Auf Twitter ist er mit 12 Follower keine grosse Nummer und trotzdem hat es Tim Jarvis geschafft, die Verantwortlichen im Kundensupport von Verizon Wireless anständig ins Schwitzen zu bringen. Dabei begann alles mit diesem wirklich harmlosen Tweet:
Keine Ahnung was die Support-Mitarbeiter getrieben hat, diese harmlose Anfrage auf so groteske Art und Weise zu versenken. Es ist ihnen gelungen, innert kürzester Zeit Verizon Wireless zum Gespött bei Google+, Facebook und Twitter zu machen.
Wenige Stunden nach dem ersten Tweet hat Tim Jarvis den Kanal gewechselt um sich um 17:27 Uhr bei Google+ Luft zu machen: „Real tired of your shit +Verizon Wireless“. Verbreitet sich hier ein Thema, kann das mit Google Ripples sehr genau nachvollzogen werden. Hier sieht man nicht nur, wer den Beitrag weitergegeben hat, sondern auch auf welcher (hier noch kurzen) Zeitachse und mit welcher Begleitmeldung.
51mal wurde der Beitrag von Tim Jarvis von dort direkt weiter geteilt, durch weitere Verteilung insgesamt 124mal. Entdeckt hat ihn um 18.11 Uhr auch sein Online-Potenter Namensvetter Jeff Jarvis (knapp 130’000 Follower auf Twitter, bei Google+ in knapp 2.8 Mio. Kreisen). Jeff Jarvis (u.a. Autor von „What Would Google Do?“) ist definitiv kein Verizon-Fan, wie man seinen bisherigen Äusserungen auf verschiedenen Kanälen entnehmen kann. In seinen Kreisen wurde der Beitrag nochmals 37mal direkt und insgesamt 46mal geteilt. Dort habe auch ich ihn entdeckt. Innert wenigen Stunden wurde der Beitrag also bei Google+ 124mal öffentlich und insgesamt 193mal weiter verbreitet.
Und auch bei Facebook ist der Austausch gelandet, davon hat Tim Jarvis dann wieder über Twitter erfahren: Die Seite Condescending Corporate Brand Page hat den Dialog mit diesen Worten unter ihre über 51’000 Fans gebracht: „This has genuinely just made us cry. Here’s what you might call a ‘keyword response fail’ from Verizon Wireless“. Innert 16 Stunden wurde er auch hier 157mal geteilt, 377mal geliked und gegen 70mal kommentiert – Verizon ist nicht dabei.
Das Thema ist noch sehr neu und dürfte sich auch noch weiter entwickeln, dennoch können wir bereits heute Folgendes daraus mitnehmen:
- Augenhöhe: Soziale Medien lassen einen unverkrampfteren Kommunikationsstil zu, die Augenhöhe darf dabei aber niemals verloren gehen. Überdrehte Cheerleader-Kommunikation (eigene Wortschöpfung) wie diese hier, haben in einem Firmen-Support-Kanal nichts verloren.
- Zuhören: Die antwortende Person bei Verizon hat es von Anfang an verpasst sachlich und damit ernsthaft auf die Frage einzutreten. Es geht hier um ein neues Betriebssystem, hallo? Wer das Thema etwas verfolgt weiss, dass es für unzählige Smartphone-Besitzer ein dauernder Wettlauf ist, möglichst rasch die neuste Version auf das eigene Gerät zu laden. Der Verweis auf die News-Seite ist an und für sich ok, ein Hinweis, bis wann mit einer Antwort zu rechnen ist, wäre besser gewesen.
- Monitoring: Wenn Kunden bei einem Kanal anstossen, suchen sie sich den nächsten. Nicht nur auf Twitter, sondern auch auf Google+ und Facebook hätte Verizon wieder etwas wett machen können.
- Analyse: Auf wenn der Kunde online „eine kleine Nummer ist“, so kann es immer geschehen, dass ein Meinungsführer das Thema aufgreift und weiter voran treibt. Anfang Jahr habe ich dazu gebloggt, wie man Beeinflusser im Web identifiziert und analysiert (einer der meist gelesenen Artikel im Blog, notabene). Dieser Fall hier belegt, wie wichtig es ist, auch das Umfeld im Auge zu haben.
Und zum Schluss: Das hier ist tatsächlich so geschehen, auch wenn Verizon Wireless die Sache gerne ungeschehen machen würde. Die entsprechenden Tweets wurden im Account nämlich gelöscht. In der Konversation bei Tim Jarvis hingegen sind sie stehen geblieben. Wie heisst es doch so schön? „Das Internet vergisst nie.“
Wunderbar. Dieses Beispiel beweist einmal wieder, wie weit Unternehmen sich vom persönlichen Kontakt zum Kunden über die Jahre hinweg entfernt haben.
Vielleicht ist dieser Vorfall auch schon die Antwort auf die Frage, warum so wenige deutsche Unternehmen die Kommunikation via Twitter wagen. Die Angst vor einer unheimlichen Kundennähe und der öffentlichen Blamage ist wohl immer noch zu groß.
Dabei würde gesunder Menschenverstand manchmal schon ausreichen, um Katastrophen zu verhindern. Aber dieser scheint sich in den Wirren der internen Prozesse und Scheuklappen zu verlieren. Veränderungen brauchen wohl Zeit. Aber ob die Geduld der Kunden ausreicht?
Wobei hier die Erwähnung fehlt, dass “Die antwortende Person bei Verizon” keine Person ist, sondern ein Support-Bot, wie Jeff Jarvis richtig schreibt.
Ein solcher Bot ist natürlich eher schlecht im Zuhören. Richtig doof von Verizon, dass da Initialen hinten angefügt werden – bei Bots. Wer kommt auf eine solche Idee? Gelernt, dass man heute transparent mit Initialen angibt, wer kommentiert – und das dann auf die Bots übertragen. Ähm, … sagen wir mal: kreativ.
Da hast du völlig recht, Sam, den Hinweis zum Bot habe ich gesehen, ihn aber – wohl wegen den Mitarbeiterkürzeln – zu wenig gewichtet. Wichtig für den Leser ist zu erfassen, wie sensibel Menschen auf Sprache reagieren und Möglichkeiten haben, doch ein beachtliches Publikum zu erreichen. In diesem Beitrag ging es mir auch darum, die Verbreitungswege aufzuzeigen.
Und ja, Silvia Rak, gesunder Menschenverstand wäre hier die Antwort, und Social Media-Präsenzen, die nicht gepflegt werden, weil das alle anderen tun, sondern weil damit Ziele verbunden sind, die mit Business-Zielen abgestimmt sind.