdacht hatten, dass unter diesem ‘Modebegriff’ nicht alle dasselbe verstehen, führten wir mit je 10 Kommunikations- und HR-Verantwortlichen Tiefeninterviews durch.
Auf dieser Basis extrahierten wir drei Hauptkomponenten der Transparenz:
- Konsistenz und Klarheit
- Authentizität und Aufrichtigkeit
- Interaktion und Dialog
Diese Komponenten wurden dann wie folgt in mehrere Aspekte weiter differenziert. Anschliessend fragten wir die Kommunikations- und HR-Verantwortlichen der 120 mitarbeiterstärksten Unternehmen der Schweiz, wo sie hier die Schwerpunkte setzen.
Kannst du uns die Resultate und Befunde bitte erläutern?
Gerne, dafür helfen uns die folgenden drei Charts zu den Transparenz-Aspekten (zur Vergrösserung bitte anklicken)
Transparenz-Aspekt 1: Konsistenz und Klarheit
Dieser Aspekt hatte in der Umfrage den höchsten Durchschnittswert: 3.47 (auf Skala von 1-4).
Die Teilnehmenden verstehen unter Transparenz stark die Nachvollziehbarkeit von Entscheiden. Nachvollziehbar und verständlich zu kommunizieren sind demnach für Konsistenz und Klarheit am wichtigsten. Weniger wichtig ist den Befragten eine konsistente Haltung des CEOs.
Transparenz-Aspekt 2: Authentizität und Aufrichtigkeit
Mit einem Durchschnittswert von 3.43 knapp hinter Aspekt 1. Am meisten genannt: Aufrichtigkeit, also ob der CEO in der Wahrnehmung der Mitarbeitenden ehrlich ist.
“Der CEO ist aufrichtig in der Kommunikation” erfährt von den Teilnehmenden den höchsten Zuspruch überhaupt. Transparenz wird demnach also sehr ausgeprägt als Aufrichtigkeit verstanden. Interessant ist, dass es viel weniger darum geht, dass der CEO als nahbar empfunden wird.
Transparenz-Aspekt 3: Interaktion, Dialog, Mitarbeitende verstehen
Dieser Aspekt wurde als nicht ganz so wichtig erachtet, der Durchschnittswert liegt bei 3.09
In der Umfrage wurde kenntlich, dass Transparenz von den Teilnehmenden am wenigsten als Interaktion, Dialog, Mitarbeitende verstehen verstanden wird. Der persönliche Austausch oder Dialog, wie auch zu verstehen, was die Mitarbeitenden bewegt, hat gemäss der Umfrage demnach wenig mit Transparenz zu tun.
Mich hat es überrascht, dass der dritte Transparenz-Aspekt, nämlich “Interaktion, Dialog mit den Mitarbeitende verstehen”, als am wenigsten wichtig bewertet wurde. Teilst du diese Einschätzung?
Ich erkläre es mir durch die praktischen Erfahrungen vieler der Befragten, die Dialogveranstaltungen mit dem CEO anbieten, an denen schliesslich nur sehr wenige der Mitarbeitenden – und immer wieder dieselben – erscheinen. Das führt bei CEOs und Kommunikationsverantwortlichen zu Frustration, obwohl man es eigentlich als Zeichen interpretieren kann, dass die schweigende Mehrheit mit der Führungsarbeit einverstanden ist.
Gibt es Hindernisse für eine transparente interne CEO-Kommunikation?
Danach haben wir in der Umfrage explizit gefragt. Aber wenn die HR- und Kommunikationsverantwortlichen ehrlich geantwortet haben, dann steht einer offenen CEO-Kommunikation gemäss ihren Angaben wenig entgegen. Am ehesten noch wurde der Aussage zugestimmt, dass die Geheimhaltung wettbewerbsrelevanter Informationen oder der frühe Zeitpunkt in einem Projekt gegen eine Kommunikation sprechen.
Wie können oder müssen sich Kommunikationsabteilungen verstärken, um die transparente CEO-Kommunikation sicherzustellen?
Gute CEO-Kommunikation ist keine Frage der Technik oder Ressourcen, sondern eines Menschenbildes, das Empathie und Wertschätzung als wesentlich für menschliches Zusammenleben und -arbeiten voraussetzt. Das hat uns die Kommunikation in der Corona-Krise sehr schön vor Augen geführt. Dazu empfehle ich gerne meinen Beitrag auf LinkedIn: Beschleunigte Mitarbeiterkommunikation in Krisenzeiten.
Ich danke Andreas Jäggi für seine Vertiefung.
Wer ist Andreas Jäggi?
Andreas Jäggi ist selbständiger Kommunikationsberater. Er hat 25-jährige Berufserfahrung als Kommunikationsleiter grosser internationaler Unternehmen, als Berater und Projektleiter für Kunden im Bereich der Politik, Wirtschaft und Wissenschaft und als Dozent an Fachhochschulen. Er ist Herausgeber des 2007 im Verlag NZZ erschienenen Buchs “Interne Kommunikation in der Praxis” und er ist Geschäftsführer von Perikom, Fachverein für Personalmanagement und Interne Kommunikation.