Der Kanton Aargau öffnet die Amtsstuben und macht sich auf ins Social Web. Neben YouTube und Flickr sucht der Kanton seit dem 1. März (vorerst in einer Pilotphase) via Facebook und Twitter die Nähe zu den Bürgerinnen und Bürgern. Wir sprachen mit Peter Buri, Regierungssprecher / Leiter Kommunikationsdienst des Regierungsrats für den Kanton Aargau.
Seit dem 1. März ist der Kanton Aargau in den sozialen Medien. Was genau ist geplant?
Der Regierungsrat hat im Oktober 2011 einen umfassenden Pilotversuch bewilligt, der unter dem Projetknamen A@rgau 2.0 läuft. Für diese erste Phase setzen wir die Schwerpunkte bei Facebook und Twitter; Youtube und Flickr werden unterstützend eingesetzt, um Webfilme und Fotos präsentieren oder bei Bedarf Bild- und Videobeiträge von Nutzerinnen und Nutzern einbeziehen zu können usw. Zusätzlich wurden sechs Pilotprojekte definiert, um möglichst viele Social-Media-Kommunikationsformen ausprobieren zu können, aber auch um zu sehen, wie zum Beispiel der Einbezug von verwaltungsferneren Institutionen funktioniert. Dazu gehören unter anderem ab Mitte März die Social-Media-Aktivitäten des Museums Aargau mit den Schlössern Lenzburg, Hallwyl, Wildegg und Habsburg oder dem Legionärspfad Vindonissa. Hier können wir Erfahrungen mit vom Publikum stark frequentierten Institutionen sammeln. Weitere Pilotprojekt-Themen sind: Social-Media-Recruiting, Videostreaming von Medienkonferenzen oder Jugendsportlager. In der Rubrik AGenda stellen wir jeden Tag eine nützliche und/oder attraktive Dienstleistung bzw. ein Angebot des Kantons vor und promoten sie via Facebook und Twitter.
Wenn man bisher eure Homepage besuchte, schwirrte einem als Besucher ob der Informationsflut der Kopf. Wo setzt ihr im Social Web inhaltlich Schwerpunkte?
Die Webseite wurde auf den 1. März 2012 in einem langwierigen, anspruchsvollen Prozess komplett neu gestaltet und weist nun eine einfache, übersichtliche und Benutzer- beziehungsweise Bedürfnis-orientierte Struktur auf. Die Webseite ist nach wie vor der Hauptkanal des Kantons Aargau für die digitale Kommunikation. Ergänzend dazu nutzen wir Social Media. Für den Pilotversuch haben wir eine Social-Media-Strategie entwickelt, die auf vier i-Säulen basiert: I wie
- Integration (Social Media wird komplementär eingesetzt und ist voll in die Gesamtkommunikation des Kantons integriert);
- Information (ergänzender Kanal für die Direktinformation der Bürgerinen und Bürgern oder Interessengruppen; Ausnutzung des Push-Prinzipes);
- Image (Social Media wird für PR- und Marketingzwecke verwendet);
- Interaktion (Erfahrungen in der dialogischen Kommunikation mit Bürgerinnen und Bürgern und Gruppierungen sammeln). Aus dieser 4-i-Strategie heraus werden die inhaltlichen Schwerpunkte gesetzt, zum Beispiel durch die erwähnten Pilotprojekte.
Tags sind das Salz in der Social Media-Suppe. Welche fünf Schlagwörter bringen den Kanton Aargau auf den Punkt?
Lebensqualität, Hightech, Mobilität, Vielfalt, Dynamik.
Welche konkreten Ziele habt ihr euch gesteckt und habt ihr schon Vorstellungen, wie ihr die Erreichung messen wollt?
In der ersten Phase des Pilotversuchs haben wir uns bewusst keine quantiativen Ziele gesetzt. Im Rahmen des Social-Media-Projektes A@rgau 2.0 wurden folgende Hauptziele definiert: Wir wollen einen neuen, innovativen und zukunftsträchtigen Kommunikationskanal erschliessen; Erfahrungen mit Social Media sammeln; die direkte Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern oder Interessengruppen ausbauen; die Identifikation der Bewohnerinnen und Bewohner mit dem Kanton Aargau stärken und sie für Wesen und Aufgaben des Staates sensibilisieren.
Weiter behalten wir das Issuemonitoring im Auge. Zudem wollen wir eruieren, wie sich Social Media als neuer, zusätzlicher Kanal für die Krisenkommunikation zum Beispiel im Falle einer Naturkatastrophe, eignen. Und wir haben es auch auf die jüngeren Stimmbürgerinnen und Stimmbürger abgesehen, die wir für die Teilnahme an der Kantonalpolitik motivieren wollen. Weiter geht es uns darum, das Aargau als als zukunftsgerichteten, offenen und modernen Kanton gegen aussen und gegen innenzu positionieren. Vor den Sommerferien erstellen wir einen ersten Zwischenbericht und ziehen im Herbst anhand eines Evaluationsberichts Punkt für Punkt Bilanz.
Der Kanton Aargau ist auf Facebook bereits mit einer Gruppe von über 8‘000 Personen aktiv. Wie geht ihr mit dem Wildwuchs um?
Dieser “Wildwuchs” ist genau einer der Punkte, weshalb wir nun mit einem offiziellen Account Kanton Aargau von Regierung und Staatsverwaltung in Erscheinung treten. Grundstätzlich ist es positiv, dass sich Bürgerinnen und Bürger oder Gruppierungen auf eigene Initiative mit dem Kanton Aargau in den Social Media auseinander setzen. Für die Öffentlichkeit muss jedoch klar sein, ob es sich um einen offiziellen, quasi “amtlichen” Auftritt oder um eine private Aktion handelt. Mit der Etablierung von eigenen, offiziellen Accounts kann man in diesem Punkt Klarheit schaffen. So lange die Betreiberinnen und Betreiber von andern Aargau-Accounts nicht den Eindruck erwecken, im Namen der Regierung bezeihungsweise des Kantons zu sprechen, sehen wir keinen Handlungsbedarf. Wichtig ist, dass die Nutzerinnen und Nutzer klar erkennen können, welches der offizielle Kantonsauftritt ist.
Bisher war klassische Informationsabeit eure Königsdisziplin, mit welchen Veränderungen rechnest du?
Wir stehen heute schon in einem Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern. Nur fand dieser bisher individuell statt. Neu wird es mit Social Media eine Art öffentlichen Dialog geben. Das bringt neue organisatorische, aber auch inhaltliche Herausforderungen mit sich. Weiter stehen die Kantone heute vermehrt in einem Standortwettbewerb mit anderen Kantonen und Regionen, ja sogar mit dem Ausland. Dadurch haben neben der klassischen Informations- und Kommunikationsarbeit PR- und Marketingaspekte stark an Bedeutung gewonnen. Social Media bieten gerade auf diesem Gebiet vielfältige Möglichkeiten, welche die herkömmlichen Kanäle nicht haben.
Durch die fundamentalen Verwerfungen in der Medienlandschaft (Digitalisierung der Kommunikation, Gratiskultur usw.) wird zudem der Direktkontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern immer wichtiger. Es wird immer schwiegriger via Tageszeitungen oder Informationssendungen von Radio und Fernsehen jüngere Stimmbürgerinnen und Stimmbürger anzusprechen. Auch hier können Social Media ergänzend genutzt werden.
Mittel- und längerfristig gewinnt E-Government weiter an Bedeutung, auch das E-Voting wird sicher einmal flächendeckend eingeführt werden. Social Media verfügen über ein hohes Mobilisierungspotenzial. Wenn dereinst die elektronische Stimmabgabe nur einen Klick von Facebook entfernt ist, werden Social Media in der politischen Kommunikation nochmals einen höheren Stellenwert erhalten.
Welche Argumente haben schliesslich die Ampeln für A@rgau 2.0 auf grün geschaltet?
In der politischen Kommunikation, das heisst in der Kommunikation der öffentlichen Hand, gibt es vergleichsweise wenig Erfahrungen im Umgang mit Social Media. Es gibt aber viele Fragezeichen oder Risiken Wie lassen sich Social-Media-Aktivitäten mit den institutionellen Prozessen wie z.B. Vernehmlassungsverfahren vereinbaren? Welche Relevanz haben Sie? Wie geht man um mit den Themen Datenschutz und Datensicherheit. Wie steuert man einem allfälligen Produktivitätsverlust bei den Mitarbeitenden entgegen? Wie lässt sich eine einheitliche Kommunikation sicherstellen? Auf der andern Seite gibt es auch sehr viele Chancen. Im Strategieprozess und in der Diskussion mit der Regierung zeigte es sich, dass sich eine seriöse Abwägung der Vor- und Nachteile sowie der Risiken und Chancen nur im praktischen Versuch vornehmen lässt. Aus diesem Grund wurde der Pilot genehmigt. Es ist verständlich, dass Regierungsmitglieder oder Führungsleute einer Staatsverwaltung Social Media mit einer gesunden Portion Skepsis und Zurückhaltung begegnen. Wir sind aber überzeugt, durch den Pilotversuch viele Antworten zu bekommen und vor allem auch die positiven Seiten und Chancen aufzeigen zu können.
Wie ist das Projektteam zusammengestellt und nach welchen Kriterien hast du es ausgewählt?
In einem ersten Schritt haben wir die Themenfelder definiert, die im Rahmen des Projektes bearbeitet werden mussten. In einem zweiten Schritt haben wir diese Themenfelder Teilprojekten zugeordnet: Zum Beispiel “Fachkonzept & Betrieb”, “Technologie & IT”, “Kommunikation & Ausbildung” oder “Policy & Rechtliches”. Dann haben wir Kolleginnen und Kollegen aus den verschiedenen Departementen und Diensten rekrutiert, die mit ihrem Know-how, Wissen und Kompetenzen die Bedürfnisse der jeweiligen Projektgruppen abdecken konnten. Schwerpunktmässig wird das Projekt von den Kolleginnen und Kollegen der Kommunikationsabteilungen von Departementen und Staatskanzlei getragen. Wichtig und hilfreich war und ist auch die Unterstützung durch unsere Beratungs- und Realisierungspartner, der Fachstelle Social Media Management der HWZ mit Manuel P. Nappo und der Internet-Agentur Centralway mit Christina Rogge. Der Ansatz, Beratung, Konzeption, Programmierung und Umsetzung nach dem GU-Prinzip zu vergeben, hat sich als richtig herausgestellt.
Der Kanton Aargau beschäftigt rund 4‘500 Personen. Wie geht ihr mit der internen Kommunikation in Bezug auf den Umgang mit den sozialen Medien um? Sind die Zugänge zu sozialen Medien am Arbeitsplatz offen?
Im Zuge der Pilotphase werden die Zugänge zu Facebook, Twitter, Flickr usw. Mitte März für die geschäftliche Nutzung geöffnet. Im grossen Ganzen gilt die gleiche Nutzungspolitik wie bei der Internetznutzung. Für die spezifischen Social-Media-Aspekte wurde ein Merkblatt kreiert, das konzis die wichtigsten Regeln, Fallen und Besonderheiten behandelt. Bei den Social-Media-Aktivitäten der öffentlichen Hand spielt insbesondere die Klärung der Rollenfrage eine sehr grosse Rolle: Poste oder twittere ich jetzt als Privat- oder Amtsperson. Das Merkblatt ist als konstruktive Gebrauchsanweisung für den Umgang mit Social Media konzipiert.
Du bist der Regierungssprecher. Wer spricht in den sozialen Medien noch ausser dir?
In der Pilotphase sind es die Kolleginnen und Kollegen von den Kommunikationsdiensten der Departemente und der Staatskanzlei, die im Namen und unter dem Logo des Kantons offiziell kommunizieren. Wenn weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter ihrem privaten Account auf den offiziellen Seiten des Kantons aktiv sind, muss die Rollenfrage geklärt sein. Generell gilt für die Social-Media-Kommunikation: Wir pflegen mit unserer Kundinnen und Kunden via Facebook, Twitter, Youtube usw. den gleichen Umgang wie per Brief, Mail, Fax, Telefon usw.. Es gelten auch die gleichen Regeln bezüglich Tonalität, Stil, Vertraulichkeit oder politischer Sensibilität. Umso mehr als dass es sich ja hier um einen Dialog handelt, der im öffentlichen Raum stattfindet.
Ich danke dir für dieses Gespräch, wünsche euch einen erfolgreichen Start und viele gute Begegnungen und Gespräche im Social Web.