In diesem Blog habe ich schon zahlreiche Newsrooms aus verschiedenen Unternehmensgrössen und -branchen vorgestellt. Einige sind nun schon mehrere Jahre in Betrieb. Es war also an der Zeit nachzufragen: Heute sehen Sie sieben gestandene Newsrooms im Check. Was ich wissen wollte: Zahlen sie sich aus? Was bringen sie wirklich und wie haben sie die Kommunikation verändert?
Geantwortet haben die leitenden Personen von Newsrooms in der Schweiz und in Deutschland. Sie haben höchst interessante Einblicke gegeben. Spannend auch, die Antworten auf die drei Fragen miteinander zu vergleichen. Trotz unterschiedlicher Ausrichtung ergibt sich ein konsistentes Bild, welches die Erwartungen, die an einen Newsroom geknüpft werden, fassbar macht.
Dieser Beitrag gibt Ihnen den Querschnitt durch alle Rückmeldungen und schliesst die Serie ab. Bereits lesen konnten Sie die Antworten von Clarissa Haller von Siemens. Auch Karin Baltisberger von der Mobiliar hat aufgezeigt, wie der Versicherer nach drei Jahren Newsroom fokussierter, effizienter und mit besserem Timing kommuniziert. Bei allen anderen Newsrooms habe ich ein Update
zum jeweiligen Portrait gemacht, weil ich Ihnen die vollständigen Antworten nicht vorenthalten wollte. Klicken Sie einfach in der Infobox auf den jeweiligen Newsroom.
Dank Newsroom besser beim Publikum landen?
Eines der Ziele des Newsrooms ist es, Agenda Setting zu betreiben. Zudem sind Inhalte so aufzubereiten, dass sie von den Zielgruppen als relevant angenommen werden. Meine Frage dazu lautete:
Lässt sich nachvollziehen, ob Beiträge, Themen und Botschaften mit Einführung des Newsrooms beim Publikum besser ankommen und was sich verändert hat?
Generell lässt sich die Frage mit Ja beantworten, aber ohne Fleiss kein Preis. Es haben unterschiedliche Massnahmen zu verbesserten Resultaten geführt.
So ist zum Beispiel Broadcasting, also die reine Verbreitung von Unternehmensnachrichten mit einem Inside-Out-Ansatz, vorbei. Im Newsroom sind messen, analysieren, verbessern und fokussieren Teil der Prozesse. So hat die Postfinance ein wöchentliches Controlling der Themen und Botschaften in allen Instrumenten systematisiert und arbeitet kontinuierlich an der Verbesserung des Contents. Dazu Silvan Merki: «Schon die Themenfindung geschieht datenbasiert, wir wollen wissen, wer was sucht.» Auch für den GDV gehört gemäss Christoph Hardt die Erfolgskontrolle dazu: «Wir messen unter anderem die Zufriedenheit unserer Mitgliedsunternehmen.»
Datev hingegen hat den Hebel intern angesetzt, interne Silos eingerissen (Print/Online, Interne/Externe Kommunikation) und den Austausch untereinander verbessert. Das hat zur Folge, dass heute Redundanzen abgebaut und eine effiziente, widerspruchsfreie Kommunikation sichergestellt sind. Gemäss Christian Buggisch eine klare Errungenschaft des Newsrooms. Auch das Katholische Medienzentrum hat investiert: einerseits in die Integration von Suchmaschinen-Marketing, aber auch in den Aufbau der Community. Die Mobiliar hat an den Formaten gearbeitet und publiziert heute deutlich mehr Interviews und Fachartikel/Ratgeber. Karin Baltisberger sagt dazu: «Wir bringen heute mehr Geschichten zulasten von Marketing- und Sponsoringthemen, zudem haben wir die visuelle Kommunikation verstärkt.»
Resultate, die sich sehen lassen
Die Resultate lassen sich sehen, auch wenn sie logischerweise in jedem Unternehmen je nach gewählter Strategie wieder anders aussehen.
Bei den einen sind es zum Beispiel verbesserte Resultate bei der Medienarbeit. Schweiz Tourismus freut sich über die jährliche Zunahme von rund 10% der erfolgreich platzierten Themen und Beiträge seit dem Start des Newsrooms. Auch der Katholische Mediendienst geniesst heute eine ganz andere Aufmerksamkeit der Medien – «Die Wahrnehmung in der Medienbranche hat sich verändert», sagt dazu Dr. Charles Martig. Auch bei der Mobiliar zeigt die veränderte Kommunikation aus dem Newsroom Wirkung: «Wir sehen mehr Beiträge in den klassischen Medien – obwohl es wegen Fusionen heute weniger eigenständige Medien gibt.» Und gemäss Christoph Hardt bekommt der GDV von externen Medien Lob für die Transparenz und Schnelligkeit seines Contents.
Bei den Mitgliedern spielt gemäss Christoph Hardt der Multiplikatoreneffekt: «Mehr als zwei Drittel aller Unternehmen nehmen die Impulse aus dem Newsroom für die eigene Kommunikation auf.»
PR begin at home, und darum richtet die Mobiliar auch den Blick nach innen. Karin Baltisberger stellt fest, dass sich die Mitarbeitenden intensiver mit den internen Inhalten beschäftigen als früher. Das kommt nicht von ungefähr, denn heute achtet das Team im Newsroom darauf, die Mitarbeitenden nicht einer unnötigen News-Flut auszusetzen. Diese danken es mit steigenden Zugriffen auf interne News. Beim GDV ist dafür die Zufriedenheit der Mitgliedsunternehmen mit den Content-Initiativen kontinuierlich angestiegen.
Auch Siemens investiert in die Mitarbeitenden, wie wir weiter unten sehen werden, aber auch in eine fokussiertere Kommunikation. Dazu Clarissa Haller: «Wir sehen, dass Siemens heute mit Themen assoziiert wird, die viel genauer auf unser Geschäft und unsere Unternehmensstrategie passen, wie zum Beispiel Industrie 4.0, Internet of Things (IoT), Cybersecurity oder Künstliche Intelligenz. Vor ein paar Jahren waren es noch ganz andere, mehr generische Themen.»
Ein weiteres Zeichen, dass Inhalte beim Publikum ankommen, ist eine wachsende Community. Die Mobiliar konnte die Anzahl Follower auf ihren Social Media-Kanälen mehr als verdoppeln. Der Grund liege einerseits im Wachstum der Präsenzen auf Facebook und LinkedIn, aber auch in der Expansion in neue Kanäle. «Der Newsroom hat aber mehr Effizienz bei der Bespielung der Kanäle gebracht», merkt Karin Baltisberger dazu an.
Schon hier wird übrigens klar: Wer einen Newsroom rein aus der Perspektive von Ästhetik und Gestaltung aufbaut, kommt nicht weiter. Ohne die Bereitschaft, zu fokussieren, zu hinterfragen und zu verändern, ist kein Blumentopf zu gewinnen.
Aufmerksamkeit trotz Content Shock?
Wer mit Content arbeitet, kommt um das Wort Aufmerksamkeits-Ökonomie nicht herum. Ein Spannungsfeld also. Darum wollte ich von den Newsrooms im Check wissen:
Wie verschafft sich ein Unternehmen bei einem Publikum, von dem man sagt, dass es unter dem Content-Shock leidet, Gehör und Aufmerksamkeit? Haben sich Definition und Ansprache von Stakeholdern verändert?
Wie schafft man es also, überhaupt bis zum Publikum vorzudringen? Clarissa Haller fasst die Essenz zunächst etwas verwirrend zusammen: «Durch Qualität und Quantität – oder Relevanz und Masse.» Dann klärt sie aber sogleich auf: «Relevanz schaffen wir, wenn wir genau auf die Interessen unserer Zielgruppen eingehen – was uns gelingt, wenn wir unsere Zielgruppen analysieren und ihnen richtig zuhören, zum Beispiel durch „Social Listening“.
Relevanz schaffen wir aber auch, indem wir fokussiert kommunizieren. Wir versuchen, eher weniger Themen, diese aber konzentrierter und dabei interessanter und inhaltlich wertvoller zu gestalten. Dazu gehört auch, dass wir die richtigen Formate und Kanäle wählen.» Clarissa Haller hat zum Thema noch einiges mehr zu sagen. Ihre Antworten in ganzer Länge lesen sie hier im Blog.
Relevanz ist das Zauberwort
Relevanz ist auch das Zauberwort bei Postfinance. Silvan Merki erklärt, was für die Aufmerksamkeit entscheidend ist: «Es geht um die Relevanz von Inhalten, deren Aufbereitung sowie um die Instrumentierung von Push und Pull der Beiträge.» Das gleiche Credo hat die Mobiliar: «Grundsätzlich gilt: Guter, relevanter Content funktioniert. Mit dem Newsroom können wir mehr Inhalte produzieren, die einen Mehrwert für die Nutzer haben. Auch die Form, wie wir Geschichten erzählen, ist entscheidend.» Und auch Datev sieht das so, wobei bereits vor der Einführung des Newsrooms auf qualitativ hochwertigen Content geachtet wurde. Geändert hat sich allerdings, dass man heute Content ‘befeuern’ muss. Christian Buggisch fasst die Formel so zusammen: «Durch Relevanz und eine erstklassige Aufbereitung der Inhalte, verstärkt durch einen zunehmenden Budget-Einsatz für Paid Media in Zeiten immer weiter sinkender organischer Reichweite.»
Der GDV hebt bei Kampf um die Aufmerksamkeit eine der grossen Stärken eines gut einspielten Newsrooms hervor. «Schnelligkeit, Qualität der Aussagen, ansprechende Darstellung bzw. Aufbereitung. Wir definieren die Kommunikationsziele noch genauer», betont Christoph Hardt.
Zielstrebig geht auch Markus Berger mit seinem Newsroom-Team bei Schweiz Tourismus vor: «Die (potentiellen) Gäste können wir angesichts des publizistischen Lärms nur noch erreichen, wenn wir unsere Botschaften sorgfältig und passgenau auf verschiedenen Kanälen parallel spielen. Dafür ist unser Newsroom die ideale Plattform.»
Bei den Medien liegt die Sache etwas anders, dazu nochmals Schweiz Tourismus: «Medien stehen weniger unter dem Content Shock, sie leiden eher unter dem Mangel an Ressourcen. Darum schätzen Sie den Newsroom als Single Point of Contact (SPOC).» Damit leitet Markus Berger schon in die nächste Frage über, und auch Dr. Charles Martig ordnet die Rolle des Newsrooms bereits hier ein: «Konfliktthemen der katholischen Kirche wirken als starke Treiber und erhöhen die Aufmerksamkeit. Die Stakeholder erwarten verstärkt Einordnung und Orientierung, zum Beispiel anhand von Hintergrundgeschichten und Kommentaren zu aktuellen Ereignissen.»
So weit, so gut. Steht jetzt die grosse Übernahme der Arbeit von Journalisten und Medien bevor?
Machen Unternehmen Medien brotlos?
Über die immer schwächer werdende Gatekeeper-Funktion der klassischen Medien wurde und wird viel diskutiert. Sind journalistisch arbeitende Unternehmen als Publisher künftig von den Medien völlig unabhängig? Was sagen meine Gesprächspartnerinnen zur Frage:
Gibt es Anzeichen, dass Inhalte von Unternehmen vermehrt auch Aufgaben erfüllen, welche zuvor unabhängige, aber jetzt geschwächte, Medien geleistet haben?
Für Markus Berger ist klar: «Unternehmen werden die traditionellen Medien nie ersetzen können, aber gemeinsam mit diesen die Gesamtkommunikation gezielt orchestrieren.» Und bringt damit auf den Punkt, was andere Gesprächspartner auch sagen. Was sich ändert, ist die Art der Zusammenarbeit, auch wenn Journalisten diese Aussage so vermutlich nicht gefällt. Dass sich bereits einiges gewandelt hat, wird klar, wenn man Charles Martig zuhört, wobei das Katholische Medienzentrum eine Doppelstrategie führt: «Wir beliefern mit unseren Beiträgen auch rund 40 Medien, die uns abdrucken. Tatsächlich erfüllen wir mit unserer redaktionellen Arbeit neue Aufgaben, die andere Medien nicht mehr im gleichen Umfang leisten können. Unabhängige, aber jetzt geschwächte Medien sind insbesondere in Fachgebieten wie Religion und Gesellschaft auf Fachredaktionen angewiesen. Die entsprechende Religions-Kompetenz gibt es in diesen Medien nicht mehr, weil unter dem Spardruck vielfach auf Kernbereiche reduziert wurde. Das ist eine bedeutende Chance für kath.ch.»
Auch Christian Buggisch denkt nicht, dass Unternehmen jemals in Sachen unabhängiger Berichterstattung mit klassischen journalistischen Medien konkurrieren. Unternehmenskommunikation verfolgt immer Ziele und ist immer abhängig. Aber er ergänzt: «Kommunikatoren in Unternehmen arbeiten journalistischer, haben aber einen ganz anderen Auftrag als Journalisten.» Unternehmen können also genau in jene Lücke springen, welche ausgedünnte Fachredaktionen nicht mehr zu füllen vermögen. Mit eigenem und kuratiertem Content können sie ihr Expertenwissen in ihrem Thema so spielen, dass es für die Stakeholder als relevant angenommen wird.
In diese Richtung geht auch Silvan Merki: «Inhalte von Unternehmen erreichen über die Zeitdauer in digitalen Medien inzwischen in gleichem Mass quantitativ und qualitativ ihre Zielpublika.» Und er schiebt einen Wettbewerbsvorteil nach: «Contentmanager der Unternehmen versuchen durch Selektion, Einordnung und Hilfestellung zu bieten. Damit sind sie wohl inzwischen häufig schneller auf den Channels, als es so genannt unabhängige Medien heute leisten können.» Dies ist allerdings nur möglich, wenn der Newsroom die Strategie im Auge behält, agil und fachübergreifend nach hohen Qualitätsstandards arbeitet.
Dass es nicht darum geht, den Medien den Rang abzulaufen, verdeutlicht auch Clarissa Haller: «Schauen wir uns die grundsätzlichen Aufgaben von Medien vs. Unternehmen an, sehen wir keine Anzeichen der Verschiebung. Die Medien werden weiterhin die wichtige Aufgabe der vierten Gewalt im Staate wahrnehmen, in Zukunft möglicherweise sogar noch mehr (Stichwort „fake news“). So gesehen haben die Medien heute vielleicht sogar einen noch wichtigeren Auftrag, den sie dank ihrer Reputation und ihrer journalistischen Standards erfüllen können und müssen.» Sie verweist aber auch auf die wirtschaftliche Seite und die Interessen von Unternehmen: «Wir haben zusätzliche Möglichkeiten des eigenen Agenda-Settings gewonnen, dank des Einsatzes von Social Media.»
Auch Karin Baltisberger baut auf Ergänzung statt Abgrenzung: «Wir können die Arbeit von den Medien nicht übernehmen. Aber wir unterstützen die Arbeit der Medien, indem wir rasch und unkompliziert auf Anfragen reagieren und Bild- und Videomaterial zur Verfügung stellen. Seit der Einführung des Newsrooms gibt es mehr Beiträge in den klassischen Medien. Besonders gut funktionieren Beiträge über aktuelle Geschehnisse, zum Beispiel Schadenreportagen nach Unwettern mit Videos.» Diese Strategie verfolgt auch der GDV mit Erfolg. Dazu Christoph Hardt: «Wir freuten uns 2018 häufiger darüber, dass Kernaussagen aus unseren Medieninformationen übernommen wurden.» Das kommt nicht von ungefähr. Der GDV hat im vergangenen Jahr bislang vor allem national kommunizierte Inhalte immer stärker regionalisiert und damit erhebliche Breitenwirkung erzielt.
Dieser Beitrag baut auf Auszüge aus den Antworten der Profis aus sieben Newsrooms. Er ist bereits in ähnlicher Form am 26. Februar 2019 in der Medienwoche erschienen.