Wie identifiziert man Beeinflussen, also Personen, die für ein Unternehmen oder eine Branche wichtig sind und deren Stimme im Netz gehört wird? Gewisse Branchen haben online eine aktive, teils vernetzte Szene, wie beispielsweise die Automobilindustrie. Hier werden die aktiven Onliner zu einem Thema quasi auf dem Silbertablett präsentiert. Für andere Themen müssen sie erst in hartnäckiger Kleinarbeit gefunden werden. Aber wer hat letztlich das Sagen, ist also Beeinflusser oder neudeutsch Influencer? Welches sind gute, weil gewichtige Beeinflusser und wie können sie gefunden werden? Mittlerweile gibt es einige hilfreiche Tools, die ich in diesem Beitrag kurz vorstellen werde. Doch zuerst zur Einordnung.
Netzwerker und Experten
Das renommierte U.S. Marktforschungsunternehmen Forrester Research unterscheidet in der Peer Influencer Analysis zwischen Netzwerkern und Experten. Wir haben sie in unserem Buch PR im Social Web vorgestellt und auch die 90-9-1-Regel von Nielsen, die mit dieser Studie bestätigt wird. Es ist eine Minderheit von Onlinern, die den Löwenanteil der Inhalte liefert, aktiv sind gemäss Forrester zwei Gruppen:
- Mass Connectors = Netzwerker. Auf Facebook, Twitter, Google+ und LinkedIn sind sie mit einer grossen Zahl Menschen verbunden, im Durchschnitt haben sie in allen Netzwerken 537 Kontakte. Sie haben grosses Interesse, weitere Kontakte kennenzulernen und sich mit ihnen zu verbinden. Ihren Einfluss üben sie durch ihre grosse Reichweite aus.
- Mass Mavens = Experten. Diese Menschen bieten Wissen und Einblicke in Themen, mit denen sie sich vertieft auseinandergesetzt haben. Sie geben ihr Know-how weiter in Blogs, Foren, in Besprechungen und Bewertungen. Sie haben den Wunsch, Fakten, Erkenntnisse und Meinungen einerseits als Inspiration zu sammeln, anderseits aber auch wieder zu verteilen. Sie ziehen ihr Publikum durch die Aufbereitung ihrer Themen an. Die Menschen, die sie erreichen, überzeugen sie mit hoher Wahrscheinlichkeit.
So viel zur Einordnung, die für die Analyse wichtig ist, aber wie packt man das in der Praxis an? Trotz der riesigen Auswahl von sozialen Netzwerken finden sich die meisten Beeinflusser letztlich wieder bei Twitter. Kaum ein Blogger, der nicht auch twittert, so meine Beobachtung. Und in diesem Umfeld finden sich auch die mächtigsten Tools, welche den grösseren Zusammenhang aufzeigen, aber nicht nur.
Tools zur Analyse der Beeinflusser
- Die Recherche mit Followerwonk beginnt mit einer ganz profanen Suche durch die Twitter Bios, also nach Themen. Gezeigt wird auch, wie lange jemand dabei ist, der Anteil an Retweets (Relevanz) und Mentions (Vernetzung). Das Tool bietet vertieften Einblick zum Umfeld. Es ist kostenlos, bietet aber auch ein Pro-Version mit zahlreichen Zusatzfunktionen.
- SocialBro legt den Schwerpunkt auf das eigene Netzwerk, ist also weniger geeignet, für die Suche nach neuen, möglichen Beeinflussern. Es zeigt aber in der eigenen Community die Influencer an, gibt Aufschluss über Themen und geht einen Schritt weiter, indem es im eigenen Kontext die beste Zeit zum Twittern ausgibt. Geht es ums Thema Einfluss, verlinkt SocialBro auf die Analyse von Peerindex.
- Tweetlevel ist eine Anwendung von Edelman. Interessant bei der Influencer-Analyse ist die Aufteilung nach Rollen in Viewer, Commentator, Curator, Idea Starter und Amplifier wobei letztere die grösste Popularität und Einfluss haben. So lässt sich jeder Twitterer einordnen.
Strategisch besonders interessant ist der Befund zu den Curators: „This group though having a far smaller audience are perhaps one of the most influential groups. Long after the idea starter and amplifier have left a conversation, it is the curator that maintains discussion.“ Es sind also jene aktiven Onliner, die eine verlassene Glut wieder zum Feuer entfachen können – im Guten wie im Schlechten. Sie gehören ebenfalls ins Monitoring einer Organisation.
Spannend auch die Suche nach Themen. Aus aktuellem Anlass habe habe ich das „Trending Topic“ bei Twitter #Papst gewählt. Man erfährt, wer bei den 4’150 Tweets der letzten 24 Stunden den Ton angab, eine vertiefte Analyse zu den einzelnen Accounts erhält man, wenn man die Mailadresse angibt. Aufschlussreich ist auch die Zusammenstellung der Quellen „Top Shared Web Links“, in diesem Fall ist es mit 271 die Satire-Seite Postillion. Dass bei einem Mainstream-Thema sich schnell auch die zynische oder humoristische Seite breit macht, verwundert nicht. Gibt man ein etwas unaufgeregteres Thema wie z.B. „Winterreifen“ ein, präsentiert sich ein ganz anderes Bild. Eine stark regionalisierte Übersicht über heisse Themen liefert Trendsmap.
- Google+ Ripples dürften bei den Analysetools noch eher ein Schattendasein fristen, darum hier erst mal eine kurze Erklärung, worum es geht: Das Ripple-Diagramm zeigt, wie sich ein Beitrag durch öffentliches Teilen auf Google+ verbreitet hat. Die Pfeile geben an, in welcher Richtung der Beitrag geteilt wurde. Ineinander verschachtelte Kreise bedeuten, dass der Beitrag in einer Kette mehrfach geteilt wurde; ein grosser Kreis heisst also, dass der Beitrag sehr oft geteilt wurde. Dazu geliefert werden die Meldungen, die Angabe zu den Multiplikatoren und die Zeitachse der Verbreitung. Ripples findet man, wenn man bei einem Beitrag, der weiter geteilt wurde, im Post oben rechts beim Dreieck im Dropdown-Menü auf „Verbreitung anzeigen“ klickt. Dieser Beitrag zeigt sehr schön, wie Unternehmen Ripples nutzen und die Beziehung zu Power Usern über Google+ hinaus aufbauen und pflegen können.
Die Illustration rechts zeigt sehr anschaulich, wie massiv sich der Beitrag von Kim-Sascha Decker mit einem Bild von Angela Merkel mit Papst Benedikt XVI auf Google+ verbreitete und eine eigene, ungewollte Dynamik entfaltete. Darum wurden zwischenzeitlich die Kommentare deaktiviert.
- Challenger hat eine App für Facebook entwickelt. Diese lässt die Analyse des eigenen Netzwerks zu und zwar mit einer live animierten Karte. In Echtzeit wird sichtbar, wessen Beiträge von wem geliked werden, wo ein User kommentiert, „gefällt mir“ klickt oder neue Freundschaften knüpft. Sichtbar wird, wer mit wem verkehrt und wer als Konnektor ein Thema von einem Bekanntenkreis (z.B. ehemalige Studienkollegen) zu einem anderen Kreis (z.B. Arbeitskollegen) weitertragen kann. Die aktivsten Freunde (Kreis) oder populäre Inhalte (quadratisch) werden umso grösser angezeigt, je populärer sie derzeit sind.
- Wolfram Alpha analysiert Funde im eigenen Facebook-Profil basierend auf Algorithmen. Die neue Software „Facebook Report“ liefert aufschlussreiche Daten über Facebook-Profile über einflussreiche Freunde, zu welchen Uhrzeiten und an welchem Wochentag zu welchem Thema Posts verfasst wurden usw. Die Ergebnisse der Analyse werden vom Programm in bunten Karten, Netzwerkvisualisierungen und Diagrammen ausgegeben.
- LinkedIn lässt eine ähnliche Visualisierung des eigenen Netzwerkes zu, die Karte hat allerdings, seit ich sie zum letzten Mal genutzt habe, deutlich an Übersichtlichkeit eingebüsst. Update: Leider hat LinkedIn diese Visualisierung im September 2014 eingestellt.
Ohne Fleiss kein Preis
Auch wenn Dienste wie Klout, Peerindex, Kred usw. suggerieren einflussreiche Personen zu identifizieren, so lässt sich mit dieser Information für den eigenen beruflichen Alltag wenig anfangen. Letztlich ist es eine Frage von ausdauerndem Monitoring und sorgfältiger Handarbeit, bis die einflussreichen Persönlichkeiten für das eigene Thema und/oder Branche gefunden sind. Der wahre Einfluss lässt sich nicht auf einer Plattform anhand eines oft nicht völlig schlüssigen Wertes bemessen. Viel mehr geht es darum, einen Gesamteindruck zu erhalten, der sich durch Konsistenz über verschiedenen Tools und Netzwerke hinweg bestätigt. Gemeinsame Themen lassen sich durch Lektüre und den persönlichen Austausch identifizieren. Es ist also eine Frage der Qualität der Beziehung, die über Erfolg oder Misserfolg entscheidet, gerne auch mal im persönlichen Gespräch.
Die Mehrheit der vorgestellten Tools reflektiert das eigene Netzwerk, wenn es weitere Tools gibt wie Followerwonk, die eine Analyse von aussen zu Profilen und Seiten erlauben, freue ich ich über eine entsprechende Ergänzung im Kommentar.
«Letztlich ist es eine Frage von […] sorgfältiger Handarbeit, bis die einflussreichen Persönlichkeiten für das eigene Thema und/oder Branche gefunden sind.»
In vielen Branchen in der Schweiz immer noch Handarbeit 1.0, möchte ich ergänzen. Angesagt sind dann nicht flinke (Online-)Tools, sondern (Offline-)Geduld, Geduld, noch einmal Geduld – und Qualität in der Kommunikation auf allen Kanälen.
Richtig. Es ist ein Prozess, der sich durch alle Welten zieht. Und in manchen Branchen ist er in voller Fahrt und in anderen ist er noch nicht mal richtig in den Startlöchern.
Vielen Dank für die schöne Übersicht! Gut erklärt. Ich verlasse mich bei der Analyse allerdings immer zum Teil auf die Tools, sondern beziehe auch immer mein nicht-virtuelles Netzwerk ein. Wie Du auch richtig schreibst “Die Mehrheit der vorgestellten Tools reflektiert das eigene Netzwerk” so müsste es auch heißen: Die Mehrheit der Tools reflektiert das analoge Netzwerk. Meist sind die sog. Influencer im Web auch Speaker auf Konferenzen und Autoren von Fachrtikeln in den einschlägigen Publikationen. Ein Tool, das ich auch sehr gerne nutze ist Social Mention http://www.socialmention.com: Es zeigt mir zu den gewählten Schlagworten nicht nur den Content an, sondern auch wer die Hauptcontributor sind, eine vereinfachte Sentimentanalyse und die Top Keywords. Ich habe Deinen Artikel genommen, um mal wieder meine Ecke des Internets zu durchsuchen und siehe da… da ist mir jemand aufgefallen, den ich bislang nicht auf dem Radar hatte. Danke auch dafür!
Endlich wird das Thema mal intensiver beleuchtet.
Wir versuchen diese Personen mit dem Spreadly Button zu identifizieren.
Grüße
Marco
Gerne, @Maren. Das Thema in einem Post abzuhandeln ist nicht machbar. Mit dem was du sagst, bin ich völlig einverstanden. Influencer Analyse ist hartnäckige Kleinarbeit die alle Quellen, analog wie digital und das bisherige Umfeld mit einschliesst. Es wäre an einem Barcamp (oder an der re:publica) spannend eine solche Recherche-Session zu machen, bei dem man sich gegenseitig über die Schulter schauen kann. Es geht ja jeder wieder aus seiner eigenen Perspektive vor. Und nein, re:publica fällt zumindest teilweise weg, da gibt’s ja kein WLAN, dafür jede Menge liebe und interessante Menschen :-)
Und Danke, @Marco Ripanti: Sag doch unseren Lesern hier aus erster Hand, was der USP von Spreadly ist.
Gerne doch … Wir wollen das Thema Social Sharing transparenter machen. Für möchten die Menschen identifizieren, die für bestimmte Themen stehen und deren Netzwerk sich auch für deren geteilte Inhalte interessiert.
Teilen können wir alle, doch wer von unseren Kontakten legt wirklich Wert darauf unsere Inhalte zu lesen?
Mit Spreadly wollen wir deutlich mehr Licht in das Thema bringen.
Vielen Dank
Marco
Bin gerade über diesen Artikel gestolpert und bin wirklich überrascht, dass der Inhalt auch nach mehr als 2,5 Jahren noch aktuell ist. Influencer Marketing ist wirklich ein sehr interessanter Weg, um qualitative Inhalte auf einer kooperativen Ebene mit wichtigen Bloggern zu entwickeln. Auch auf der dmexco stand dieses Thema im Fokus und neue Tools wie Influencer DB (https://www.influencerdb.net/), Influma (http://www.influma.com/) und Buzzbird (http://buzzbird.co/) wurden diskutiert.
Ich bin äußerst gespannt, inwiefern sich Influencer Marketing vom Rising Star zum Top Star des Marketings verändern kann und freue mich auf tolle, kreative Kampagnen mit den Stars von YouTube, Instagram und Co.
Ich denke, das Thema nimmt jetzt erst Fahrt auf. Haben Sie diese Tools schon selber ausprobiert? Influma kann man vergessen, was da an Resultaten auf eine Suche kommt ist mehr als peinlich. Buzzbird ist “coming soon”. Technisch ist das Thema auch ein Tummelfeld für Startups. Spannend finde ich Entwicklungen wie z.B. Instameets https://www.zuerich.com/de/besuchen/instameet-zuerich-juni-2015-visitzurich. Das darf aber nicht darüber hinweg täuschen, dass es hierfür Beziehungsarbeit braucht und das bedeutet Aufbau und nicht den schnellen Erfolg auf Knopfdruck.
Ist zwar ein alter Post, aber ich arbeite schon seit längerem mit der Plattform Reachbird.io ( https://www.reachbird.io/de) zusammen. Exzellentes Tool zum Finden, Analysieren und Managen von Influencern und Influencer Kampagnen.
Vielen Dank für diesen Tipp, der ist auch bei einem älteren Beitrag willkommen. Den Link habe ich korrigiert.