Ich gebe es zu: Dieser Titel ist geklaut, nämlich von Anita Haak und Nina Höhler. Die beiden sind Studentinnen des Studiengangs Onlinekommunikation an der Hochschule Darmstadt und besuchen die Lernagentur zum Thema “Content-Strategie – Plattformunabhängiges Publizieren” bei Thomas Pleil und Kersten Riechers. Sie haben sich zur Aufgabe gemacht, mit Blick auf den Newsroom den Wandel in Kommunikationsabteilungen zu betrachten und mit Entwicklungen im Journalismus zu vergleichen. Dafür haben haben Sie je ein Interview mit Klaus Meier, Professor für Journalistik und mit mir geführt.
Es ist ihnen gelungen, die Sichtweisen aus Journalismus und Unternehmenskommunikation auf gute Weise zusammenzuführen:
Medienneutralität. Plattformunabhängiges Publizieren. Integrierte Kommunikation. Schlagworte, die man kennen sollte, wenn man sich heute mit der PR beschäftigt. Im Journalismus lautet die Herausforderung „Crossmedia”. In beiden Feldern kommt es zu Umstrukturierungen der Organisationsformen, etwa die Einrichtung von Newsrooms. Doch wie sieht es in der Realität aus? Wie arbeiten journalistische Redaktionen heute? Welche Veränderungen und Konzepte gibt es in den Kommunikationsabteilungen der Unternehmen? Wir berichten über die Erfahrungen zweier Experten zu diesem Thema. (hier weiterlesen)
In ihrem Blogpost haben sie nicht alle Aussagen aus unserem Gespräch verwertet und wir haben miteinander ausgemacht, dass ich das hier tue indem ich ein paar Fragen aus unserem Gespräch herauspicke:
Sind die Unternehmen bereit sich von alten Kommunikationsstrukturen zu lösen?
Im Grossen und Ganzen haben sie verstanden, dass sie handeln müssen. Begreifen und umsetzen sind aber zwei verschiedene paar Schuhe, es müssen „Machtstrukturen“ und Silodenken zu Gunsten eines Denkens für das Ganze abgelöst werden. Ob das je zur vollen Zufriedenheit gelingen wird, sei dahingestellt. Perfekte Kommunikation gibt es nie, aber eine ideale Kommunikation und diese verfolgt zumindest einen integrierten und crossmedialen Ansatz.
Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen bei einer Umstrukturierung und was ist dabei Ihre schwierigste Aufgabe?
Strukturen, und allem voran die Infrastruktur, lassen sich leicht verändern: Der Umbau von Büroräumen zum Newsroom, die Beschaffung von neuer Software, die Ausstattung von Mitarbeitenden mit Smartphones und Tablets um nur einige zu nennen. Viel anspruchsvoller ist es Menschen dazu zu bringen, sich anders zu verhalten und zu handeln. Es geht darum, nach Prof. Ansgar Zerfass das Wechselspiel von Handlung und Strukturen zu erkennen und optimal zu steuern. Das braucht viel Zeit, manchmal kann es in einer Organisation für grundlegende Veränderungen fast einen ganzen Generationenwechsel brauchen.
Die Aufgabe ist Kommunikation pur: Es geht darum Mitarbeitern zu erklären, worum es bei der Veränderung geht, dass es sich um ein langfristiges Thema handelt. Es muss gelingen, ihnen den Nutzen aufzuzeigen und Ängste abzubauen. Change Agents müssen aktiviert und Skeptiker regelmässig „im Loop“ behalten werden.
Wo sehen Sie Risiken in der aktuellen Entwicklung zum Beispiel zu Newsrooms, Cross Media Publishing …?
Mit immer neuen Publikationsmöglichkeiten wie aktuell gerade Periscope, Snapchat oder Vine besteht die Gefahr sich zu sehr in Kanälen zu verzetteln. Dabei geht der Blick für’s Ganze, die eigene Mission und die strategische Ausrichtung der Inhalte verloren. Unternehmen brauchen Klarheit über die eigene Identität und die gemeinsamen Ziele. Aktionitis im Stil von „wir bauen einen Newsroom und dann wird alles gut“ sind fehl am Platz. Wenn Newsrooms oder Cross Media Publishing aber ‘im Sinne des Erfinders’ genutzt werden entsteht integrierte und crossmediale Kommunikation und damit ein effizienter und effektiver Weg zum Resultat.
Kann ein Unternehmen überhaupt noch an alten (zielgruppengerichteten) Strukturen festhalten?
Die Entwicklung läuft heute in Richtung der Fokussierung auf gemeinsame Interessen. Dennoch sollte man sich jederzeit bewusst sein, an wen man sich mit den Inhalten richtet. Mittlerweile geht der Trend weg von der Definition von anonymen Zielgruppen hin zu Personas oder gar Bedürfnisgruppen. Eine Persona ist ein aussagekräftiges Profil eines typischen Zielgruppenvertreters. Eine von vielen Definitionen der PR sagt, dass es darum geht, Interessen in Übereinstimmung zu bringen. Das ist auch heute noch gültig: Je besser es gelingt, sich zu Themen gegenseitig anzunähern, desto eher kann für beide Seiten ein Nutzen entstehen.
Wohin wird sich die Unternehmenskommunikation in Zukunft entwickeln?
PR wird noch weniger sichtbar, damit will ich sagen, klare und verständliche Kommunikation muss Teil des Verhaltens jedes Einzelnen im Unternehmen sein. Grosse Kampagnen können einen Knalleffekt und eine vorübergehende Reichweite entfalten. Kommunikation und auch institutionelle Kommunikation verwebt sich als Teil des berufliches Alltags zu einer Gesamtleistung. Ein sichtbares Beispiel sind Unternehmens-Websites die zunehmend von dynamischen Inhalten leben, ob man das nun noch Blog oder Online-Magazin nennt ist sekundär, wichtig ist, dass der Content gefunden, verstanden und damit angenommen wird.
Was möchten Sie kommenden PR-Spezialisten mit auf den Weg geben?
Bleibt offen, probiert aus. Tauscht euch untereinander ehrlich aus, sagt was aus eurer Erfahrung funktioniert und was nicht. Das Thema ist in Bewegung und ohne tägliches Lernen und offenen Erfahrungsaustausch kommt man nicht weiter.
Fazit: Ein Newsroom-Konzept ist – im Journalismus wie in der Unternehmenskommunikation – ein Change-Projekt. Und beide suchen das Gleiche: Eine effiziente Lösung mit der das Produkt als Ganzes gesehen wird und in Teams themenübergreifend und konvergent gearbeitet wird.
Ich danke Anita Haak und Nina Höhler für das Gespräch und ihr Interesse und wünsche den beiden alles Gute für die Fortsetzung ihrer Ausbildung, um die ich sie etwas beneide – sowas gab’s zu meiner Zeit noch nicht. ;-)
Aus Erfahrungen mit Tageszeitungsedaktionen und deren Umstellungen, sehe ich den Satz im Fazit als den Schlüssel zum Verständnis und damit Erfolg: ein Newsroom-Konzept ist in aller erste Instanz ein Change-Projekt! Ein weiter-so-wie-immer nur mit grossem Bildschirm und halbrunden Tischen funktioniert nicht. Rollen müssen neu definiert und Arbeitsweisen in Frage gestellt werden. Die Technik ist dann die unterstützende Plattform. Der Arbeitsprozess (oder Workflow) verursacht am Anfang schmerzen, führt aber im Laufe der Zeit zu Automatismen. Daher gilt es im Vorfeld alle relevanten Bereiche einzubeziehen.
Das perfekte Summary, danke Pierre, prima auf den Punkt gebracht.