Der Corporate Newsroom baut in der Regel auf eine Handvoll Rollen. Doch wäre es nicht sinnvoller mehr und dafür kleinere Rollen zu bilden, um diese granular zu verteilen? Vielleicht denken Sie jetzt: Viele Rollen, Mitarbeitende, die mehrere Rollen tragen und überdies in verschiedenen Kreisen aktiv sind… Wie behält man da noch den Überblick? Alex Margot ist der Mitgründer des Schweizer Start-ups Peerdom und hält eine mögliche Lösung bereit. Er hat mir sein Tool gezeigt, das hilft, Rollen zu visualisieren, zu beschreiben und so in der rollenbasierten Organisation den Überblick zu behalten sowie Transparenz zu schaffen.
Über den Umgang mit Positionen und Rollen zwischen Hierarchie und rollenbasierter Organisation habe ich im letzten Beitrag gesprochen. Newsrooms wie die Mobiliar und die Paraplegiker-Stiftung sind auf dem Weg zur rollenbasierten Organisation. Sie überdenken die Gestaltung der Rollen und deren Zuordnung zu Aufgaben, die in Arbeitskreisen organisiert sind. Bei der Mobiliar sichert Peerdom den Überblick mit Ansichten aus verschiedenen Perspektiven.
Peerdom: ein Schweizer Start-up
Die rollenbasierte Organisation hat zum Ziel, Hierarchien von der Arbeit kontinuierlich formen zu lassen und Verantwortung zu verteilen. Selbst wenn alle Rollen sauber beschrieben sind, braucht es einen Überblick, wie sie zusammenspielen und wer ihre Trägerinnen sind. Das System der rollenbasierten Organisation erschliesst sich nicht ohne Weiteres. Eine bildliche Darstellung verschafft den Überblick und verdeutlicht die Zusammenhänge. Dies, um das traditionelle Bild der Pyramide in unseren Köpfen nachhaltig zu verändern.
Alex Margot hat den Masterlehrgang in Computer Science an der EPFL Lausanne abgeschlossen und vor gut vier Jahren, gemeinsam mit zwei Kollegen, eine Lösung entwickelt. Geholfen hat ihm seine langjährige Erfahrung bei der Designagentur Nothing, die selbstorganisiert ist. (Ihre Konstitution teilt Nothing auf Gitub.)
Anfang 2018 interessierten sich noch vorwiegend NPOs und IT-Unternehmen aus der Schweiz und dem angrenzenden Ausland für die neue Lösung. Heute nutzen gegen 150 Kunden Peerdom. Roche nutzt die Lösung zur Organisation ihrer Innovation Teams und auch im EPFL Innovation Park läuft ein Pilot. In Unternehmen sind es oft IT-Abteilungen, Innovation Hubs oder Corporate Newsrooms, die für die agile Zusammenarbeit die Struktur der rollenbasierten Organisation wählen. Im Dezember 2021 wurde Peerdom als Start-up ausgegründet, bereits heute arbeiten 50 Companions als Partnerunternehmen mit.
Was leistet Peerdom?
Gehen wir davon aus, dass Sie sich auf dem Weg zur rollenbasierten Organisation befinden. Sie überlegen sich, welche Aufgaben anfallen, wie Sie diese sinnvoll in Rollen zusammenfassen und in Kreisen organisieren. Sie machen sich auch Gedanken, wie Sie Führung und Verantwortung verteilen wollen. Mit Peerdom schauen Sie sich diese Strukturen aus drei Perspektiven an:
- Menschen: Welche Rollen füllen sie?
- Rollen: Wie sind die Aufgaben definiert und die Verantwortung zugeordnet?
- Kreise: Welche Rollen / Menschen tragen zur Lösung einer Aufgabe bei?
Im Zentrum der Überlegungen stehen also immer Aufgaben, die es zu lösen gilt. Dazu teilen Sie Funktionen oder Positionen auf in Rollen. Ob Sie eine Rolle bilden, entscheiden Sie nicht ausgehend von deren Grösse, sondern von der Frage: “Benötigt das System diese Rolle?” Jede Rolle trägt gemäss Alex mindestens eine Verantwortung und sie hat einen Purpose. Eine Rolle ohne Zweck ist buchstäblich zwecklos und kann auch wieder abgeschafft werden. Deshalb gibt es in rollenbasierten Organisationen Governance-Meetings, in denen die Rollen immer wieder infrage gestellt, geschärft oder auch wieder abgeschafft werden. Hier habe ich übrigens dieses Thema vertieft.
Gründe, ein Tool wie Peerdom einzusetzen, gibt es mehrere:
- Komplexität reduzieren: Allein schon die schematische Darstellung hilft, auf das Wesentliche zu fokussieren, analog zu Google Maps.
- Teilaufgaben präzisieren: Jede Rolle ist genau definiert, die Rollenbeschreibungen lassen sich entweder mit einem Klick auf die Rolle in den Kreisen oder auf die Rollenträger einblenden. Sie verschwinden also nicht irgendwo in einem Laufwerk auf SharePoint, sondern bleiben präsent.
- Granularität erhöhen: Aufgaben werden in Rollen zusammengefasst. Auch kleine oder besondere Aufgaben können spitz definiert und gezielt verteilt werden.
- Transparenz erhöhen: Mitarbeitende übernehmen mehrere Rollen, es können aber auch identische Rollen von mehreren Mitarbeitenden übernommen werden. Ein Blick und ein Klick zeigen, in welchen Kreisen welche Fähigkeiten zu finden und wie die Zuständigkeiten geregelt sind.
- Verantwortung aufteilen: Je nach Kultur der Organisation werden Verantwortungen in wenigen Rollen zusammengefasst oder breiter geteilt. Ziel der rollenbasierten Organisation ist es, die Eigenverantwortung im Team zu stärken. Diese kann auch schrittweise mit Anpassung der Rolle erhöht werden, dafür sind die bereits erwähnten Governance-Meetings da.
Möglicherweise fragen Sie sich jetzt, ab welcher Organisationsgrösse eine solche Lösung Sinn ergibt? Alex Margot spricht von einer minimalen Team-Grösse von “7 plus minus 3“, wie das auch Michael Lopp beschreibt. Die Teamgrössen bei den Kundinnen von Peerdom liegen zwischen fünf und tausend Mitarbeitenden. Die Lösung wird übrigens nach der Anzahl Anwendern pro Monat lizenziert.
Einblick in die Funktionen
Schauen wir uns ein paar wesentliche Funktionen an, damit Sie die Screenshots besser interpretieren können. Um es gleich vorwegzunehmen: Die Farben werden durch jede Organisation nach eigenem Gutdünken und Logik zugeordnet. Sie erinnern sich: Keine Organisation ist gleich.
Peerdom arbeitet mit verschiedenen grafischen Kennzeichnungen, um den Überblick zu verbessern. Schauen wir uns das Unternehmen Nothing an, bei dem auch Alex Margot gearbeitet hat.
Die Rollen (kleine Kreise) weisen grafische Merkmale mit einer besonderen Bedeutung auf. Achten Sie auf den Kreis Acquisition (Sie können das Bild mit einem Klick vergrössern):
- Schatten im Kreis: Es handelt sich um eine leitende Rolle (Representative Role)
- In der Mitte geteilt: Die Rolle ist gespiegelt (mirrored), das bedeutet, dass es sie in dieser Form mehrere Male im Unternehmen gibt. Zweck, Verantwortlichkeiten und Grundsätze sind dann für alle Rollenträgerinnen identisch.
- Schraffiert: Die Rolle ist (noch) nicht besetzt. Es liegt in der Verantwortung des Kreis-Leads, offene Rollen zu besetzen.
Personen, die in der Liste links vor dem | stehen, sind Leads in einer leitenden Funktion (Representative Role). Diese Rolle sichert den Zweck des gesamten Kreises und sorgt für eine reibungslose Zusammenarbeit mit anderen Kreisen.
Schauen wir uns an, welche Rollen Alex Margot in der Organisation von Nothing übernommen hat. Klicken Sie dazu durch die Galerie.
Neben den Grundfunktionen kann Peerdom mit Zusatz-Apps auf die spezifischen Bedürfnisse der Organisation zugeschnitten werden. Dazu gehören unter anderem die Definition von Zielen pro Kreis wie ‘Objectives and Key Results’ (OKRs), KPIs usw. abzubilden. Der Grad der Erreichung wird über einen Ring um den Kreis angezeigt. Dieser ist am Anfang rot und färbt sich mit zunehmender Erreichung grün ein. Es lassen sich auch Ziele für jede Rolle festlegen.
Eine weitere Funktion sind die Elections. Auf diese Weise gekennzeichnete Rollen sind zeitlich limitiert vergeben und werden nach einem definierten Zeitraum wieder neu gewählt. So kann die Rollen-Rotation von vorneherein angelegt werden. Erkennbar sind solche Rollen an einem kleinen Spickel am oberen Rand des Kreises. In der Regel bestimmen die Leader der äusseren Kreise jene der inneren Kreise, dieses System kann aber auch anders und demokratischer festgelegt werden.
Peerdom hilft die Verteilung von Rollen in Arbeitskreisen zu visualisieren, Purpose und Beschreibungen der Rollen bleiben präsent. Nicht in Peerdom hinterlegt sind die Prozesse beispielsweise zur Abstimmung unter den Rollen oder Governance-Meetings.
Das Google Maps der rollenbasierten Organisation
Um zu erklärten, was Peerdom für die rollenbasierte Organisation ist, greift Alex Margot zu einem Beispiel: “Eine Organisation in Peerdom ist vergleichbar mit der Darstellung einer Stadt in Google Maps.” Keine Stadt ist gleich gebaut, aber der Plan verschafft den Überblick. Er gibt Antworten auf Fragen wie: “Wie komme ich auf dem kürzesten Weg vom Hotel zum Bahnhof?” “Wo finde ich eine Apotheke?” Google Maps zeigt Gebäude, Strassen und Plätze aus der Vogelperspektive, schematisch oder als Satellitenbild. Orte lassen sich ein- oder auszoomen und aus allen Himmelsrichtungen betrachten. Google Street View zeigt Gebäude von aussen, schafft aber auch Einblick in einen Bahnhof oder Flughafen. Und haben Sie schon einmal Google Live View unterwegs ausprobiert? Grossartig! Aber lassen wir das, ich schwenke ab. :-)
Peerdom bildet die rollenbasierte Organisation, ähnlich wie Google Maps, schematisch ab. Das heisst nicht, dass es die Organisation vorgibt; denn die eine Lösung, ein ‘richtig’ oder ‘falsch’, gibt es nicht. Peerdom gibt also keine Lösung vor, das digitale Tool hilft aber, sie zu visualisieren. Eigentlich verhält es sich gleich wie beispielsweise mit einem Content-Management-System: Es kann noch so ausgeklügelt sein, ohne Content-Strategie ist es wertlos. Es gilt auch hier: “A fool with a tool is still a fool”, wie der Informatiker Grady Booch einmal treffend gesagt hat.