Vieles, was für die Kommunikation im Social Web gefordert wird, gilt für das Corporate Publishing schon lange. Früher waren es einfache Flugblätter, dann kamen Kundenmagazine und Unternehmensbroschüren dazu. Ab den Neunziger Jahren verschafften sich Unternehmen mit Webauftritten und je länger je mehr auch mit eZines Publizität. Immer raffinierter, immer bunter, immer origineller kamen die Erzeugnisse daher. Und dennoch war die klassische Medienarbeit aus dem Kommunikationsmix nicht weg zu denken. Denn ein Artikel in der Zeitung genoss allemal eine höhere Glaubwürdigkeit, als das schönste Hochglanz-Magazin.
Medienarbeit ist schwierig geworden: Sterbende Zeitungstitel, überlastete Redaktionen, ein verändertes Konsumverhalten und damit verbundener Leserschwund sind nur einige Befunde, über die wir täglich lesen. Unternehmen sind im Lauf der Zeit immer mehr zu eigenen kleinen Medienhäusern geworden. So hat sich auch das Corporate Publishing sukzessive weiterentwickelt. Michael Höflich, Geschäftsführer des Forums Corporate Publishing sagte es bei einem Referat bei der Zürcher PR-Gesellschfaft ZPRG so: „Corporate Publishing (CP) bezeichnet die einheitliche interne und externe, journalistisch aufbereitete Informationsübermittlung eines Unternehmens über alle erdenklichen Kommunikationskanäle (offline, online, mobil), durch welche ein Unternehmen mit seinen verschiedenen Zielgruppen permanent und periodisch kommuniziert.“ Ein langer Satz, der umfassend ausdrückt worum es geht. Der Schlüsselbegriff und damit auch Schulterschluss zu den klassischen Medien ist der Terminus „journalistisch aufbereitet“. Heute wählen Unternehmen in Ergänzung zur Medienarbeit jenen direkten Weg zu ihren Zielgruppen, der ihnen neu auch eine höhere Glaubwürdigkeit verspricht, wenn sie es richtig tun: Sie gehen ins Social Web.
Noch bevor die Diskussionen über die Leistungen von Social Media ihren Lauf nahmen war für Corporate Publisher bereits klar, dass eine Publikation mehr ist, als eine in Lauftext abgefasste Werbebroschüre. In meiner Ausbildung zum CAS Corporate Publisher habe ich gelernt, dass jedes Erzeugnis drei Wirkungsebenen aufweist, wenn auch die Gewichtung der Ziele variieren kann:
- Journalistische Ziele: Diese sind dann erreicht, wenn die Publikation nicht nur ein eigenständiges Konzept aufweist, sondern auch nach journalistischen Qualitätskriterien verfasst und aufgebaut ist. Was der Leser sucht sind Information und Unterhaltung und daraus folgend einen klaren Nutzen. Jede Meldung wird auf die Nachrichtenfaktoren abgeklopft: Wie bedeutend ist das Thema? Findet es im Publikum Interesse aufgrund seiner Nähe, wegen prominenten Personen,
seiner Aktualität oder anderen menschlichen Aspekten des Ereignisses? Gerade bei einer Unternehmenspublikation bekommt die Objektivität ein besonders Gewicht: Werden Themen von verschiedenen Seiten beleuchtet oder nur aus der Perspektive der Organisation? Kommen auch Menschen zu Wort weil sie etwas Substanzielles zum Thema beizutragen oder nur aufgrund ihrer Firmenzugehörigkeit? Auch wenn der Leser nicht immer „mit dem Finger darauf zeigen“ kann, so registriert er zu starke Eigen-PR sehr wohl. Die Note, die er dafür vergibt, drückt sich in der Glaubwürdigkeit aus, die er der Publikation beziehungsweise dem Absender zuschreibt.
- Kommunikative Ziele: Das Unternehmen als Herausgeber der Publikation will zu seinen Lesern eine Bindung aufbauen. Es ist sich also bewusst, wer die Leser sind, für welche Themen sie sich interessieren und mit welcher Bild- und Textsprache sie gewonnen werden können. Diese danken es mit ihrer Loyalität, ihrer emotionalen Bindung und/oder mit dem Wiederkauf der Produkte. Dabei ist es völlig in Ordnung, dass das Unternehmen seine Botschaften vermittelt, schliesslich geht es darum sich zu positionieren, zu
differenzieren und die eigene Bekanntheit zu steigern. Für viele Unternehmen ist es eine Gratwanderung die journalistischen Qualitätskriterien einzuhalten und zuweilen auch ein mutiger Schritt weniger unternehmenszentriert und dafür mehr themenorientiert zu kommunizieren. Das schaffen Sie dann, wenn sie sich bewusst werden, dass es darum geht Kompetenz zu vermitteln in Form von Service, Fachberatung oder als Ratgeber.
- Marktbezogene Ziele: Aus Sicht des Unternehmens ist es absolut legitim, dass es mit seiner Kommunikation etwas bewirken will: Aufmerksamkeit und Interesse, eine Handlung oder auch eine Haltungsveränderung. Eine Nonprofit-Organisation hingegen sucht eher Hilfe in Form von Geld oder Mitarbeit. Es gilt jedoch sorgfältig abzuwägen, wie viele Marketingbotschaften angebracht sind, damit der „Bogen nicht überspannt“ wird und manchmal ist es besser, implizit statt explizit zu formulieren. Ein weiteres Ziel ist es auch, möglichst viel über den Leser zu erfahren. Mit Wettbewerben und Coupon-Aktionen können einige Informationen generiert werden, die dann wiederum in die Kommunikation zurück fliessen.
Tönt alles gar nicht so neu? Nein, natürlich nicht, denn die gleichen Anforderungen gelten für die Kommunikation im Social Web auch und werden derzeit breit diskutiert. Die Darmstädter PR-Studenten kommen unter der Leitung von Professor Thomas Pleil in ihrem kürzlich erschienenen Booklet Mehr Wert schaffen, Social Media in der B2B Kommunikation zu diesem Schluss: Gerade wegen der angespannten Situation bei den klassischen Massenmedien und insbesondere bei den Special-Interest-Medien „müssen
Unternehmen andere Formen für den öffentlichen Diskurs nutzen. Im Social Web können Unternehmen beispielsweise in Fachblogs ihre Expertise verdeutlichen und Agenda-Setting betreiben“ und weiter „Unternehmen können durch Social Media selbst zu einem Medium werden und eine Leserschaft für sich gewinnen“. Sie halten aber fest, dass dies unter anderem eine Abkehr von der rein unternehmens- hin zur themenbezogenen Kommunikation bedingt.
Nun fehlt dem Corporate Publishing noch ein Quäntchen zum „Corporate Social Publishing-Glück“. Die Macher müssen das Social Web im Kern verstehen. Das bedeutet, dass sie erfassen, dass nun jeder aktiv werden und ohne grosse technische oder finanzielle Hürden publizieren, bewerten und diskutieren kann. Dann werden sie ihren Lesern nicht nur Raum geben für Kommentare und Diskussion, sie werden ihre Beiträge mit Verlinkungen breiter abstützen. Sie gehen näher zum Leser, also dahin wo ihr Publikum schon ist und künden neue Inhalte neben den bisherigen Kanälen zusätzlich auf Facebook, Twitter, XING usw. an. Und Sie geben ihren Lesern die Möglichkeit neue Beiträge nicht nur als RSS-Feed zu abonnieren, sondern auch mit ihren eigenen Social Media-Aktivtäten zu verbinden. Prominentes Beispiel ist momentan der “i like”-Button mit dem Facebooker ihren Freunden auf ihrer Pinnwand zeigen, was sie gerade mögen.
Den gefürchteten totalen Kontrollverlust gibt es im Corporate Publishing übrigens nicht. Unternehmen können und müssen planen, worüber sie sprechen wollen. Jeder, der im Social Web unterwegs ist, tut das mehr oder weniger bewusst auch indem er für sich festlegt, was er von sich preis gibt und wie er sich selber darstellen will mit Texten, Bildern und Verlinkungen. Unternehmen müssen aber in ihre Planung mehr denn je die Erwartungen, Ansprüche und Wünsche ihrer Leser mit einbeziehen. Sie müssen damit rechnen, dass sie mit anderen Meinungen konfrontiert werden und bereit sein auf einen Dialog einzutreten. Sei es mit eigenen CP-Erzeugnissen oder als Gast auf Social Media Plattformen: Unternehmen, die sich nach den Regeln des Social Web mit ihm vernetzen, sind auf dem besten Weg zum Corporate Social Publishing.
Ein Kommentar zu “Von CP zu Corporate Social Publishing”