Bei Veloplus dreht sich alles ums Rad. Und um die Kunden. Lange bevor soziale Medien aufgekommen waren, hat Veloplus eine intensive Kommunikation und Zusammenarbeit mit seinen Kunden betrieben. Heute nutzt das KMU die Chancen der Online-Kommunikation und ist in einer beachtlichen Breite im Netz auf Achse: Facebook, Twitter, Google+, YouTube, Instagram und Pinterest werden bespielt, kommuniziert wird aber auch via Blog und Newsletter. Hinzu kommt das gedruckte Kundenmagazin, das Velohandbuch und auch eine App für iOS und Android.
Der Mann, der sich um sämtliche Online-Präsenzen und das Wohl der Community kümmert ist Oliver Lutz. Als ich erfuhr, dass er das Unternehmen nach über drei Jahren verlässt, habe ich die Gelegenheit ergriffen, mich mit ihm zu unterhalten.
Sag uns bitte in aller Kürze: Wer ist Veloplus?
Veloplus ist der grösste Velozubehör-Händler der Schweiz. Wir führen 20’000 Produkte im Online-Shop, betreiben 6 Filialen in der ganzen deutschen Schweiz und seit Frühjahr verkaufen wir auch Velos.
Ist Veloplus ein Love Brand?
Ja, ich denke schon. Jemand, der in der Schweiz aktiv Velo fährt, kennt Veloplus und hat tendenziell auch eine positive Einstellung zu uns.
Wie ist Veloplus zum Love Brand geworden und auf welche Rolle haben die sozialen Medien gespielt?
Diese Geschichte hat lange vor Social Media begonnen. Wir haben uns bei Produktentwicklungen den Daniel Düsentrieb auf die Fahne geschrieben. Schon Anfang der 90er-Jahre, als wir Lenker entwickelten, luden wir Kunden ein, zu Veloplus zu kommen, die Lenker zu testen und uns Feedback zu geben. Dann wurde weiter entwickelt und die Fortschritte wurden auch laufend im Kundenmagazin geteilt, bis schliesslich das fertige Produkt entstanden war. Mittlerweile sind die sozialen Medien ein wichtiger Bestandteil dieser Zusammenarbeit mit den Kunden. Wir erzählen über unsere Entwicklungsgeschichten im Laden, im Magazin und online. So werden wir bis heute mit der Entwicklung von neuen Produkten rund ums Velo in Verbindung gebracht.
Ihr habt also diese Art der Kundenkommunikation in der DNA und nutzt jetzt ergänzend die Chancen, die soziale Medien bieten?
Genau.
Wie viele Mitarbeiter beschäftigt Veloplus und wie viele arbeiten in der Kommunikation?
Die Zahl der Mitarbeiter ist saisonal schwankend, im Winter sind es 70, im Sommer 100. Im Marketing arbeiten acht Personen, zum Team gehören vier Prodcut Manager, die auch den Einkauf machen. Für die Kommunikation bin ich zuständig; ich schreibe den Newsletter, das Kundenmagazin, kümmere mich um Social Media und den Blog.
Du bist bei Veloplus der einzige, der Social Media macht?
Ja, im Namen von Veloplus schon. Eine breitere Abstützung wäre schwierig, mein Chef engagiert sich auch da und dort und in den Ferien habe ich eine Stellvertretung. Allerdings kann ich es dann doch nicht ganz lassen, immer wieder zu schauen, was in unseren Kanälen los ist. Ich bin kein Fan davon, Posts während den Ferien zu terminieren, man sollte ja dann auch reagieren können, wenn jemand sich meldet.
Zehn bis fünfzehn Mitarbeiter nutzen soziale Medien auch privat und unterstützen mit liken und teilen, so übernehmen sie die Rolle von Multiplikatoren, das klappt sehr gut so. Unsere Product Manager sind zudem alle bei Google+ dabei und ich stelle sie auch regelmässig in unseren Hangouts vor. In unserem Heft sind die Produkt-Manager mit Gesicht präsent, das sollte in den sozialen Medien noch etwas intensiver geschehen.
Bist du im Unternehmen ein Exot?
Ja, vor allem am Anfang, im Januar 2011, war das so. Es war ja für damals eigentlich schon sehr visionär, als KMU überhaupt eine solche Stelle zu schaffen. Damals hiess es: „Jetzt kommt der, welcher den ganzen Tag auf Facebook surft und sich dort Bilder anschaut.“ Mittlerweile hat sich das stark gewandelt. Es verstehen alle, was es bringt, warum ich das tue und ich bin gut akzeptiert.
Wir hart war das Brot, die Verantwortlichen an die sozialen Medien heranzuführen?
Vor den Google-Hangouts war die Skepsis jeweils gross, nach den Hangouts waren jeweils alle sehr positiv eingestellt. Eher hartes Brot ist es, die Product Manager dazu zu bringen, selber auf Google+ noch etwas aktiver zu sein, relevante Bike-Beiträge zu schreiben und ein eigenes Publikum zu erschliessen. Dafür fehlt ihnen einfach die Zeit, und soziale Medien sind bei ihnen nicht Top of Mind; ich bohre darum auch immer wieder mal nach.
Selber bin ich neben Veloplus auch mit einem eigenen Profil auf Google+ aktiv, das ist schon aufwändig. Aber so kann ich als Mensch agieren, mich mit anderen Velofahrern austauschen und Inhalte von Veloplus teilen, so werde so zum Multiplikator. Veloplus wiederum kann als Brand auch Posts von mir und anderen Velofahrern übernehmen.
Google+ ist für dich sehr präsent. Ist es für dich das wichtigste soziale Medium? Viele Leute spotten ja darüber.
Am wichtigsten ist für mich unser Blog, er gehört uns und ich verlinke meistens darauf. Aber Google+, und da kann man noch so viel stänkern, ist von Google und eine gute Sache.
Leute, die über Google+ spotten und mir sagen, dass dort nichts läuft zeigen mir ein fehlendes Verständnis vom Ganzen. Mir geht es abgesehen davon auch gar nicht darum, möglichst viele Plus zu bekommen, genauso wenig, wie ich auf Facebook auf viele Likes baue. Mir geht es darum, dass ein Dialog zustande kommt. Wenn wir einen Hangout on air machen, dann nehmen vielleicht acht Leute teil, das sind nicht viele. Aber wir verlinken ja dann das Video und dieses wird dann wiederum von hunderten von Velofahrern gesehen. Auch wenn sie selber nie an einem Hangout teilnehmen würden so verstehen sie, dass Veloplus seine Kunden in die Entwicklung mit einbindet. Und genau das ist mein Verständnis von Social Media. Wenn sich dann Unternehmen von einem Profil bei Google+ abhalten lassen, weil sie das nur aus quantitativer Sicht beurteilen, will mir das überhaupt nicht in den Kopf.
Facebook ändert dauernd Regeln und Anzeigen, wie verhält es sich bei Google+?
Google+ ändert auch dauernd, wobei hier eigentlich eher immer wieder neue Features ergänzt werden. Damit zeigt mir Google, dass sie dieses Netzwerk wirklich wichtig finden.
Was gegenüber Facebook definitiv einfacher ist, ist der Dialog. Ich sehe, dass ich eingekreist werde. Das erlaubt es mir, die Person wiederum in meine Kreise aufnehmen, mit denen ich dann auch gezielt Beiträge teile. Hinzu kommt, und das ist die Königsdisziplin, dass ich auch die Beiträge von Leuten in meinen Kreisen teile. So komme ich weg davon zu pushen, sondern interagiere mit den Leuten. Bei Facebook geht das nicht, weil die Profile von Fans ja nicht von Seiten ansprechbar und häufig durch Privatsphären-Einstellungen abgeschirmt sind.
Sehr interessant sind auch die Communities, in der Schweizer Community beteiligen wir uns aktiv an den Gesprächen, sei es mit Kommentaren oder durch eigene Beiträge. Das mache ich mit meinem persönlichen Profil und logisch mache ich dort keine plumpe Werbung.
Aber man weiss, dass du der Oliver von Veloplus bist.
Ja, das weiss man, ich lege das auch in meiner Bio offen.
Den Blog schreibst du aber weitgehend allein?
Ja, genau
Ist das nicht etwas einsam?
Ja, schon ein bisschen, aber auch hier haben wir die Ressourcenfrage. Eine breitere Abstützung zur Profilierung der PMs ist sicherlich ein Thema.
Welche Rolle spielt die crossmediale Kommunikation? Nicht nur innerhalb der sozialen Medien sondern auch in Verbindung mit Print?
Ich finde das extrem wichtig. Wenn wir zum Beispiel im Heft einen neuen Lenker vorstellen, dann verweisen wir auf den Hangout, den wir hatten. Potential haben wir noch bei den Veranstaltungen, auf die wir zwar online hinweisen, die wir aber auch während der Veranstaltung noch besser mit verschiedenen Mitteln begleiten könnten. Umgesetzt haben wir das bei der Eröffnung des neuen Ladens in Zürich, den wir online im Blog begleitet haben und unsere Online-Kontakte zu einem speziellen Apéro eingeladen haben, zu dem dann 40 Personen gekommen sind. Diese persönlichen Kontakte sind enorm wertvoll für die Verstärkung der Bindung und auch für mich ergibt sich eine andere Intensität im Austausch.
Was geht jemandem verloren, der nicht crossmedial denkt und arbeitet?
Sehr viel. Wenn eine Story für sich offline und eine andere online steht, dann können diese Geschichten nicht von einander profitieren
Ihr arbeitet auch mit Instagram. Ist das eine Spielerei oder hat sich das im Mix schon etabliert?
Momentan ist das noch Spielerei. Das Konzept ist es jedoch, Kompetenz zu zeigen durch Mitarbeiter, die am Velofahren sind.
Setzt du Hashtags ein?
Weniger mit Kampagnen, auf Facebook verzichten wir drauf, weil ich davon überzeugt bin, dass sie dort niemand beachtet. Bei Twitter, Instagram vor allem aber bei Google+ sind Hashtags sehr stark.
Welche kommunikativen Schwerpunkte setzt ihr?
Inhaltlich positionieren wir uns als Entwickler, dann ist auch der Einbezug der Kunden zentral. Ihnen wollen wir zeigen, dass sie wichtig und Teil von Veloplus sind. Wir betreiben aber auch Velo-Politik und unterstützen Initiativen. Kürzlich waren wir an der Übergabe der Velo-Petition in Zürich. Wir kommunizieren online nicht plump unsere Produkte, sondern wir setzen Themen, die zu unserem Angebot passen.
Bereitest du Inhalte dediziert pro Kanal vor?
Ja, auf jeden Fall. Bei Facebook achte ich darauf, mit Fotos zu arbeiten und immer mal wieder eine Frage zu stellen, wobei diese dann nicht zu trivial sein soll, das funktioniert doch recht gut, wir erreichen momentan ohne zu bezahlen zwischen 20 und 30% der Leute.
Bei Google+ nutze ich die Formatierungsmöglichkeiten mit Titel, Absätzen und fetter Auszeichnung. Wenn wir Videos hochladen, markieren wir die Leute, die darin vorkommen im Beitrag. Beiträge bei Google+ sind meist etwas länger, eher technisch und anspruchsvoller, hier ist das Publikum diesbezüglich affiner wie bei Facebook.
Auf dem Blog betreiben wir Unternehmens-Journalismus und beleuchten Themen ausführlicher.
Twitter ist einerseits der Kanal, in dem wir auf Blogposts hinweisen. Ich habe aber auch mit Webmentions (heisst neu alert.io) ein kleines Monitoring für gewisse Begriffe aufgebaut. Das erlaubt es mir dann, sehr schnell jemandem zu antworten, der zum Beispiel einen Velohelm sucht oder kalte Hände beim Velofahren hat. Dabei verkaufen wir nicht plump ein Produkt, sondern bieten Hilfestellung und geben Tipps. Das funktioniert sehr gut.
Ihr schreibt ja nicht nur über euch, wo habt ihr die Inhalte her?
Abgesehen von alert.io ist es wichtig, offen zu sein. Ich lese zahlreiche Blogs und bin auf verschiedenen Plattformen aktiv. Twitter ist ein guter Kanal und teilweise klassische Fachmedien. Ich finde Themen aus meiner persönlichen Passion, zudem ist einer unserer Geschäftsführer bei Pro Velo dabei, von da gibt es auch immer wieder Themen.
Wie funktioniert euer Monitoring?
Wir betreiben ein einfaches Monitoring mit Webmentions und Google Alerts.
Betreibt ihr noch klasssiche Medienarbeit?
Ja, ich verschicke regelmässig Pressemitteilungen zu Produkten. Aber es ist auch so, dass sich immer wieder recherchierende Journalisten aufgrund unserer Online-Auftritte bei uns melden.
Was bedeutet die Community für VeloPlus?
Sie ist extrem wichtig. Seit den 90er-Jahren gibt es bei uns Reisevorträge, wo man sich trifft und austauscht. Die Pflege der Community hat bei uns also Tradition und geschah schon vor dem Aufkommen der sozialen Medien. Heute treffen sich die Velofahrer natürlich auch online weil sich die gleichen Bedürfnisse, Wünsche und Leidenschaft haben.
Wie schaffst du es, dass die Community interagiert?
Indem sie spürt, dass wir authentisch sind, wir sind Velofahrer und zeigen das auch. Wir nehmen die Community ernst. Wenn wir auf Facebook etwas fragen, wie aktuell zum Thema Handschuhe, dann gehen wir auf die Antworten ein. Wir fragen nach, bedanken uns, gestalten je nachdem auch einen Folgepost bei Facebook oder einen Beitrag auf dem Blog daraus. So zeigen wir unsere Wertschätzung. Wir fragen also nicht ab, sondern entwickeln Gespräche.
Wie messt ihr den Erfolg?
Wir haben immer mehr „gefällt mir“ und Fans, das ist zwar schön, für mich aber nicht das Wichtigste. Wir werten die Besuche auf Google+ und auf der Website aus. Ende Jahr habe ich aufgearbeitet, welche Kunden wir über Social Media generiert haben. Das war eine grosse Handarbeit, bei der ich erste Interaktionen mit dem Einkaufsverhalten vergleichen habe. Das hat eine beachtliche Liste ergeben.
Du warst gut drei Jahre dabei, worauf bist du persönlich besonders stolz?
Ich übergebe eine funktionierende Community die weiter ausgebaut werden kann. Zudem haben wir uns bei Google+ so gut etabliert, dass Google auf uns zugekommen ist, um weitere Geschichten und Aktivitäten zu entwickeln. Ich wurde zu einem Besuch nach Dublin eingeladen und heute haben wir dort drei direkte Ansprechpersonen für verschiedene Produkte.
Du verlässt VeloPlus, welchen Rat erteilst du deinem Nachfolger?
Sei offen und höre nicht zu stark darauf, was die Experten sagen. Damit meine ich: Höre nicht allzu sehr auf die Allgemein-Meinung. Wenn du denkst, ein Netzwerk oder eine Idee hat Potential, probiere aus und schau, was funktioniert.
Ich wünsche Oliver für seine weitere Karriere, die er bei Blogwerk fortsetzt, alles Gute.