Newsroom der niederländischen Polizei: Ein Hub für gesellschaftsrelevante Themensetzung und starkes Community-Management

Der Corporate Newsroom der niederländischen Polizei sitzt im Herzen der Organisation, denn er ist gleichzeitig der Hub für zehn regionale Newsrooms. Gegen 80 % der Inhalte, die am Sitz in Den Haag produziert werden, sind geplant, lediglich ein Fünftel ist ad hoc-Content. Ein für eine Blaulicht-Organisation überraschender Wert, finde ich.

Ihre ‘Licence to Operate’ erhält die ‘Dutch Police’, wenn sie beweist, dass sie ‘connected’ ist. Der Weg dazu führt über ein starkes Listening: So gelingt es, Themen aufzugreifen, welche die Gesellschaft bewegen. Zudem betreibt die niederländische Polizei mit über 2’400 Social-Media-Kanälen ein starkes Community-Management.

Newsroom der niederländischen Polizei. Bildplatte des Dutch Police Newsrooms mit den verschiedenen Rollen und Prozessen.
Bildplatte des Newsrooms der niederländischen Polizei (von mcschindler.com übersetzt).

Initiator Marco Leeuwerink, Koordinator Newsroom & Digitalisierung, hat mir den Corporate Newsroom der niederländischen Polizei vorgestellt. 

Fakten zur niederländischen Polizei

Die niederländische Polizei besteht aus 10 regionalen Einheiten, der Zentraleinheit und dem Zentrum für Polizeidienste. 

Drei Viertel der insgesamt 65’000 Mitarbeitenden sind vereidigte Polizistinnen und Polizisten. 5’000 arbeiten im ‘Community Policing’, entweder in den sozialen Medien oder operativ im Bereich Cybercrime. Bereits seit 15 Jahren setzt die niederländische Polizei auf digitale Kanäle, deren Bedeutung weiter zunimmt. 300 Communication Officers setzen sich für die Vermittlung der Kernwerte ein: Connection, Justice, Effectiveness (Verbundenheit, Gerechtigkeit, Effektivität).

Kommunikationszentrale im Zentrum für Polizeidienste

In der gesamten Organisation sind 300 Communication Officers tätig. 100 davon gehören zum nationalen CorpCom-Team und arbeiten in Themen- und Kanalteams. Im Newsroom selbst, den Marco Leeuwerink als Steuerungseinheit bezeichnet, arbeiten je nach Tag fünf bis sieben Kolleginnen und Kollegen. Vier Personen sichern den strategischen Korridor. 

In Den Haag werden vor allem weniger schnell drehende, strategische Themen bearbeitet, was den hohen Wert von rund 80 Prozent geplanten Inhalten erklärt. Das Kanalteam kümmert sich um die Pflege der nationalen Webpräsenz, die News, den Blog und die Betreuung der Corporate Accounts auf FacebookX (Twitter)LinkedInInstagram und YouTube

Im Blog Real Police Stories erzählen Polizistinnen und Polizisten von ihrem Arbeitsalltag und was ihn ausmacht. Diese Blogs zeigen den Menschen hinter der Uniform. Frag die Polizei ist als eigener Instagram-Account eine Anlaufstelle für Menschen, die sich für die Organisation und den Beruf interessieren.  Die Pressesprecherinnen und -sprecher beantworten dort Fragen von nationaler Bedeutung, von politischer Dimension und zur polizeilichen Ausbildung.

Ein zentraler Newsroom als Hub

In der Zentrale in Den Haag arbeiten zwar 100 Kommunikationsprofis. Doch im Newsroom selbst sind es je nach Tag nur fünf bis sieben Kolleginnen und Kollegen, die die langfristige Planung steuern und die kurzfristigen Inhalte koordinieren. Fünf Rollen, die im Newsroom immer präsent sind:

  • Chef vom Dienst/CvD (Newsroom-Koordinator)
  • Pressesprecherinnen
  • PR-Spezialisten
  • Redaktorinnen & Social Media Super Heroes
  • Community Manager

Optional und je nach Bedarf sind ein Analyst und ein Art Director dabei. 

Etwa 30 Mitarbeitende der Kommunikationsabteilung des Zentrums für Polizeidienste arbeiten an den langfristigen Strategien. Sie sind etwa einmal im Monat auch im Newsroom tätig, um kurzfristige Inhalte und langfristige Strategien miteinander zu verknüpfen.

Die Umsetzung erfolgt ausserhalb des Newsrooms. Es handelt sich also um eine reine Steuerungseinheit. Das Beispiel der niederländischen Polizei ist daher für alle interessant, die sich mit der Dimensionierung von Newsrooms für ihre Organisation beschäftigen. Muss das ganze Team im Newsroom arbeiten oder kann es auch nur ein Teil sein? Diese Frage wird hier beantwortet.

Newsroom der niederländischen Polizei / Dutch Police als Modell

Als Modell ist der Newsroom der niederländischen Polizei mit vielen anderen Newsrooms vergleichbar. Das Besondere ist, dass er als Hub funktioniert, in dem:  

  • geplante Inhalte auf Instant-Content treffen 
  • Menschen zuhören und Inhalte produzieren 
  • Interne und externe Kommunikation sich ergänzen
  • Kommunikation auf die Polizeiarbeit trifft
  • Pressesprecher und Redaktorinnen sich mit Kommunikationsstrateginnen und Social-Media-Experten austauschen. 

Der Newsroom ist über etablierte Prozesse mit den zehn regionalen Newsrooms vernetzt.

Regionale Verankerung für 17 Millionen Einwohner

In den zehn Regionen arbeiten 200 Kommunikationsprofis, deren Aufgabe es ist, durch die Vernetzung mit den verschiedenen Akteuren Sichtbarkeit und Erreichbarkeit zu gewährleisten. 

Jede der zehn regionalen Einheiten ist zugleich ein Newsroom-Satellit, der nach dem gleichen Prinzip wie der Hub aufgebaut ist und mit diesem, aber auch mit allen anderen Regionen im Austausch steht. Auch in den regionalen Newsrooms sind die Teams sehr klein. So steuern hier jeweils nur zwei bis vier Mitarbeitende die Kommunikation. 

Newsroom der niederländischen Polizei / Dutch Police Social Media mit Twitter/X, Facebook, Instagram, YouTube, Snapchat und Tiktok (nicht in der Grafik)

Die regionalen Einheiten betreiben den Löwenanteil der regionalen Social-Media-Kanäle, nämlich über 2’400. Auch die Polizeiakademie ist mit mehreren Accounts auf X (Twitter), Facebook, Instagram, YouTube und LinkedIn vertreten. 

Insbesondere das Community-Management spielt in den Regionen eine übergeordnete Rolle. Um die Bevölkerung möglichst breit zu erreichen, werden auch Kanäle genutzt, auf denen sich vorwiegend Jugendliche tummeln. Neben 23 Snapchat-Profilen ist die niederländische Polizei auch mit einem TikTok-Profil vertreten, das vom Jugendamt und der Jugendpolizei betrieben wird. Damit ist sie innerhalb der niederländischen Behörden eine absolute Ausnahme, denn die niederländische Regierung hat allen Mitarbeitenden aus Sicherheitsgründen verboten, dienstlich auf TikTok aktiv zu sein. Der Landespolizei wurde der Zugang zu TikTok unter der Bedingung gewährt, dass der Kanal ausschliesslich über dedizierte Geräte verwaltet wird, die vom übrigen Behördensystem vollständig entkoppelt sind.

Stakeholder-orientiertes Themenmanagement

Wie bereits erwähnt, ähnelt das Modell des Newsrooms der niederländischen Polizei stark dem anderer Newsrooms. Auffällig ist die Verbindlichkeit der Themen. Marco Leeuwerink erklärte mir dazu, dass aus Sicht der Polizei keine dauerhaften strategischen Themen gesetzt werden. Viel wichtiger ist ein starkes Andocken an die Bedürfnisse und Interessen der Stakeholder und der Gesellschaft: Ihr Nutzen steht im Mittelpunkt aller Bemühungen.  

Research und Analytics sondieren und entwickeln aufkommende Themen. Zweimal im Jahr greift das Directors Board diese auf. Dieses Strategieboard, dem auch der Chief Communication Officer CCO angehört, entscheidet, welche Themen im kommenden Halbjahr als Schwerpunkte vertieft werden. Dabei hilft eine Heatmap, die Themen mit hoher Aktualität und grosser Wirkung sichtbar macht. Da der CCO auch Teil des C-Levels ist, ist auch die Brücke zum Management der niederländischen Polizei gewährleistet. Themen, die ausreichend vertieft sind und zu denen es auch entsprechende öffentlich zugängliche Dossiers im Web gibt, werden von Themen abgelöst, die in den Vordergrund drängen. Aktuell ist das zum Beispiel Cybercrime.

Die Kommunikation der niederländischen Polizei braucht Daten, um arbeiten zu können. Diese

  1. messen das Vertrauen, eine der wichtigsten Triebkräfte
  2. erhöhen z.B. durch Pretests die Chancen, die Kommunikationsziele zu erreichen  
  3. sind unerlässlich für die Arbeit, z.B. bei der Aufdeckung von Fake News
  4. sind notwendig, um messbare Ziele für Kampagnen zu setzen 
  5. helfen zu lernen, welche Inhalte funktionieren und welche nicht

Dass die Datenerhebung tief im Prozess verankert ist, zeigen die Messzeitpunkte:

Newsroom der niederländischen Polizei / Dutch Police Messen und datenbasierte Arbeit

Auf täglicher Basis interessiert, was gerade (Stadt-)Gesprächsthema ist. Das Vertrauensbarometer ist eine monatliche Umfrage. Vierteljährlich wird die Entwicklung wichtiger Themen untersucht. Die wichtigsten Erkenntnisse werden jährlich reflektiert. Deep Dives und Pretests werden nach Bedarf durchgeführt. 

Die niederländische Polizei ist für ihre Arbeit auf das Vertrauen und den guten Willen der Bevölkerung angewiesen. Dafür sorgt sie mit Monitoring, einem Themenmanagement, das die Outside-In-Perspektive sicherstellt, und im Austausch auf Social Media mit Community Management für ein offenes Ohr in der Gesellschaft. 

Ich danke Marco Leeuwerink für das Gespräch.

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