In der Schweiz ist dieses Jahr Wahljahr, in Zürich ist es am 12. April soweit. Die KandidatInnen sind gefordert, sich als wählbare Persönlichkeiten zu präsentieren. Klassische Mittel wie Plakate, Standaktionen, Interviews und Podiumsgespräche gehören auch dieses Jahr zum Repertoire. Standard ist auch die eigene Website. Hinzu gekommen ist die Positionierung über die sozialen Medien. Kürzlich habe ich einem Wahl-Podium beigewohnt. Für einmal ging es nicht um politische Positionen sondern darum, wie diese fünf KandidatInnen die sozialen Medien im Wahlkampf nutzen.
Der Anlass war schwach besucht, die Atmosphäre gemütlich, fast schon familiär. Für die Zuhörer hatte das den positiven Effekt, dass die Podiumsteilnehmer recht offen Auskunft gaben. Sie sagten mit Argumenten aber auch auf der Metaebene viel aus über ihre Herangehensweise und Haltung gegenüber der Kommunikation in den sozialen Medien. Ich habe mir die Online-Präsenzen der Fünf im Vorfeld angeschaut und sah mich zum Teil arg getäuscht. Allein dafür hat es sich gelohnt den Anlass zu besuchen um meine Aussensicht mit der Darstellung der Absender abzugleichen.
Ich habe mir überlegt, ob ich diesen Beitrag überhaupt schreiben soll, denn ich kann mir vorstellen, dass sich manche Aussagen in einem anderen Kontext, zum Beispiel in der Zeitung, schlecht machen. Dennoch will ich die fünf unterschiedlichen Positionen teilen, tue das hier aber neutralisiert, ohne Geschlecht und ohne Partei. Es geht mir hier um die Ansichten zur Nutzung und nicht darum, darüber KandidatInnen zu qualifizieren — das ergäbe ein zu einseitiges Bild.
- KandidatIn 1: Nutzt Facebook mit einem persönlichen Profil. Nach eigenen Angaben werden teils selber, teils von Drittpersonen regelmässig Beiträge gepostet, mit und ohne Bild “um das Feuer zu entfachen”. Und es klingt durch, dass es doch einen nicht zu unterschätzenden Aufwand bedeutet die Posts richtig zu texten und zu gestalten. Die Beschreibung klang farbig — ich muss mich auf die Beschreibung verlassen. Wer mit der Person nicht befreundet ist, sieht davon nichts. Das ist, auf Nachfrage, so durchaus gewollt, als Schutz gegen Spam. Warum, so frage ich mich, macht man sich die Mühe auf Facebook den ganzen Aufwand zu betreiben? Dies in einem limitierten Umfeld, das mutmasslich aus ohnehin grösstenteils zugewandten Wählern besteht. Und wäre da die Seite nicht das besser geeignete Mittel? Twitter ist keine Option weil sich KandidatIn 1 dafür selber als zu wenig gewichtig betrachtet und nicht zu allem “den eigenen Senf” dazu geben will.
- KandidatIn 2: Hat sich mit dem Kommunikationsberater sowie dem Ehepartner abgesprochen und gemeinsam Chancen und Risiken abgewogen. Man kam zum Schluss, dass Social Media kein taugliches Mittel für den Aufbau der Kandidatur sind. Eine ehrliche und konsequente Haltung zu der man selbstverständlich geteilter Meinung sein darf. KandidatIn 2 hat eine eigene Website, die Partei betreibt auf Facebook eine Seite, wo unter anderem auch diese Kandidatur stattfindet.
- KandidatIn 3: Engagiert sich aktiv, regelmässig und mit einer schönen Portion Human Touch auf Facebook und Twitter. Das ist etwas überraschend, ich hätte KandidatIn 3 diesen Stil nicht gegeben, aber er wirkt authentisch. Ich kenne KandidatIn 3 nicht persönlich und belasse es im Vorfeld dabei. Auf dem Podium wird dann klar: Kein Beitrag ist selber geschrieben, die Prozesse und Abläufe streng geregelt und jeder Tweet wird dreimal kontrolliert. KanditatIn 3 greift auf den Support eines geübten Mitglieds aus der Jung-Partei zurück. Man bespricht gemeinsam Themen, die “bei den Jungen” ankommen könnten und bereitet sie auf. Diese Herangehensweise, die auf einer engen Zusammenarbeit beruht, mag man so gutheissen. Ungut, wenn KandidatIn 3 sich dann aber auf dem Podium vergisst und über dieses “Fazebuck” und “Twitter-Gschmöis” herzieht und damit die ablehnende Haltung klar ausdrückt. Werden da Fans und Follower nicht etwas gar arg an der Nase herumgeführt?
- KandidatIn 4: Hat alle Präsenzen professionell und sauber ausgerichtet: Webauftritt, Facebook, Twitter. Bespielt wird alles selber, als “Notnagel” haben zwei Personen Zugriff zu den Accounts und übernehmen in seltenen Fällen nach einem Anruf von KandidatIn 4. KandidatIn 4 nutzt die sozialen Medien aus Überzeugung “weil man hier die grosse Chance hat, etwas selber zu sagen und Akzente zu setzen”. Kandidatin 4 setzt auch auf Twitter, weil hier Journalisten unterwegs sind, diese nehmen auch sehr oft Kontakt auf. Bei Facebook geht es eher darum, Positionen zu beziehen. Dass jetzt im Wahlkampf auf den Kanälen mehr Betrieb herrscht, liegt auf der Hand, die Kanäle nach den Wahlen still zu legen, ist aber kein Thema .
- KandidatIn 5: Baut auf die “bilaterale Kommunikation”, sieht aber ein, dass es im Hinblick auf die Wahlen eine grössere Streuwirkung braucht. So hat KandidatIn 5 bei Facebook eine Seite, Ziel ist es aber nicht primär, Anhänger der eigenen Partei zu mobilisieren, sondern das Feld auf andere Parteien auszuweiten. Das Engagement ist auf die Wahlen beschränkt, die Pflege der Inhalte delegiert; auch hier verdient sich ein Mitglied aus der Jung-Partei ein Zubrot.
KandidatInnen sind — besonders in der Wahlzeit — mehrfach gefordert, alle klagen über die ewig volle Mailbox und den hohen Druck aus einer Vielzahl weiterer Kanäle (SMS, Combox, WhatsApp). Dass soziale Medien das Nachsehen haben können, ist nachvollziehbar. Die Wahl der Mittel hat meiner Meinung nach aber nicht alleine mit der Kapazitätsfrage zu tun, sondern mit der Haltung genüber dieser neuen Möglichkeit zu kommunizieren. Vier Jahre dauert es bis zu den nächsten Wahlen und ich bin gespannt, was sich bis 2019 getan haben wird.
5 KandidatInnen, 5 Arten der Nutzung von Social Media. Gibt es ein Richtig oder Falsch? Welches ist der ideale Weg? Meinungen dazu sind willkommen, die Diskussion ist eröffnet.
Obama hatte vor seinem ersten Wahlgang eine riesige E-Mail-Aktion aufgezogen und konnte so die User immer persönlich ansprechen – auch eine Möglichkeit!
Ich denke, dass der Newsletter heute auch vielerorts noch unterschätzt wird.