Bevor Menschen zum Geldbeutel greifen, wollen sie Gewissheit haben, ihr gutes Werk an der richtigen Stelle zu tun. Grosse Dinge anzukündigen ist die eine Geschichte, den daraus resultierenden Erwartungen dann auch zu entsprechen, die andere. Ob wir das jemandem zutrauen, hängt von der Reputation ab. NPOs sind stetig gefordert, Mittel zu beschaffen: Was Fundraising ist, welche Instrumente es gibt und wie man die Mittelbeschaffung am besten anpackt, darüber haben wir mit Jörg Eisfeld-Reschke gesprochen. Er ist Gründer von ikosom, dem Institut für Kommunikation in sozialen Medien. Gemeinsam mit fünf Fundraising-Kollegen betreibt er das Mehrautorenblog sozialmarketing.de.
Herr Eisfeld-Reschke, was verstehen Sie unter Fundraising? Welches sind die Hauptaufgaben des Fundraisings und wo kann PR unterstützen?
Es gibt ja unterschiedliche Ansätze. Für manche bedeutet Fundraising nur das Sammeln von Geld für gemeinnützige Zwecke. In meinem Verständnis ist Fundraising allerdings breiter angelegt – es geht um alle Ressourcen, die zur Zielerreichung notwendig sind. Also auch freiwilliges Engagement, Wissen, Reichweite und so weiter. Das Social Web bietet da ein vielfältiges Unterstützungspotenzial. Fundraising bedeutet langfristigen Beziehungsaufbau zu den Unterstützern. Die wollen angemessen informiert und an die soziale Organisation gebunden werden. Im Grunde ist Fundraising also zielgerichtete Kommunikationsarbeit. Überschneidungen zur PR gibt es da viele.
Wird in Zeiten von wirtschaftlicher Anspannung überhaupt noch gespendet?
Die grossen Studien zum Spendenaufkommen in Deutschland sagen einheitlich, dass zwar die Gesamtsumme der Spenden steigt, jedoch die Anzahl der Spender abnimmt. Für viele Organisationen bedeutet das, dass sie ihre Bestandsspender gut pflegen und binden müssen. Was zunehmend schwieriger und teurer wird, ist die Gewinnung von Neuspendern. An diesem Punkt könnte das Social Web eine grosse Rolle spielen, denn hier können Interessierte an die Unterstützung herangeführt und gebunden werden. Nach dem ersten “Like” kommt die Beziehungsarbeit und wenn alles gut läuft, dann ist die Empfehlung an den persönlichen Bekanntenkreis nicht mehr fern. Und es lohnt sich – gemessen an der durchschnittlichen Höhe der Spenden ist Online-Fundraising mit ca. 60 Euro deutlich attraktiver als Lastschrift oder Bankeinzug, bei denen mit durchschnittlich 30 Euro Spendenhöhe gerechnet wird.
Gibt es Themenbereiche oder Projekte, die es aus Ihrer Sicht leichter haben, unterstützt zu werden?
Klassischerweise spenden die Deutschen am häufigsten für Kinder- und Behindertenhilfe sowie für Tier- und Naturschutz. Letztendlich hat aber jedes Projekt eine Chance, unterstützt und finanziert zu werden, wenn es gelingt, andere Menschen dafür zu begeistern und Leidenschaft auszulösen. Wer mit dem Fundraising beginnt, sollte folgenden Test machen: Sind Sie in der Lage, Ihre Freunde und Familie davon zu überzeugen, für das Projekt zu spenden?
Was haben die sozialen Medien am Fundraising verändert? Welche Chancen sehen Sie und wo sind die Grenzen?
Der grösste Teil des Spendenmarktes in Deutschland basiert auf klassischen Spendenformen wie Überweisung, Lastschrift und Bankeinzug. Doch immerhin jeder zehnte Bundesbürger spendet bereits online, und der Anteil der Online-Spender wächst kontinuierlich. Gleichzeitig werden die Dauerspender, auf die viele Organisationen angewiesen sind, immer älter und verringern sich auf natürlich Weise. Die langfristige Finanzierung ist nur durch die Gewinnung neuer junger Spender möglich. Die kommen aber mit anderen Erwartungen an Transparenz und Kommunikation auf die Organisationen zu. Das Fundraising muss heute schon in der Lage sein, das Social Web zu verstehen und einen Dialog auf Augenhöhe zu führen.
Können Sie uns einen Überblick über die wichtigsten Online-Fundraising-Instrumente geben?
Das primäre Online-Fundraising-Instrument sollte immer die eigene Website sein. Hier müssen alle zentralen Informationen zur Organisation dargestellt werden. Im Zweifelsfall gehört auch dazu, dass man sich bereits auf der Startseite die Kontoverbindung anschauen und auf einen Überweisungsträger schreiben kann. Auch das Spendenformular gehört zum Standard-Spenden-Sammeln der Organisationen. Einige sind dann auch schon so weit, dass sie ansprechende Spenden-Shops gestaltet haben. Da können Spender dann wie bei Amazon aus unterschiedlichen Produktspenden auswählen und einen Spenden-Einkaufskorb füllen.
Ausserhalb der eigenen Internetseite gibt es zahlreiche Online- Fundraising-Instrumente und noch mehr Dienstleister, die diese anbieten. Zu nennen wären da beispielsweise Spenden-Plattformen wie Betterplace und HelpDirect. Sie bilden die Basis für das Online-Fundraising vieler Organisationen, denn dort lassen sich innerhalb weniger Minuten Profile und Projektbedarfe einstellen. Die nächsteStufe bildet das Aktivisten-Fundraising, bei dem man Unterstützer zu Fundraisern macht. Hier kommt das Social Web richtig zum Tragen. Darüber hinaus gibt es beispielsweise auch Einkaufs-Plattformen, Crowdfunding, Widgets für soziale Netzwerke und mehr.
Was geben Sie unseren Lesern noch mit auf den Weg?
Der Beitrag des Online-Fundraisings zur übergreifenden Fundraising-Strategie einer Organisation sollte realistisch eingeschätzt werden. Aber Online-Fundraising ist für viele Fundraiser noch ein Buch mit sieben Siegeln. Es gibt so viele Instrumente, es besteht so grosse Dynamik und es kommen ständig neue Anbieter auf den Markt. Ich kann allen Organisationen nur raten, bereits heute Erfahrungen mit Fundraising im Social Web zu sammeln – sie werden sie schon bald brauchen.
Mehr zum Thema Nonprofit-Organisationen gibt es in einem eigenen Kapitel in der zweiten, überarbeiteten Auflage von PR im Social Web.