Wenn ein Kunde eine Agentur aufsucht, dann will er meist eines: Eine Pressemitteilung verbreiten und besser heute als morgen in den auflagenstärksten Medien erscheinen. Es ist auch ganz normal, dem Kunden erst ein paar grundsätzliche und konzeptionelle Fragen zu stellen und herauszufinden, dass die erste Massnahme nicht ein Aussand ist, sondern dass erst noch Hausaufgaben anstehen. Diese Abläufe haben sich eingespielt.
Mit dem Corporate Blog verhält es sich gleich. Zugegeben, es ist eine verlockende Idee – ohne die Hürde von Gatekeepern nehmen zu müssen – sich mit wenigen Clicks im World Wide Web zu präsentieren. Die Ideen für die erste Ausgabe des Blogs sind meist auch schnell geboren. Ja: Unternehmen sollen im vormedialen Raum präsent sein. Und ja, ein Blog, als Teil des Corporate Publishings, lässt gemäss @Storymaker “eine komplette Kontrolle über Inhalt und Gestaltung” zu, ist überdies (abgesehen von den Personalkosten) relativ kostengünstig zu realisieren. Mit einem eigenen Blog erzeugen Unternehmen einen dauernden Informationsfluss. Sie nehmen die Chance wahr, auf Augenhöhe mit den Bloggern (und deren Umfeld) zu kommunizieren und die Blogosphäre ein Stück weit zu prägen.
Ein Blog ist aber auch ein Angebot zum Gespräch, das auf einer Vertrauensbasis beruht. Damit diese Basis tragfähig wird und bleibt, bedarf es einer regelmässigen Pflege. Es liegt also nahe, vor dem Entscheid für den Blog und dem Griff in die Tasten einige Fragen sorgfältig zu klären:
- Wofür schreiben wir einen Blog? Wen wollen wir konkret ansprechen, wie sieht meine Bezugsgruppe aus? Hier hilft es, sich diese Menschen als ganz konkrete Wesen vorzustellen. Welche Art von Beziehung wollen wir aufbauen und für welche Inhalte und Ansprache sind unsere Leser bereit? Was wollen wir mit dem Blog erreichen?
- Welche Art von Blog schreiben wir? Im Geschäftsbereich gibt es verschiedene Anwendungsfelder. Grob unterscheiden lassen sich beispielsweise der CEO-Blog, der PR-Blog, der Mitarbeiter-Blog, der Campaigning-Blog und der Produktblog. Je nach Typus werden Information, Persuasion oder Argumentation anders gewichtet. Am häufigsten sind Themenblogs, denn sie erlauben ein redaktionelles Konzept und bieten die Sicherheit, dass genügend Stoff für die notwendige regelmässige Aktualisierung zur Verfügung steht. Es kann vermutet werden, dass je nach Kommunikationssituation – zum Beispiel in einer Krise – ein Corporate Weblog seinen Charakter ändert. Eine solche Strategie der phasenweisen Konzeptänderung erscheint sinnvoll. Unternehmen nutzen einen von ihnen bereits etablierten Kommunikationskanal, der im Idealfall bereits einen Teil seiner Stakeholder vernetzt hat.
- Sind wir offen für den Dialog? Wenn sich ein Unternehmen in die Blogsphäre begibt, muss es sich den Gepflogenheiten und Erwartungen der Netzöffentlichkeit anpassen. Dies bedeutet insbesondere, dass es in seinem Blog eine Kommentarfunktion und damit den Dialog zulässt, Blogs ohne Kommentarfunktion würden von der Community erst gar nicht akzeptiert. Wie behandeln wir Kommentare – können wir mit Kritik umgehen?
- Wer schreibt den Blog? Wer gibt die Texte frei? Verfasst werden können solche Blogs von einzelnen Mitarbeitern, entweder aus der Kommunikationsabteilung oder aus Fachabteilungen. Letztere schreiben insbesondere bei Themenblogs mit und können dafür von Mitarbeitern aus der Kommunikation gecoacht werden. Auch Mitglieder der Geschäftsleitung können Blogposts schreiben (CEO-Blog). Dann gilt aber: “Was drauf steht, muss auch drin sein” – Ghostwriting ist verpönt. Denkbar ist auch ein Autorenteam, was den Blog etwas breiter abstützt und auch allfälligen Kapazitätsengpässen entgegenwirkt. Muss ein Blogpost über mehrere Hierarchiestufen abgesegnet werden, verliert er nicht nur an Authentizität, sondern an Flexibilität. Die Blogschreiber müssen über die Kompetenz verfügen, auch mal kurzfristig einen Beitrag zu publizieren. Grundsätzlich gilt: Es bloggt nicht das Unternehmen, sondern die Menschen.
- Wie gestalten wir die Distribution? Die Kommunikation über den Blog muss in die Gesamtkommunikation und in die crossmediale Strategie eingebettet werden. Hierfür können die Erfahrungen aus der Promotion der eigenen Website genutzt werden. Es sei hier einzig noch Twitter erwähnt, der sich hervorragend eignet, um neue Posts anzukünden. Die Kunst liegt hier darin, das Thema auf ca. 80 Zeichen anzuteasern. Warum nicht mit der vollen Zeichenzahl von 140? Die Meldung muss nicht nur einen (via Bit.ly oder tinyurl verkürzten) Link enthalten, sondern genügend Platz für den Retweet (RT) durch andere Twitterer bieten.
Blogs gehören zum Corporate Publishing und sie verfolgen die gleichen Ziele, wie alle anderen Unternehmensmedien auch: Erhöhung der Glaubwürdigkeit, Vermitteln von Informationen mit Nutzwert, Aufbau und Pflege des Unternehmensimages, Stärkung der Zielgruppenbindung, Steigerung der Produktnachfrage und natürlich den Aufbau des Dialogs. Nirgendwo sonst im Corporate Publishing wie mit einem Blog können eine solche inhaltliche Intensität und ein Dialog hergestellt werden. Ziel ist es mit einem Blog nicht möglichst viele, sondern genau die richtigen Leser anzusprechen. Eine grosse Reichweite ist kaum realistisch. Wenn aber jene 50 Personen, welche den Blog lesen, die für das Unternehmen relevanten sind, dann hat er seinen Zweck erfüllt. Und so verhält es sich auch in der Medienarbeit: Besser ein Beitrag in einem kleineren Medium, das geographisch oder thematisch nah am Unternehmen ist, wie in einer auflagenstarken Zeitung zu verschwinden.
Erst wenn alle Fragen sorgfältig geklärt sind und sichergestellt ist, dass dem Blog im Arbeitsalltag genügend Raum eingeräumt wird, hat er Chancen zu dem zu werden, was er sein soll: Zu einem ernsthaften und andauernden Gesprächsangebot und zur Chance für das Unternehmen, den vormedialen Raum mit zu prägen.
Der Aufbau eines Blogs ist langfristig angelegte Knochenarbeit, die viel Geduld, Beharrlichkeit und Bereitschaft zum Dialog verlangt. Ist ein Unternehmen (noch nicht) so weit, soll es vom Blog absehen. Denn “Ich blogge, also bin ich” gilt nur für Menschen, die in diesem Medium aufgehen und mit Überzeugung dabei sind. So authentisch und frisch wie Kirstin Walther vom Walther-Saftblog, der ich an dieser Stelle herzlich zum vierjährigen Blog-Jubiläum gratuliere.
Für diesen Post habe ich mich auf folgende Quellen gestützt: Workshop von Ivo Hajnal bei der ZPRG und Thomas Pleil