Sie sind lang, überall anzutreffen, klingen alle etwas gleich und wohl bei keinem von uns auf der persönlichen Bestseller-Liste anzutreffen. Hand aufs Herz, wie oft haben Sie die AGB von Angeboten weggeklickt? Immer mit dem schalen Nachgeschmack, sich nicht richtig über die Konsequenzen ihres Tuns informiert zu haben?
Gastbeitrag von Rechtsanwältin Claudia Keller
Im Zuge von „Instagate“ wurde die Frage an mich herangetragen, ob ich eine Plattform kenne, deren Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) über Crowdsourcing entstanden sind.
Die Antwort fiel knapp aus. Nein, solche AGB kenne ich nicht. Einzig die Governance Seite von Facebook war ein (nicht ernst gemeinter) Versuch, Nutzer in die AGB-Gestaltung einzubinden. Aus rechtlicher Sicht ist aber auch nicht verwunderlich, dass die Plattformbetreiber vor einer solchen „demokratischen“ AGB-Bildung Abstand nehmen. Eine solche steht dem Konzept von AGB entgegen.
AGB – eine einseitige Abmachung
In den juristischen Lehrbüchern werden allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) als einseitig von einer Vertragspartei vorformulierte Vertragsbedingungen bezeichnet, die für eine Vielzahl gleichartiger Verträge gelten. AGB kommen in Massengeschäften wie beispielsweise Verträgen zur Nutzung einer Social Media Plattform zum Einsatz, da ein Abschluss von individuellen Einzelverträgen für diese Vertragsverhältnisse wirtschaftlich keinen Sinn macht.
Download oder Ausdruck muss möglich sein
Damit die AGB Bestandteil des Vertrages zwischen dem Anbieter und den Nutzern werden, müssen diese die Geltung der AGB vereinbaren, d.h. die Nutzer als Vertragspartner müssen den AGB zustimmen. Voraussetzung für eine gültige Zustimmung ist zunächst, dass die AGB den Nutzern vor Zustimmung bekannt gegeben werden
und diese auch die Möglichkeit haben, den Inhalt zu studieren. Im Rahmen eines elektronischen Abschlusses sollte die Möglichkeit bestehen, die AGB herunterzuladen und auszudrucken. Da solche AGB nicht individualisierbar und meist sehr umfangreich sind, werden sie häufig erst gar nicht gelesen. Aus rechtlicher Sicht spielt dies grundsätzlich keine Rolle. Die Annahme nicht gelesener AGB wird in der juristischen Fachsprache als „Globalübernahme“ bezeichnet.
Inhaltliche Parallelen von AGB
Der Vertrag über die Nutzung von Social Media Plattformen ist ein sogenannter Innominatvertrag, d.h. er ist ein Vertrag, der keinem im Gesetz vordefinierten Vertragstypus entspricht. Gegenstand des Vertrags ist die Nutzung einer Plattform sowie deren Funktionalitäten und Inhalte. Der Vergleich der AGB verschiedener Anbieter hat gezeigt, dass deren Nutzungsbedingungen sehr ähnlich strukturiert sind und inhaltliche Parallelen aufweisen. Zusammengefasst sind folgende typische Bestimmungen in diesen AGB zu finden:
- Die AGB können nach freiem Ermessen des Anbieters abgeändert werden.
- Der Anbieter ist nicht verpflichtet, die Plattform überhaupt zu betreiben, er hat damit einhergehend das Recht, Funktionalitäten frei einzuschränken oder nicht mehr zur Verfügung zu stellen.
- Der Betreiber hat das Kontrollrecht über Inhalte, einschliesslich des Rechts Inhalte von Nutzern zu löschen oder Konten zu deaktivieren.
- Zudem kann der Anbieter umfangreicher Nutzungsbeschränkungen definieren
- Der Anbieter kann den Nutzer dazu verpflichten, ihm eine Lizenz an den Nutzerinhalten einzuräumen.
- Die Haftungsregeln befreien den Anbieter weitestgehend von einer Haftung, im Gegenteil, sie unterwerfen den Nutzern die Haftung im grösstmöglichen Umfang..
- Rechtswahl- und Gerichtsstandsklauseln, erklären ausländisches Recht und einen ausländischen Gerichtsstand für anwendbar.
Zwei typische AGB-Regelungspunkte sind in meiner anwaltlichen Tätigkeit immer wieder Gegenstand von Streitfällen: Die Verwendung geschützter Inhalte und das Eingriffsrecht der Plattformbetreiber in Bezug auf Nutzerkonten und -inhalte.
Regeln für die Verwendung geschützter Inhalte
Ein potentielles „Minenfeld“ liegt in der Verwendung urheberrechtlich geschützter Inhalte. Die Plattformbetreiber lassen sich in der Regel umfangreiche Nutzungsrechte an den von den Nutzern bereitgestellten Inhalten einräumen. Aus Haftungsgründen lassen sich die Plattformbetreiber hierbei in den AGB von den Nutzern entsprechend bestätigen, dass die Nutzer zur Verwendung der in Frage stehenden Inhalte und zur Rechteeinräumung an den Plattformbetreiber berechtigt sind. Bei Pinterest gewähren Nutzer Pinterest und anderen Pinterest-Nutzern eine
“non-exclusive, royalty-free, transferable, sublicensable, worldwide license to use, store, display, reproduce, re-pin, modify, create derivative works, perform, and distribute your User Content on Pinterest solely for the purposes of operating, developing, providing, and using the Pinterest Products.”
Die Plattformbetreiber verlangen von den Nutzern eine entsprechende Bestätigung, dass keine Inhalte veröffentlicht werden, die gegen Gesetze oder Rechte Dritter verstossen. Die Nutzer haften gemäss den AGB für diese Zusicherungen.
Unter Schweizer Recht entsteht das Urheberrecht immer bei der natürlichen Person, die das Werk schafft. Ein Unternehmen als solches schafft folglich kein Urheberrecht, sondern muss sich dieses entsprechend von den natürlichen Personen (Arbeitnehmende, Beauftragte, etc.) übertragen lassen. Verträge mit Angestellten enthalten in der Regel entsprechende Klauseln, die eine Übertragung vorsehen (bei Software/Computerprogrammen existiert eine entsprechende Regelung im Urheberrechtsgesetz). Ein Urheberrecht muss auch nicht immer vollständig übertragen werden. Es besteht auch die Möglichkeit, einzelne Nutzungsrechte daran einzuräumen. Kauft ein Unternehmen Nutzungsrechte an einem Bild für eine Kampagne auf ihrer Webseite ein, ist – vorbehältlich einer entsprechenden Vereinbarung – damit nicht das Recht enthalten, das Bild auch auf der Facebookseite des Unternehmens zu verbreiten.
Sind auf einem Bild Personen abgebildet, ist nicht nur das Urheberrecht einschlägig, sondern es sind zusätzlich auch die Persönlichkeitsrechte der Person zu beachten. Man spricht hier vom Recht am eigenen Bild. Als auf einem Bild erkennbar abgebildete Person – Ausnahmen wie Bilder von öffentlichen Veranstaltungen von mehreren Personen bestätigen die Regel – habe ich das Recht zu bestimmen, wie das Bild verwendet wird. Ich muss also meine Erlaubnis für die betreffende Verwendung erteilen. Eine solche Erlaubnis lässt sich auch aus den Umständen herleiten. Wenn jemand im Ausgang für einen Fotografen posiert, der erkennbar für eine Ausgangsplattform unterwegs ist, so dürfte damit eine (implizite) Zustimmung zur Publikation dieses Fotos auf der entsprechenden Plattform vorliegen.
Das Risiko im Zusammenhang mit Urheberrechts- oder Persönlichkeitsrechtsverletzungen belangt zu werden dürfte im Social Media Umfeld immer grösser werden. Dieses Risiko lässt sich nur dadurch minimieren, dass nur Inhalte verbreitet werden, deren Nutzungsrechte man sich vorher gesichert hat. Ist einmal ein Inhalt hochgeladen, lässt er sich bekanntlich nicht wieder leicht entfernen. Zwar endet beispielsweise bei Facebook die Lizenz an solchen Inhalten grundsätzlich mit deren Löschung. Nur dürfte dies der Ausnahmefall sein, denn solange andere Nutzer, mit denen die Inhalte geteilt wurden diese nicht gelöscht haben, dauert gemäss Facebook AGB die Lizenz fort.
Eingriff des Betreibers: Löschen, deaktivieren
Ein weiteres Problem ergibt sich dann, wenn der Plattformbetreiber in die Nutzung eingreift, beispielsweise durch Deaktivierung einer Seite, durch Löschen von Inhalten etc. Dass sich die Plattformbetreiber dieses Eingriffsrecht einräumen lassen, verwundert nicht. Angesichts der Masse der über eine Plattform geteilten Inhalte ist es nicht praktikabel, dass die Plattformbetreiber vorab prüfen, ob alle hochgeladenen Inhalte und Informationen den gesetzlichen Anforderungen oder den plattformeigenen AGB entsprechen. Alle Inhalte bergen für den Plattformbetreiber aus rechtlicher Sicht ein potentielles Haftungsrisiko. Aus diesem Grund lassen sie sich das Recht einräumen, Inhalte zu löschen oder zu modifizieren. Die entsprechende AGB-Bestimmung ist in der Regel allerdings so offen formuliert, dass der Plattformbetreibern Eingriffe nach freiem Ermessen, ohne vorherige Anhörung der betroffenen Nutzer und ohne Entschädigungspflicht vornehmen kann.
Facebook kann gemäss AGB: „sämtliche Inhalte und Informationen, die du auf Facebook gepostet hast, entfernen, wenn wir der Ansicht sind, dass diese gegen diese Erklärung bzw. unsere Richtlinien verstossen.“ Auch Twitter behält sich das Recht vor, „Inhalte zu löschen oder deren Verbreitung zu verweigern, Benutzer zeitweilig auszuschliessen oder ihnen zu kündigen und den Benutzernamen zu entziehen, ohne dass wir ihnen gegenüber haftpflichtig sind“.
Es kommt in der Praxis nicht selten vor, dass Nutzer unwissentlich gegen Nutzungsbestimmungen verstossen und sie von einem (unter Umständen automatisierten) Eingriff des Plattformbetreibers überrascht werden. Typisches Beispiel sind Eingriffe im Zusammenhang mit Wettbewerben auf Facebook. Unternehmen verstehen ihre Facebook-Seite als ihr „Eigentum“ und haben die (falsche) Erwartung, dort mehr oder weniger tun und lassen zu können, was sie möchten. Da die Plattformbetreiber sich in der Regel bei diesen Massnahmen AGB-konform verhalten, kann ich als Anwältin im Moment in dem der Stecker bereits gezogen wurde wenig ausrichten. Dann sind Kommunikationsfachleute wie Thomas Hutter oder Annette Schwindt mit Draht zum entsprechenden Plattformbetreiber gefragt.
Rechtlich spannende Auseinandersetzungen entstehen dann, wenn für die Konzipierung und Erstellung einer Kampagne oder eines Wettbewerbs eine Agentur beigezogen wurde und diese den AGB des Plattformbetreibers auch keine Beachtung schenkt. Entsteht aus der AGB-Verletzung ein Schaden (beispielsweise durch Sperrung der Seite) stellt sich dann die Frage, wer haftet. Dies muss immer in einer Einzelfallbeurteilung geklärt werden. Wird aber ein Spezialist (Werbeagentur, Social Media Beraterin und dergleichen) beigezogen, so fällt diese Verantwortung wohl in dessen Risikosphäre.
Gratis aber mit Gegenleistungspflicht
Die vorangehenden Ausführungen dürften Kritiker von Social Media Plattformen bestätigen, die sagen, dass die Plattformbetreiber die Nutzer mit ihren AGB regelrecht geisseln. Ich möchte aber zu bedenken geben, dass diese Plattformen in der Regel gebührenfrei genutzt werden können. Das Betreiben solcher Plattformen und deren Weiterentwicklung sind kostenintensiv. Es kann daher nicht überraschen, dass auch von den Nutzern eine Gegenleistung in Form einer Einräumung von Nutzungsrechten an Daten und User Generated Content verlangt wird.
Die eine oder andere AGB – Regelung ist rechtlich nicht über jeden Zweifel erhaben und gegenüber Konsumenten und Konsumentinnen dürften bestimmte Klauseln (wie beispielsweise ein ausländischer Gerichtsstand oder Rechtswahl mit ausländischem Recht) aufgrund von Konsumentenschutzbestimmungen nicht durchgesetzt werden können. Unternehmen und Personen, die Social Media Plattformen für geschäftliche Zwecke nutzen können sich jedoch nicht auf diese gesetzlichen Schutzbestimmungen berufen und unterwerfen sich mit einem Akzept der AGB den Regeln der Plattformbetreiber. Deshalb gebe ich insbesondere diesen Klienten in Bezug auf die Nutzung von Social Media Plattformen und deren AGB jeweils die Empfehlung auf den Weg:
- Werfen Sie einen Blick in die AGB (zur Not auch nach deren Akzept) und versuchen Sie, sich während der Nutzungsdauer über Änderungen und Anpassungen informiert zu halten.
- Überprüfen Sie die AGB im Hinblick auf die beabsichtigte Nutzung. Wo sind Diskrepanzen und Unklarheiten oder sogar Unvereinbarkeiten (bspw. Archivierungspflicht, Werbeverbot für bestimmte Produkte, Nutzungsbeschränkungen, etc.).
- Wenn Sie für bestimmte Massnahmen/Kampagnen Vertragspartner beiziehen, weisen Sie die Verantwortlichkeiten klar zu.
Zu guter Letzt: An das Gesetz soll man sich halten. AGB sind nicht Gesetz, sondern einseitig formulierte Vertragsbedingungen des Vertragspartners und die Sanktionen unter Umständen hinnehmbar. Ich zitiere an dieser Stelle die dem Dalai Lama zugeschriebene Weise: „Lerne die Regeln, damit du sie richtig brechen kannst.“ Das Beispiel von Instagram hat zudem gezeigt, dass Nutzer durch genügend lautstarken Protest durchaus Einfluss auf die AGB-Gestaltung haben können.
Claudia Keller ist Rechtsanwältin und in einer Wirtschaftskanzlei in Zürich tätig. Sie hat an der Universität Basel Rechtswissenschaften studiert und ein LL.M. Nachdiplomstudium am UC Hastings College of the Law in San Francisco absolviert. Die Spezialgebiete von Claudia Keller sind Marken-, Urheber- und Medienrecht. Diese Bereiche interessieren sie auch von der nichtjuristischen Seite, weshalb sie eine Brand Management Ausbildung (CAS Brand Management HSLU) besucht und bei Somexcloud einen Lehrgang im Social Media Management absolviert hat. Sie publiziert regelmässig in Fachzeitschriften, zuletzt in medialex Zeitschrift für Medienrecht (4/12), „AGB von Social-Media-Plattformen“.
Ein Kommentar zu “Was versteckt sich im Maul des geschenkten Gauls? Ein paar Gedanken zu AGB von Online Plattformen”