Mittlerweile hat sich in unserer Profession das Mantra “Themen vor Kanälen” weitgehend durchgesetzt. Geblieben ist das Manko, dass kaum eine Kommunikationsabteilung strategisches Themenmanagement betreibt, das diesen Namen auch verdient. An Themen und insbesondere Ideen fehlt es normalerweise nicht, dafür am Themenfokus. Das ist pures Gift für die immer knapper werdenden Ressourcen. Was ist strategisches Themenmanagement, wie unterscheidet es ich von Content-Management und welche Rolle spielt CommTech?
Darüber habe ich mich mit Thomas Mickeleit unterhalten. Mein Gesprächspartner ist Kommunikationsberater für digitale Transformation. Er war 14 Jahre Director of Communications bei Microsoft Deutschland. Er ist Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des IMWF und leitet die AG CommTech. Zum gleichen Thema hat er ein Mehrautorenwerk “Erfolgsfaktor CommTech, die digitale Transformation der Unternehmenskommunikation” in Arbeit, das im Frühjahr 2023 erscheint.
Thomas, danke, dass du dir Zeit genommen hast. Steigen wir gleich ein: Was verstehst du unter Themenmanagement?
Darunter verstehe ich die Definition der strategisch relevanten Themen des Unternehmens, die damit verbundene Ableitung von Kommunikationszielen und – als entscheidender Punkt – die Aufbereitung und Distribution über alle geeigneten Kanäle (analog wie digital) hinweg. Zwingend dazu gehört zu prüfen, dass diese Themen anschlussfähig sind und dass darum nicht nur aus dem Unternehmen heraus kommuniziert, sondern die Outside-In-Perspektive gesichert wird.
Damit es keine Verwechslungen gibt: Was bedeutet für dich Content-Management?
Content-Management ist ein engerer Begriff, der auf das Management von digitalen Inhalten auf digitalen Plattformen zielt. Im Gegensatz dazu ist das strategische Themenmanagement Plattform-unabhängig und umfasst auch den analogen Raum.
Wo hört das Themenmanagement auf und wo fängt der Newsroom an?
(denkt nach) Für mich ist der Newsroom strategisches Themenmanagement. Es ist ein Prozess und allenfalls als Sahnehäubchen auch ein Raum. Der Prozess, der den Newsroom ausmacht, kann man mit strategischem Themenmanagement beschreiben.
Die Relevanzfaktoren für strategisches Themenmanagement sind auch Teil des Corporate Newsrooms.
Ein Newsroom ist eine rollenbasierte Organisation. Welchen Einfluss hat das auf das Themenmanagement?
Strategisches Themenmanagement verlangt agile Strukturen und rollenbasiertes Arbeiten verkörpert agile Strukturen am besten. Das geht also Hand in Hand. Hierarchische Strukturen sind der Showstopper für erfolgreiches strategisches Themenmanagement und damit auch für den Newsroom. Die rollenbasierte Organisation ist meiner Meinung nach in einer solchen Struktur ein Muss, sonst bekommt man die Geschwindigkeit nicht hin. Viele glauben, dass sie mit einem Redaktionsplanungssystem gut aufgestellt sind. Das reicht aber nicht.
Viele Unternehmen arbeiten mit strategischen Themen wie Nachhaltigkeit oder Digitalisierung. Diese sind abstrakt und generisch – wie bricht man sie herunter?
Erfahrungsgemäss ist das Wissen dazu nicht in der Kommunikation, sondern in der Organisation verteilt. Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, die Themenverantwortlichen in die Pflicht zu nehmen. Sie bringen die Stakeholder und Wissensquellen in der Organisation zusammen, um zu klären: “Was macht uns in diesem Thema besonders? Was haben wir dazu zu erzählen, was ist unser Narrativ?” Dafür arbeiten sie mit einem reflektierenden, aber auch mit einem Blick nach vorn. Dann sind die Inhalte zu priorisieren, zu Subthemen zu verdichten und mit Botschaften zu unterfüttern.
Nach meiner Erfahrung ist die Verdichtung für viele die grosse Herausforderung.
Das ist so. Es braucht einen Strategieprozess und daraus entsteht meist ein Themenhaus. Darin ist zwar in den meisten Fällen, die ich kenne, das Dach sehr schön ausgefüllt, es fehlt aber in der Verdichtung. Das führt dazu, dass am Ende doch wieder alles reinpasst, weil die Essenz darunter, also das, was man wirklich sagen möchte, zu wenig präzise beschrieben wurde. Die Kunst des Newsrooms liegt darin, Dinge nicht zu tun.
Die Klarheit zu den Themen verleiht die Lizenz zum Nein sagen?
Absolut, nicht Nein zu sagen, ist einer der Flop-Faktoren schlechthin. Der Aufwand für Prozesse, die mehr Transparenz schaffen, aber auch für die Bespielung mit mehr Assets auf vielen Kanälen ist nur zu bewältigen, wenn man weniger Bälle in der Luft hat. Der Aufwand für die Bearbeitung eines einzelnen Themas ist viel höher als in einem traditionellen Prozess. Darum hilft ein konsistentes Themenhaus, welches vom Management verstanden und abgenommen wurde.
Wie sichert man die Relevanz der Themen auf strategischer Ebene?
Die strategischen Themen, idealerweise sind es nicht mehr als eine Handvoll, werden im Strategieteam auf der Metaebene festgelegt. Mit im Boot sind neben den leitenden Personen aus Kommunikation und Marketing unter Umständen auch Public Affairs und HR.
Wie wir gesehen haben, konkretisieren die Themenverantwortlichen diese Themen mit den Stakeholdern im Unternehmen. Sie bringen aber auch die Sensorik für die Interessen und Bedürfnisse der Zielgruppen mit ein, um die Anschlussfähigkeit zu sichern. Daraus entsteht ein erster Themenplan.
Danach folgt der dritte, wichtige Schritt: Es gilt, zwischen den Themen Brücken zu schlagen. Bei Microsoft haben wir zum Beispiel über die Neue Welt des Arbeitens gesprochen. Selbstverständlich haben wir auch Microsoft Teams als Teil der Lösung mit eingebracht. An irgendeinem Punkt muss die Verbindung zum Produkt- und Lösungsangebot des Unternehmens hergestellt werden.
Meinen Kunden empfehle ich, für nachvollziehbare Entscheide Relevanzkriterien zu definieren. Was ist deine Meinung dazu?
Relevanzkriterien sollten definiert sein, dafür gibt es auch Tools, zum Beispiel Scompler. Was mir an dieser Lösung gut gefällt, ist der Index mit 10 Relevanzkriterien. Mit dabei ein Kriterium, das ich ganz schön finde: “Wie stark zahlt das Thema spezielle Interessen von Stakeholdern ein?” Das darf man ja intern nicht vernachlässigen. Aber das ist ja nicht das einzige Kriterium, denn wenn es nur der Stakeholder “reindrücken” will, reicht das in der Regel nicht. Der Themenscore ist ein numerischer Wert, der versachlicht. Viele Stakeholder ausserhalb der Kommunikation, die eher datenbasiert arbeiten, lassen sich von einem solchen Score viel leichter überzeugen als mit vielen Worten.
Welche Rolle spielt CommTech im Themenmanagement?
CommTech steht ganz allgemein für die Digitalisierung von Kommunikation in der ganzen Wertschöpfungskette von Listening über Produktion bis Distribution und Erfolgsmessung. Wir müssen wegkommen vom Ansatz, der Clippings zählt, hin zu einem Ansatz, der Daten nutzt, um nach vorn zu schauen. Das hilft, strategisch zu werden.
In der AG CommTech entwickeln wir unter der Leitung von erfahrenen PR-Praktikern in mehreren Arbeitsgruppen Themen, welche die gesamte Stakeholder Journey abdecken.
Zum Abschluss zwei Lesetipps
Wer das Thema “Strategisches Themenmanagement” vertiefen will, dem sei die Publikation It’s all about Content der Academic Society for Management & Communication empfohlen.
Zum Einstieg CommTech gibt es ein empfehlenswertes Tutorial der Arthur Page Society
Sehr gute Grundlagen vermittelt die Toolbox Kommunikationsmanagement: Denkwerkzeuge und Methoden für die Unternehmenskommunikation von Prof. Ansgar Zerfass und Sophia Charlotte Volk.
Mehr zum Umgang mit Themen im Corporate Newsroom lesen Sie in meinem Beitrag “Die vier Handlungsfelder des Newsrooms”.