Am Digital Media & Marketing-Summit umschrieb Marvin Roemer von Jack Wolfskin das Phänomen der schwarzen Schwäne: „Wer alle Szenarien durchspielt, ist für das entscheidende Szenario nicht gewappnet“. Damit legte er den Teppich für seinen Nachredner wunderbar aus. André Kauselmann von ING-DiBa rollte den Wurstkrieg auf; was sich bei ING-DiBa zu Jahresbeginn auf Facebook abspielte, hätte sich zuvor wohl auch der beste Krisenstratege nicht einmal im Traum vorstellen können.
Am Anfang war noch gute Laune im Werbespot mit Dirk Nowitzki in der Metzgerei seiner Kindheit. Auch als Erwachsener bekommt er hier noch eine Scheibe Wurst. Auf die Frage: „Was hammer früher mal gsagt?“ antwortet er „Damit du gross und stark wirst“, was mit gut gelauntem Gelächter quittiert wird. Der Spot wurde auch auf Facebook gezeigt, aber einigen Menschen verging dabei das Lachen.
Am 2. Januar 2012 begannen die Diskussionen und die Empörung der Veganer richtete sich gegen den Werbespot. Dann ging es Schlag auf Schlag, André Kauselmann hat mir freundlicherweise die Folie zur Entwicklung des Wurstkriegs überlassen. Dass es den Verantwortlichen in der heissen Phase nicht nach „DiBa DiBaDu“ zu Mute war, liegt auf der Hand. Nach dem Sturm setzten sie sich an den Tisch und analysierten, was geschehen war, André Kauselmann hat in Hamburg diese Learnings geteilt.
Facebook-Seite: Der Sturm tobte während der Woche
Insgesamt wurden vom 1. bis 20. Januar 1’506 Pinnwandbeiträge abgesetzt. Diesen folgten 15’951 Kommentare, was durchschnittlich 10.5 Kommentaren pro Beitrag entspricht (siehe Grafik). Auffällig sind bei diesen Kommentaren auf Beiträge von anderen Nutzern zwei Spitzen, nämlich der 4. Januar (ca. 1’600 Kommentare) und der 9. Januar (ca. 2’200 Kommentare). Pikant daran: Der 4. Januar war ein Mittwoch und der 9. Januar ein Montag. Wer bisher gedacht hatte, dass Shitstorms nur am Wochenende toben, sieht sich hier eines Besseren belehrt.
Ein Stakeholder ist ein Stakeholder ist ein Stakeholder
Die Verantwortlichen haben die Stakeholder genau analysiert und daraus abgeleitet, wo die Haupt-Konfliktlinie durch lief. Grob gesehen waren drei Gruppen unterwegs: die Moderatoren, wobei dies nicht nur ING-DiBa einschliesst, sondern auch „Moderate Dritte“. Das war zwar in Personen gerechnet eine hohe Zahl, diese setzten jedoch meist nur ein bis zwei Postings ab, was im Gesamtsturm unter ging. Letztlich waren es dann die „Aggressiven Omnivoren“ aus der Gruppe der Fleischesser, die sich mit den „Militanten Veganern“ aus der Gruppe der Fleischverweigerer in den Haaren lagen. Die detaillierte Stakeholder-Übersicht (Abbildung rechts) soll uns ins Bewusstsein rufen, wie vielschichtig die Menschen sind, die sich auf Facebook und anderen sozialen Medien bewegen.
ING-DiBa schaltete sich nicht nur mit Postings ein
Bereits am 5. Januar, also am Tag nach der ersten Kommentarspitze, schaltete sich ING-DiBa mit einem Welcome-Tab prominent ins Geschehen ein. Die Diskussionsteilnehmer wurden begrüsst, jedoch zu Fairness und Transparenz gemahnt: „Menschlich agieren, nicht unternehmerisch“ lag der Kommunikation zugrunde. Dies löste etliche positive Reaktionen aus. Dazu André Kauselmann im Referat: „ING-DiBa sah sich lange Zeit als cooler Gastgeber, der irgendwann mal die Party-Gäste wieder nach Hause geschickt hat. Der Abschlusspost dazu lag mehrere Tage in der Schublade“, es ging also darum, den richtigen Zeitpunkt abzuwarten. Damit wurden die Verantwortlichen auch der 90-9-1-Regel gerecht: „Der Deckel war auch gedacht als Resonanzboden für die schweigende Mehrheit.“
Und das hat ING-DiBa aus dem Shitstorm gelernt
Für sich selber hat ING-DiBa die folgenden Erkenntnisse festgemacht und zwischen jeder einzelnen Zeile steht für mich das Eine: Wissen ist eines, Umsetzen was anderes, es ist die Erfahrung, die zählt!
- Entspannt bleiben.
- In jeder Krise liegt eine Chance.
- Menschlich agieren, nicht unternehmerisch.
- Internes Know-how zum Thema Social Media und Krise ist Gold wert.
- Last, but not least: Über Social Media Shitstorms wird derzeit sehr viel geschrieben und gesprochen – intern sowie extern.
Egal, wie wir das Kind nun nennen, ob Shitstorm, Eskalationsszenario oder Kommunikationskrise: Wir müssen immer damit rechnen, dass solche Geschichten auch in die klassischen Massenmedien rüber schwappen. Auch ING-DiBa wurde mit Berichten, teils in internationalen, Massenmedien bedacht. Daraus lernen wir, dass wir auch weiterhin die Medienarbeit nicht vernachlässigen dürfen, auch wenn sie angesichts des Reizes der sozialen Medien und des veränderten Medienkonsums etwas ins Hintertreffen geraten ist.
Und noch ein kleiner Nachtrag aus Twitter zur Frage nach den Ressourcen. Für alle Twitter-Newbies zeigt dieser Austausch, dass auf Twitter tatsächlich Gespräche möglich sind.
Ein Kommentar zu “ING-DiBa nach dem Shitstorm: Learnings aus dem Wurstkrieg bei Facebook”