Welche Verhaltensregeln geben sich PR-Schaffende in ihrem Beruf? Welche Grundsätze aus den geltenden Kodizes werden heute noch praktiziert? Dazu hat die Hamburger Agentur adpublica, im 2. Quartal dieses Jahres, bei 1’000 leitenden Kommunikatoren aus Unternehmen und Agenturen eine Umfrage gemacht. Themen waren insbesondere die erfolgsabhängige Honorierung und die Transparenz von bezahlten und incentivierten PR-Beiträgen und Blogposts.
Der Rücklauf von gerade mal 8.3 Prozent würde die Besprechung dieser zum vierten Mal durchgeführten Umfrage nicht rechtfertigen. Auch lockt die Erhebung zur Bekanntheit von Kodizes wohl keinen Hund hinter dem Ofen hervor. Interessant ist aber die Frage, inwieweit beispielsweise der
Lissaboner Kodex in Bezug auf Transparenz und monetäre Anreize auch für das Thema Blogging Gültigkeit hat. Ich greife in der Folge drei Themenkomplexe heraus. Auch wenn die Ergebnisse nicht repräsentativ sind, so sind es doch Fragen, mit denen sich PR-Schaffende beschäftigen müssen. Zudem schliesst die Studie gut an meinen Beitrag “Blogger Relations: Schnee von gestern oder Herausforderung von morgen?” an, bei dem es um selbstverordnete Richtlinien und einen Blogger Kodex geht.
Erfolgsabhängige Honorierung
Was zum Zeitpunkt meiner PR-Ausbildung noch ein rotes Tuch war, hat sich in der Praxis über die Jahre entwickelt. Im Jahr 2000 wurde Artikel 11 im Codex von Lissabon, der eine erfolgsabhängige Honorierung verbietet, gestrichen. Im Jahr darauf fanden 80% der Befragten diese Massnahme sinnvoll bis sehr sinnvoll. Die langfristige Betrachtung zeigt jedoch: Die Zulassung der erfolgsabhängigen Honorierung findet immer weniger Befürworter. “Es stellt sich die Frage, ob man die Zulässigkeit erfolgsabhängiger Honorierung in der Zukunft wieder auf den Prüfstand stellen sollte”, merkt dazu adpublica an. Pikant dabei: Die Agentur wirbt auf ihrer Seite offensiv mit dem Modell der erfolgsabhängigen Honorierung. Ich stehe dem Thema weiterhin skeptisch gegenüber. Auch wenn die Online-Kommunikation heute eine Vielzahl von neuen Messgrössen hervorbringt, so ist Bemessung des ROI eine nicht geknackte Nuss. Hier den Beitrag einer Agentur am Erfolg zur quantifizieren scheint mir, angesichts der vielen Einflussfaktoren, nicht realistisch.
PR-Praxis: Ist Blogging Journalismus?
Die Umfrage versucht auch den Bogen von der klassischen PR-Arbeit zur Online-Kommunikation zu schlagen mit der Frage: “Bezogen auf PR-Aktivitäten im Social-Media-Bereich: Denken Sie, dass Blogging eine Form von Journalismus ist?” 69% legen dafür ein klares Ja ein, 26% sprechen dem Blogging journalistische Attribute ab, 5% blieben die Antwort schuldig. Dazu adpublica: “Überraschend erscheint die Bewertung von Blogging, das von immerhin einem Viertel der Befragten nicht als Journalismus anerkannt wird.” Leider geht aus der Fragestellung nicht
hervor, ob Corporate Blogs oder private Blogs gemeint sind. Gerade Corporate Blogs verharren oft noch in sich selber und tun sich mit einer journalistischen Herangehensweise und der Verlinkung auf fremde Quellen schwer. Auch wenn 70% der Befragten der Meinung sind, dass Blogging eine Form von Journalismus ist sagt das noch nichts über die Qualität aus. Die Messlatte liegt hoch und sie wird wohl eher noch selten erreicht. So gesehen ist die hohe Zustimmungsquote eher als Zielvorgabe, denn als Fakt aufzufassen.
Gekaufte Blogartikel kennzeichnen?
Spannend auch diese Frage nach Artikel 15 (im Kodex von Lissabon). Demnach müssen Informationen immer unentgeltlich und ohne verdeckte Belohnung zur Verwendung und Veröffentlichung bereit gestellt werden. Frage an die Teilnehmer: “Haben Sie innerhalb einer PR-Aktion schon einmal Blogger incentiviert, damit sie im Gegenzug einen Artikel über Sie oder Ihr Produkt verfassen, ohne dies als Kooperation kenntlich zu machen?” 16% haben schon einmal die Arbeit von Bloggern honoriert, allerdings werden in dieser Frage zwei Perspektiven gemischt. Auf der einen Seite incentiviert das Unternehmen. Auf der anderen Seite bleibt es jedoch dem Blogger überlassen, bei der Publikation die notwendige Transparenz herzustellen. Schreibt jemand wiederholt gegen verdeckte Belohnungen, setzt er seine eigene Glaubwürdigkeit und die seines Blogs aufs Spiel. Belohnung scheint noch kaum üblich zu sein: 79% geben an, Blogger noch nie belohnt zu haben und 5% haben die Frage nicht beantwortet. Ob sie ein solches Verhalten für einen Verstoss gegen den Kodex hielten, wurden die Teilnehmenden gefragt. Fast jeder fünfte Antwortende (19%) kann darin keinen Verstoss gegen den Kodex ausmachen, gut drei Viertel lehnen ein solches Vorgehen aber ab. Hier wird sich die Praxis erst noch einspielen müssen. Ich rufe dazu gerne nochmals den Blogger Kodex von achtung! in Erinnerung.
Kodizes bis heute verpasst? Nachlesen kann nicht schaden.
Berufsleuten, die sich noch nie mit den Kodizes auseinander gesetzt haben, empfehle ich dies nachzuholen und sei es nur, um hoffentlich festzustellen dass das, was da geschrieben steht, eine beruflichen Selbstverständlichkeit ist.
Brigitte Frei hat sich 2011 in ihrer Diplomarbeit zur eidg. dipl. PR-Beraterin mit den Kodizes und ihrer Etablierung in der Berufspraxis auseinandergesetzt.
Die ganze Umfrage gibt es hier zum Download. adpublica hat zudem die Infografiken bei Pinterest verlinkt.
Liebe Marie-Christine
Ja, es würde nicht schaden, wenn PR-Schaffende hin und wieder einen Blick in Lissabon, Athen (beide für Mitglieder von pr suisse verpflichtend!) und auch Stockholm (speziell für Agenturen) werfen. Auch ich bin mir bewusst, dass das Thema nicht gerade als sexy betrachtet wird, aber gleichzeitig überzeugt, dass es uns in den kommenden Jahren verstärkt beschäftigen wird. Übrigens: Brigitte Frei wird nächstes Jahr bei einem ZSPR-Event dazu referieren (und vielleicht später noch bei anderen Regionalgesellschaften).
Peter Eberhard, Präsident pr suisse
Danke Peter, vielleicht könnte das Thema ja irgendwie ansprechender vermittelt werden? Möglicherweise mit Beispielen aus der Berufspraxsi die zeigen, dass Vieles, was ja eigentlich als selbstverständlich gelten sollte, es eben nicht ist? Oder Beiträgen, die konkrete Beispiele aufgreifen die zeigen, dass die Beurteilung in der Praxis auch Ermessensache ist.
Drüben bei Xing hat mich übrigens Anita Gut auf etwas aufmerksam gemacht: “Der Athener Kodex ging im Jahr 2011 (zusammen mit dem Code of Venice und dem Code of Brussels) im IPRA Code of Conduct auf.” Sie habe das selbst erst vor kurzen und fast nur zufällig erfahren, mir war das auch neu uns sehe auch auf der pr suisse-Seite dazu nichts. Was weisst du dazu? Und weisst du von Bestrebungen, den Code in Richtung Online anzupassen?
(https://www.xing.com/feedy/stories/977760263?sc_o=myonlb-read)