Nach Podcast, Vodcast kommt jetzt der Blogcast: Was ist das und macht das Sinn?

Blogcast Vodcast Podcast Voice Hörtext AudioSie hören vermutlich ab und zu Podcasts, und von Vodcasts haben Sie sicher auch schon gehört. Doch wissen Sie, was ein Blogcast ist? Für mich war der Begriff zunächst neu, die Erklärung ist aber denkbar einfach: Ein Blogcast ist vorgelesener Blogcontent und damit eine vertonte Fassung eines Blogbeitrags. Damit erreichen Blogs ihre Leserinnen auch übers Ohr und leisten zudem einen Beitrag zur Barrierefreiheit. Das Vorlesen und Hosting der Audiofiles übernehmen Dienstleister wie Narando. Das klingt verlockend einfach, aber macht das auch Sinn? Was sind die Voraussetzungen für den Erfolg?

#SuCoLa19 Super Communication Land Hamburg Avatar Marie-Christine SchindlerFür mich haben sich gleich einige Fragen aufgetan zu Sprache, Voice SEO und Akzeptanz von Blogcasts. Darum habe ich in meiner Session am #SuCoLa19 die Gelegenheit genutzt, das Thema nach einer kurzen Einführung mit Kolleginnen und Kollegen zu diskutieren. Im Super Communication Land teilen PR-Schaffende und Marketer ihr Wissen, tauschen Erfahrungen aus und diskutieren Trendthemen. Es fand dieses Jahr zum ersten Mal in der Box in Hamburg statt, organisiert hat das Event news aktuell. Was ich besonders nett fand: Referentinnen wurden einem eigenen Avatar kenntlich gemacht. :-)

Vom Podcast zum Blogcast

Bevor wir in meiner Session das Thema vertieft haben, war es mir wichtig, ein einheitliches Verständnis zu den verschiedenen Begriffen schaffen.

Der Podcast ist ein Kofferwort, das sich zusammensetzt aus POD, was für Play on Demand steht, und Cast, gekürzt aus Broadcast, auf deutsch Übertragung. Genau wie beim Blog gibt es klare Kriterien, die einen Podcast ausmachen:

Blogcast Podcast Vodcast Schaubild Infografik mcschindler.com

  1. Mediendateien: Die Inhalte werden entweder über Audio oder Video ausgespielt. Bei Videos ist auch der Begriff Vodcast, Videoblog oder Vlog gebräuchlich.
  2. Frequenz: Podcasts erscheinen in einer gewissen Regelmässigkeit, darin sollten sie einem Blog in nichts nachstehen. Das bedeutet, dass die Episoden einen wiedererkennbaren Aufbau haben. Eine regelmässige Erscheinungsweise trägt nicht nur zur Vertrauensbildung bei, sondern wirkt sich positiv auf die Suchmaschinenoptimierung aus.
  3. Abonnierbar: Ein Podcast muss mit einem RSS-Feed ausgestattet sein, damit er abonniert werden kann. Gängige Streamingplattformen sind Soundcloud, Spotify, iTunes und seit nicht allzu langer Zeit Google Podcast. Für Hosting und Verbreitung gibt es Dienstleister wie zum Beispiel Audioboom.

Wird der Inhalt eines Blogs vorgelesen, dann ist das nichts anderes als ein Audio-Duplikat von bereits vorhandenem Content – und fertig ist der Blogcast. Doch wie gesagt, ganz so einfach ist die Sache nicht. Zumindest sehe ich das so.

Ich trage schon lange ein Bild in mir herum und mir scheint, dass Buschs letzter Streich von Max & Moritz nie passender war als heute:

Kommt es gut, wenn man als Unternehmen den gleichen Content durch einen Trichter lässt und in verschiedene Kanäle ausstreut? Wird das so “gefressen”? Selbst ein einfaches Beispiel wie der Blogcast zeigt, dass was zunächst als naheliegende Lösung erscheint, in der Ausgestaltung nicht ganz so einfach ist.

Die Stimme muss passen

Zentral, und das hat auch die Diskussion am #SuCoLa19 gezeigt, ist die Stimme. Stimmen können nerven und zwar so sehr, dass die Übertragung eines Beitrags abgebrochen wird, auch wenn der Inhalt doch eigentlich interessieren würde. Computerstimmen, die kostengünstig Text-to-Speech generieren, sind ein No Go. Ich gehe allerdings davon aus, dass wir bis in ein bis zwei Jahren – ähnlich wie bei der Manipulation von Bildern mit Hilfe von künstlicher Intelligenz – schon nicht mehr zwischen echten und künstlichen Stimmen werden unterscheiden können. Stand heute ist jedoch, dass natürliche Stimmen, also echte Menschen, die vorlesen, ein Muss sind, weil sie durch ihre Aussprache und Betonung Aussagen verdeutlichen und Emotionen transportieren können.

Hier gibt es Varianten: Entweder man bucht geeignete und geschulte Sprecher durch Anbieter wie Narando. Dies tut Gunther Dueck, ist so unter anderem auf Spotify erreichbar und die Daimler-Blogbeiträge lassen sich bequem auf Autofahrten oder sonst wo hören. Hier übernimmt der Anbieter nicht nur die Aufzeichnung, sondern auch gleich das Hosting des Beitrags.

Spannend war für mich übrigens zu erfahren, dass Hörerinnen direkt bei Narando nach interessanten Inhalten stöbern.

Dann gibt es auch den eher “hausgemachten” Weg, wie das zum Beispiel die Republik macht: Hier lesen Autorinnen und Autoren ihre eigenen Beiträge vor. Sie wissen selbst, wie sie die Dramaturgie im Text aufgebaut haben und worauf sie Gewicht legen. Mit ihrer eigenen Stimme wissen sie nicht nur zu betonen, was für sie wichtig ist, sie stellen auch eine engere Bindung zur ihrer Leserschaft her.

Wer soll überhaupt lesen, wenn nicht die Autorinnen selbst? Wann ist eher eine Männerstimme und wann eher eine Frau gefragt? Verfangen jüngere Stimmen mehr als reifere? Können nur reine, geschulte Stimmen bei den Hörern ankommen oder führen gerade ein Mangel an Perfektion und dadurch mehr Charakter und zu mehr Authentizität?

Im Zusammenhang mit Voice wird bereits das Thema Gender und Diversität diskutiert. Stimmen verraten nicht nur unheimlich viel über die Sprecherin, sie können je nach Person, die liest, einen Text auch massgeblich prägen. Dieses Thema dürfte auch vor den Blogcasts nicht Halt machen.

Ein Blogbeitrag ist kein Hörtext!

Die wenigsten Texte werden fürs Ohr geschrieben, ich würde sogar behaupten, dass das bei Blogbeiträgen so gut wie nie der Fall ist. Die Beiträge enthalten in der Regel Fremdwörter, Nominalkonstruktionen und Schachtelsätze. Im Übermass tun sie zwar auch diesen Texten nicht gut. Wir sind da als Leser aber toleranter, weil wohl geübter. Zudem können wir Passagen, die wir noch nicht so richtig verstanden haben, jederzeit nochmals nachlesen – wie oft haben Sie schon einen Podcast zurückgescrollt, weil Sie etwas nicht verstanden haben?

Wenn Sie einen Text fürs Ohr schreiben, dann ist das ein ganz anderes Handwerk. Ich habe während meiner Ausbildung zur PR-Redaktorin auch gelernt Hörtexte zu schreiben. Trainiert hat uns ein Radiomoderator und er war in seinem Urteil schonungslos. Wenn Sie einen Hörtext schreiben, sollten Sie Folgendes beachten:

  • Bilden Sie einfache und kurze Sätze. Gerade wenn Sie vom geschriebenen Text in Standarddeutsch ins gesprochene Wort – womöglich in Mundart – übersetzen, werden Umstellungen im Satzbau notwendig sein.
  • Arbeiten Sie mit gut verständlichen Wörtern, wiederholen Sie wichtige Begriffe.
  • Nutzen Sie für Fremdwörter und Abkürzungen sprachliche Varianten.
  • Vorsicht mit Zahlen: 66.5% überfordern, unter “zwei Drittel” kann sich jeder was vorstellen. Arbeiten Sie also gerade bei abstrakten Inhalten wie Zahlen mit Bildern und Vergleichen.
  • Was für den geschriebenen Text gilt, sollte auch für den Hörtext tabu sein: passive Formulierungen.

Das Fortbildungszentrum Hörfunk der DW-Akademie Deutsche Welle hat dazu übrigens eine gute Anleitung zum Schreiben fürs Radio (pdf) geschrieben.

Und jetzt stellen Sie sich vor, Sie lesen einen Blogbeitrag vor. Sie bieten damit zwar Ihren Leserinnen einen Service, Ihrem Text aber erweisen Sie einen Bärendienst. Ihre Leserschaft kann sich dank Audio so ganz nebenbei noch mit anderen Dingen beschäftigen wie Autofahren, Hemden bügeln oder den Hund Gassi führen. Sie können sich denken, dass hier die Aufmerksamkeit leidet. Und zwar nicht zu knapp.

Zudem können Sie Texte mit Textdesign – also mit Zwischentiteln, Aufzählungen und fetten Auszeichnungen  – so gestalten, dass sie auch gescannt werden können. Mit dem Hörtext begeben Sie sich in eine komplett lineare Form. Selbst wenn Sie im Blogcast Sprungmarken setzen: Wer wird schon am Steuer weiterspringen, wenn er sich doch auf die Strasse konzentrieren muss?

Ach ja, und wenn Sie in Ihrem Text noch mit erklärenden Schaubildern gearbeitet haben, dann wird’s mit dem Vorlesen vollends schwierig. Naheliegend ist auch, dass Sie Beiträge, in denen Sie beispielsweise Anleitungen zur Programmierung von Code oder die Anwendung einer Kamera geben, kaum vorlesen werden.

Voice ist Trumpf

Die Prognose ist, dass bis 2020 die Hälfte aller Suchanfragen über die gesprochene Sprache erfolgen werden. Der Screen als Maske für die Eingabe von Suchanfragen wird dann immer weniger wichtig, weil Alexa, Google Home, Homepod und Co. von überall aufgerufen werden können und ihre Antworten folgerichtig auch in gesprochener Sprache zurückgeben. Dieses Szenario ist gar nicht mehr so weit weg.

Wenn für Onliner das gesprochene Wort immer wichtiger wird: Erhöht das den Druck auf Unternehmen, auch mit Audioinhalten auf den Informationsmarkt zu kommen? Fakt ist, dass Podcasts sich im Moment wieder im Aufwärtstrend befinden, wie die Zahlen von Statista zeigen. Immer mehr Deutsche hören Podcasts und greifen dazu mehrheitlich mobil über das Smartphone zu.

Wenn sie dafür Mainstream-Dienste wie Spotify oder iTunes nutzen, gehen sie dahin, wo ihr Publikum schon ist. Und zwar nicht nur bezogen auf das bevorzugte Format, sondern auch gleich auf die richtigen Plattformen. Dienstleister helfen bei der Distribution.

Ich empfehle deshalb Unternehmen, die Option von Audiobeiträgen via Podcasts zu prüfen, bezweifle aber, dass ein vorgelesener Blogbeitrag einen wirklichen Mehrwert bringt. Mein Publikum am #SuCoLa19 war da anderer Meinung. Ich lasse mich also gerne eines Besseren belehren und werde mir direkt auf Narando den einen oder anderen Beitrag anhören und das Thema definitiv weiter verfolgen.

Wie sehen Sie das? Haben Sie Lust, mit dem Format Blogcast zu experimentieren? Denken Sie, dass es dafür einen Markt gibt?

Leseempfehlung: Annett Bergk, die ebenfalls in in der #SuCoLa19-Runde dabei war, hat sich dem Thema Blogcast aus technischer Perspektive angenommen. In ihrem Beitrag teilt sie wertvolle Tipps zu Dienstleistern und Anwendungen.

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4 Kommentare zu “Nach Podcast, Vodcast kommt jetzt der Blogcast: Was ist das und macht das Sinn?

    1. Vielen Dank für diesen Link, der zu meinem allersten Besuch im Blog von Neofonie geführt hat. Das Thema entdeckt habe ich in einem Beitrag bei W&V, der auch von Ihnen verfasst wurde, wie ich eben festgestellt habe. Ich habe es dann im #SuCoLa als Wunsch platziert. Dieser Blog-Beitrag ist aus der dortigen Diskussion enststanden. Gut, wenn wir hier Ihre Perspektive ebenfalls einbringen. Wir haben uns ganz offensichtlich zu ähnlichen, aber auch naheliegenden, Fragen Gedanken gemacht. Dass Sie den Blogcast entwickelt haben, war mir bis heute nicht klar, danke darum auch für diesen Hinweis.

  1. Liebe Marie-Christine, spannender Beitrag. Ich erlebe es gerade bei mir als Pendler, wenn es um den Konsum von Beiträgen geht. Für mich steht das Thema im Mittelpunkt und mein Moment, wie ich den Inhalt konsumieren kann und will. Ist der Inhalt relevant und gut gemacht, habe ich vielleicht schon eine einseitige Beziehung zum Publisher, dann höre (mit Betonung auf höre) ich mir sogar Youtube-Videos während der Autofahrt an. Das würde ich auch mit Blogcasts tun. Das Video blende ich aus, in dem ich mit einem Daumenwisch von oben nach unten die Mitteilungszentrale meines Mobiles nutze. So sind auch Youtube-Beiträge meine Podcasts für unterwegs. Ich glaube, dass nebst Relevanz und Professionalität der Inhalte, das Einsatzgebiet des Nutzers im Vordergrund steht. Bin gespannt, wohin sich die Nutzung entwickeln wird. Lieber Gruss, Timo

    1. YouTube nur zu hören ist ein interessanter Approach und eröffnet nochmals neue Möglichkeiten. Jetzt wo du das schreibst erinnere ich mich, dass ich kürzlich eine SRF Dok auch einfach nur gehört habe. Das könnte also durchaus Schule machen. :-)

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