Zusammen mit den frisch erschienenen Buch mit Rezepten & Best Practices im Unternehmensalltag traf auch eine kleine Reiseapotheke ein. Damit unterstreichen die beiden Herausgeber Meike Leopold und Björn Eichstädt, dass sie mit ihrer Hilfe genau da ansetzen, wo es gerade weh tut: Schnell, einfach und praktisch. Für das Handbuch haben sie sich mit fünf weiteren Autoren zusammengetan, die sich in der Praxis bewiesen haben und ihr Wissen in jeweils einem Kapitel teilen.
Der Ansatz überzeugt, gut 150 Seiten sind gut zu bewältigen und so habe ich mich sogleich an die Lektüre gemacht. Das Buch ist übersichtlich gestaltet, auch wenn ihm etwas mehr Bilder und Infografiken gut tun würden. Gut gefällt mir die Idee, neben dem Inhaltsverzeichnis die Probleme und Rezepte zusammenzufassen. Das liest sich dann zum Beispiel so:
- “Das haben wir nie so gemacht” – darauf müssen viele Berufsleute eine Antwort finden.
- “Mitarbeiter steuern keine Inhalte bei” – gut zu wissen, wie dem abgeholfen werden kann.
- “Oberstes Management hält nichts von Social Media” – tja, was dann? Hände im Schoss falten oder …
Mehrautorenwerke haben es an sich, dass einem nicht jedes Kapitel gleichermassen zusagt. Schade ist auch die etwas gar hohe Redundanz bei gewissen Themen wie Krisen und Guidelines, auch wenn der Leser im Vorwort gewarnt wird. Das Buch gibt aber Einblick in diverse zentrale Themen, machen wir uns also auf den Rundgang durch die verschiedenen Kapitel:
Social-Media-Ziele und -Strategie finden und festlegen
Andreas Bock hat sich dem Thema angenommen und dämpft die Erwartungshaltung sogleich: ” ‘Leider’ gibt es keine Patentrezepte”. Allerdings rät er nachdrücklich, die Soical Media-Strategie aus der Unternehmens-Strategie, dem Marketingplan und dem Kommunikationsmix abzuleiten. Und wenn die Strategie nicht als Teilstrategie der Unternehmensstrategie wahrgenommen wird, sollen die Zusammenhäng mit visuellem Material aufgezeigt werden. Und er bindet auch die Aussenwelt ein: “Kunden wollen kein Gebabbel” und das kann nur sichergestellt werden, wenn dank Monitoring und Recherchen eruiert wird, wer die Kunden sind, was sie interessiert und wo sie sich bewegen. Etwas mehr Hilfe dürfte dem Leser bei der Messbarkeit gegeben werden. Wie der Leser aus den SMART formulierten Zielen die KPIs ableitet, hätte gerne mit konkreten Beispielen erläutert werden dürfen.
Richtlinien erstellen für Social Media im Unternehmen
Thomas Lehmann beginnt sein Kapitel gleich mit einer Einordnung von Begriffen, die in der Praxis wohl oft vermischt werden:
- Social Media Governance ist ein Teilbereich der Corporate Governance und umfasst alle regulierenden Massnahmen zu einer Kommuikation in sozialen Online-Netzwerken.
- Social Media Policy umfasst alle strategischen Entscheidungen zur Nutzung von Social Media.
- Social Media Guidelines sind konkrete Handlungsempfehlungen für Mitarbeiter zum Umgang mit Social Media im Kontext des Unterenehmens.
Sein Kapitel ist anschaulich und konkret geschrieben und der Leser ist danach reif für die Umsetzung. Ein Müsterchen zum Thema Corporate Governance gefällig? “Geben Sie Ihrer Marke und Ihrem Unternehmen einen Charakter, d.h. personifizieren Sie die Marke! Anders gesagt: Wie
wäre Ihre Marke, wenn sie eine Person wäre? Wäre sie selbstbewusst und witzig, oder sachlich oder kühl? Würde sie sehr persönlich und individuell auf die Menschen eingehen oder eher distanziert und zurückhaltend auftreten? Leiten Sie daraus die Handlungsempfehlungen für den Umgang mit Social Media ab, und definieren Sie Ihre Kommunikationsziele“. Und auch ein gesunder Schuss Pragmatismus ist dabei: “Verabschieden Sie sich von dem Gedanken, alle Vorstellungen unter einen Hut zu bringen”. Lesenwert! Mein absolutes Lieblingskapitel im Buch.
Prozesse: Den Arbeitsalltag organisieren
“So haben wir das noch nie gemacht”, diesen Satz hat wohl nicht nur Kapitel-Autorin Malina Kruse-Wiegand des öftern zu hören bekommen. Das die Kommunikation im Social Web in die Unternehmensprozesse eingreift wird den meisten schon bei den ersten Gehversuchen klar. Schluss mit Silo-Denken: “Social Media hält sich nicht an Abteilungsgrenzen”, wird Arnd Liedke, Pressesprecher von Tchibo zitiert. Prozesse müssen her, denn es geht einerseits darum, immer wiederkehrende Aufgaben effizient zu gestalten. Anderseits brauchen die Mitarbeiter Sicherheit zu planen, in welcher Reihenfolge und mit welchen Ressourcen Massnahmen an die Hand genommen werden sollen. Klar, dass auch das Thema Krise angepackt werden muss. Ich Zentrum steht nicht nur die Frage: Wer spricht wann mit wem, sondern ab wann ein Vorfall zur einer Krise klassiert wird. Malina Kruse-Wiegand rät, wenn immer möglich nach festgelegten Kriterien vorzugehen: “Anzahl Personen ist grösser als 20, das Thema verbreitete sich innerhalb von 24 Stunden und betrifft mehr als eine Plattform.”
Social Media im Berufsalltag
Der Bundesverband Community Management hat Anforderungsprofile an Social Media Berufe erarbeitet. Doch selbst wenn die “Eierlegende-Woll-Milch-Sau” gefunden werden sollte, reicht das für sich noch nicht. Der persönliche Berufsalltag muss organisiert werden. Anett Gläsel-Maslov gibt zahlreiche Denkanstösse zu den Themen Redaktionssitzung, Monitoring, Tools, das richtige Equipment für Social-Media-Verantwortliche. Sie rät ein gutes Frühwarnsystem auf die Beine zu stellen, für die notwendige Technik zu sorgen, aber darauf zu achten, dass der persönliche Akku nicht leer läuft. Das bedeutet, dass Social Media Manager Arbeitgeber und Kollegen klare Grenzen der Bereitschaft setzen (oder es zumindest versuchen). Nach aussen empfiehlt sie eine Art Öffnungszeiten zu setzen, wie das beispielsweise die Deutsche Bahn tut.
Wenn Mitarbeiter zu Markenbotschaftern werden
Jan-Paul Schmidt nimmt den Leser an der Hand und führt ihn zu jedem einzelnen Problem oder Fettnäpfchen, das da draussen im Praktiker-Alltag lauert. Ob es ein Fettnäpfchen ist, wenn Social Media nicht überall im Unternehmen verstanden wird, sei dahingestellt. Aber er stellt richtig fest: “Der Schlüssel für einen souveränen und professionellen Auftritt sind die Mitarbeiter Ihrer Organisation.” Folgerichtig muss ein Social-Media-Manager darauf abzielen, dass die Online-Aktivitäten im Unternehmen breit verstanden und unterstützt werden. Er schneidet aber auch andere Themen an, bei denen der Mensch im Zentrum sitzt, z.B. bei mangelndem Sicherheitsbewusstsein. So rät er dazu, bei den Social Media
Accounts Passwörter nach drei bis sechs Monaten zu wechseln und diese zentral abzulegen. Auch sollten Kanäle mindestens von zwei Personen verantwortet werden, um Konitunität auch bei Ferien oder Krankheit zu gewährleisten. Und wenn das Top-Management nichts von Social Media hält? Dann zeigt er zwei Wege auf: den harten und den smarten. Egal an welcher Stelle Management und Mitarbeiter stehen rät er: “Auf jeden Fall sollten Sie kontinuierlich über Ihre Massnahmen und Ziele berichten”. Wie recht er damit hat!
Arbeiten mit Dienstleistern
Als Agenturmensch stellt Björn Eichstädt im ersten Satz klar: “Als Social Media Manager kommen Sie um Dienstleister nicht herum”. Ganz so drastisch würde ich das zwar nicht darstellen, Fakt ist aber, dass Social Media Manager mit einer Vielzahl von Teilaufgaben gefordert sind. Allrounder zu sein genügt nicht, manche Aufgaben müssen vertieft und professionell angegangen und darum ausgelagert werden. Meist auch deshalb, weil die internen Ressourcen schlicht nicht reichen. Aber eigentlich greift Björn selber ein bisschen in die Apotheke in dem er den Leser mit Ratschlägen eindeckt, wie er den Dienstleister richtig behandeln soll, damit die Zusammenarbeit fruchtet. Beim Lesen bin ich den Eindruck nicht los geworden, dass das Agentur Business für manche Kollegen sehr hart verdientes Brot sein muss und habe mich im Stillen bei meinen Kunden bedankt, die mich über die Jahre fair und partnerschaftlich behandelt haben. Ein Dauer-Stress-Thema ist der Pitch, Mirko Kaminski von achtung! hat in seinem Wort vorm Regal den Agenturen erklärt, unter welchen Bedingungen er nicht mitmacht. Das Video wurde bis heute über 46’000 Mal angeschaut. Die Berufskollegen werden es Björn also danken, dass er im Buch das Rezept für die richtige Ausschreibung eines Pitches festgehalten hat.
Interne Kommunikation
“Ohne interne Kommunikation ist alles nichts.”, schreibt Meike Leopold, bestätigt damit ihre Vor-Schreiber und rundet mit ihrem Kapitel das Buch ab. Sie gibt Einblick in ihre eigene Berufspraxis bei Salesforce, wo sie DAS Salesforce Blog aufgebaut hat. Sie spricht sich aus für klare Verhältnisse und ein aktives Erwartungsmangement. Sie ermuntert den Leser aber auch, ein Budget einzufordern: “Je mehr Budget Sie haben, desto gewichtiger wird Ihr Aufgabenbereich von Entscheidern um Sie herum eingeschätzt.” (lässt da das Grossunternehmen grüssen?) Bei der
Suche nach Social-Media-Managern macht sie die Schwachpunkte schon bei der Ausschreibung aus: “Dass Stellenausschreibungen nicht zwischen dem strategischeen und operativen Aspekt von Social Media unterscheiden, kommt häufiger vor”. Leider wird in diesem Kapitel nochmals einiges aufegriffen, was zuvor schon behandelt wurde. Dafür ist es als einziges mit Beispielen illustriert.
Das Buch soll Social Media Managern erste Hilfe bieten und diesem Versprechen kommt es zweifellos nach. Es gibt nichts, was ich in der Apotheke dazu vermissen würde. Allerdings merkt man dem Buch auch an, wie schwierig es ist, bei der ersten Hilfe zu bleiben und nicht zum Operationsmesser zu greifen oder mit der Pflege einzusetzen oder gar zum Operationsmesser zu greifen. Das tut dem Buch aber keinen Abbruch. Ich empfehle es allen, die sich mit dem Thema frisch auseinandersetzen. Sie erhalten durch die Lektüre die nötigen Informationen, um den Aufwand aus Ausagen wie “Wir machen Facebook” oder “Unsere Konkurrenz bloggt, wir wollen das auch” abzuleiten.
Erste Hilfe für Social Media Manager (auch als ePub)
Erfolgreiches Marketing in sozialen Netzwerken
Meike Leopold , Björn Eichstädt (Hrsg)
Autoren: Andreas H. Bock , Anett Gläsel-Maslov , Malina Kruse-Wiegand
Taschenbuch: ca. 150 Seiten
Verlag: dpunkt Verlag (1. Auflage 1.10.2014)
ISBN : 978-3-86490-197-3
Preis: EUR 24.90 (D), 25.60 (A)
Bestellung direkt beim dpunkt Verlag, Inhaltsverzeichnis und Leseprobe.
Liebe Marie-Christine, ganz herzlichen Dank für deine Rezension und die Verbesserungsanregungen! Zum Thema Budget und Großunternehmen: Auch dort ist das keineswegs eine einfache Sache ;). Bzw.: Ohne konkreten Nutzennachweis in Übereinstimmung mit den Unternehmenszielen fließt die Kohle nicht oder nur sehr spärlich ;) lg aus München, Meike
Das kann ich mir lebhaft vorstellen. Geschmunzelt habe ich über die Perspektive, die das Geld und nicht weniger die Leistung in den Mittelpunkt rückt. Gut habt ihr dieses Buch geschrieben, ich finde es wertvoll, wenn Praktiker ihr Wissen und ihre Erfahrungen teilen.