Wie verändert sich das PR-Geschäft unter dem Einfluss der sozialen Medien? Dieser Frage können sich PR-Schaffende nicht mehr entziehen. Tapio Liller und ich haben dieser wichtigen Frage in unserem Buch PR im Social Web gar ein eigenes Kapitel gewidmet. Nun habe ich eine Infografik von amerikanischen Agentur inkhouse entdeckt, die einige wichtige Aspekte dieser Frage aufgreift und das Gestern und Heute gegeneinander abwägt (am Ende dieses Beitrags).
Dass noch nicht alle Veränderungen in Europa angekommen sind, zeigt die Reaktion von Stephan Fink, Vorstand von Fink & Fuchs PR zur Frage auf Twitter, wo er in seinem Praxisalltag die Abweichungen sieht:
@mcschindler Hi, reichlich, je nach Mandat. Aber immer mehr sind gut auf dem Weg. Wobei die Klassik nach wie vor sehr bedeutsam ist. lG SF
— stephanfink (@stephanfink) August 14, 2013
Wagen wir dennoch einen Blick in die Zukunft, die je nach Branche und Unternehmen bereits bei uns angekommen ist:
Second Day News vs. Second Hour News
Gestern reichte es, wenn die Nachricht am Folgetag in der Zeitung war, heute ist sie bereits eine Stunde später in Online-Medien und Blogs, via Twitter gar noch schneller, öffentlich. Wie war das nochmals mit „nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern?“.
Press Conference vs. Twitter Chat
Die rasant wachsende Twitterliste mit Schweizer Medienschaffenden von David Bauer mag nur ein Indiz dafür sein, dass Journalisten immer öfter auf Twitter recherchieren und dort für Impulse und Inhalte empfänglich sind. Nicht neu sind ausgedünnte Redaktionen, die eine Teilnahme von Medienschaffenden an Pressekonferenzen fast nur noch in Ausnahmefällen möglich machen. Nur logisch, dass sich Gespräche zunehmend online und in schnelle soziale Medien verschieben.
Impressions vs. Influence
(Bezahlte) Abdrücke in Medien sind rückläufig, an Gewicht gewinnen Inhalte, die online verbreitet werden. Das funktioniert allerdings nur, wenn es Kommunikatoren gelingt, durch gute Geschichten und spannende Inhalte Aufmerksamkeit zu erzeugen und mit ausdauernder Aufbauarbeit in ihrem Themenbereich Einfluss zu gewinnen … und nicht zu kaufen.
Your Product vs. Your Point of View
Hier verbirgt sich wohl eine der grössten Herausforderungen, aber auch eine Fähigkeit, für die PR’ler wohl eher gerüstet sind wie Marketer: Einen Schritt vom Produkt zurücktreten und die Gesamtsicht in den Blick nehmen. Was zählt ist die Perspektive, die Welt rund um das Angebot und – das bringt die Bezeichnung „Your Point of View“ leider nur unzulänglich zum Ausdruck – die Sichtweise der Kunden und Konsumenten sowie der konkrete Nutzen.
News Clips vs. News Links
In wie vielen Unternehmen schustern Praktikanten und Sachbearbeiterinnen wohl noch Medienspiegel aus Zeitungsausschnitten zusammen? Die Nennung in den klassischen Medien hat für einen grossen Teil der Gesellschaft noch immer eine Relevanz. Google kennt aber eine andere Währung: Links und Backlinks. Erweitern würde ich den Themenkomplex aber um die strategische Bedeutung der Hashtags, zu der Daniel Joerg kürzlich einen interessanten Blogbeitrag publiziert hat.
Live Demos vs. Video Demos
Persönliche Produktführungen sind nur noch in Ausnahmefällen effizient. Inzwischen ist YouTube ist ein wahres Eldorado für Anleitungen geworden. Von Installationsanleitungen von Geberit für Sanitäre über die Vorführung des „Automatic Order-Picking Systems“ von Krones mit über 78’000 Views bis zur Anleitung von Schwarzkopf, wie ein Haarfärbemittel am besten verwendet werden sollte (128’000 Views!); hier scheint es keine Grenzen zu geben. Und hier ein Gruss an alle, die bei der Erwähnung von Google+ die Nase rümpfen. Die ideale Verzahnung von Demo und Interaktion bilden die dortigen Hangouts, u.a. erfolgreich eingesetzt vom Schweizer KMU Veloplus. Sie leben nicht nur vom Moment des live-Austausches sondern auch darüber hinaus als Video zum Nachschauen auf YouTube oder eingebettet in Website und Blog.
Excel vs. Infographics
Das ist für uns tendenziell eher sprach- und textlastige PR-Menschen ein schwieriges Thema. Die fast inflationär über Twitter und andere soziale Medien in Umlauf gebrachten Infografiken zeigen, dass bildlich aufbereitetes Zahlenmaterial auf fruchtbaren Boden fällt. Die Umfrage von News Aktuell im letzten Jahr hat gezeigt, dass Journalisten bei der Rercherche gerne auf Infografiken zurückgreifen. Warum also nicht überlegen, wie der Zahlenteil aus dem Jahresbericht aufbereitet werden kann, dass er visuell ansprechend und auch für Mitarbeitende ausserhalb der Finanzabteilung verständlich wird? Kunst ist nicht nur die Komplexität zu reduzieren, sondern die Thematik mit einem Grafiker verständlich und attraktiv zu präsentieren.
Auch wenn online Vieles in Bewegung ist, so braucht es doch eine Grundlage die sitzt. Basis für gute PR-Arbeit sind: Fakten, etablierte Beziehungen, Themenführerschaft und Wille zum Agendasetting. Hinzu kommen Bereitschaft und Fähigkeit, gute Geschichten zu erzählen, hellwach für Themen und Stimmen von aussen zu sein und wo nötig rasch zu reagieren.
Ein Kommentar zu “PR gestern und heute: Die wichtigsten Veränderungen, die das Social Web gebracht hat.”