An Facebook führt momentan kein Weg vorbei und oft – so scheint es mir – eröffnen Unternehmen eine Seite, um auch im Mainstream dabei zu sein. Das Eröffnen einer Seite ist ein Schritt. Was folgt ist der Aufbau und das Entwickeln einer funktionierenden Community: keine einfache Aufgabe. Wie man das anpackt und was zu beachten ist, darüber habe ich mich mit Barbara Schwede unterhalten. Sie ist als selbstständige Beraterin spezialisiert auf Community Management in den sozialen Medien wie Facebook, Twitter & Co.
Facebook hat für Firmen die neue Chronik eingeführt. Wie gefällt sie dir?
Optisch finde ich die Chronik sehr schön – vor allem die grossen Bilder. Nicht so toll finde ich, dass die Userkommentare in dieses kleine Böxchen verbannt sind und dort gar nicht richtig wirken können. Bezogen auf das Community-Building ist es ein Rückschritt. Fotos von Usern werden sogar erst angezeigt, wenn man diese Box anklickt. Der Fokus liegt somit mehr auf der Darstellung der Unternehmenssicht – für Firmen, die es eher mit kritischen Usern zu tun haben, ist das vielleicht hilfreich, für andere ist es ein Verlust.
Praktisch ist hingegen der Administrationsteil am oberen Ende der Seite: Hier werden die letzten Aktivitäten chronologisch angezeigt. Dadurch übersieht der Community Manager nicht so leicht ein Kommentar zu einem älteren Post, wie das früher durchaus vorkommen konnte.
Insgesamt muss man wohl eine Weile damit arbeiten, um zu sehen, wie sich das neue Design in der Praxis bewährt…
Du betreust die Seiten einer grossen Körperpflegemarke: Was kann man über ein Alltagsprodukt wie Gesichtscrème oder Deo schon sagen?
Körperpflege ist ein wichtiger Teil unseres Lebens – daran hängen Themen wie Schönheit, Attraktivität, Wohlgefühl, sich und andere Verwöhnen oder Jugendlichkeit. All diese Themen finden auf den Facebook-Seiten ihren Platz. Dazu gehören Fragen wie “Ladies, findet ihr Männerbeine rasiert oder behaart schöner?” und Gewinnspiele, bei denen man zusammen mit Freunden Wellnessgutscheine gewinnen kann oder Tipps für den richtigen Schutz der Haut bei eisiger Kälte. Da wir Fragen der Fans schnell und persönlich beantworten, ist das Engagement unserer Community sehr gross. Last but not least hat diese Marke eine so breite Produktpalette, dass man immer etwas Spannendes erzählen oder Neuentwicklungen vorstellen kann.
Was löst diese Aussage in Dir aus: „Wir machen jetzt auch Facebook“?
Es gibt immer noch Chefs, die Facebook automatisch mit Jugendlichen und mit informeller Kommunikation verbinden. Wenn bei dieser Aussage mitschwingt “Das kann ja mein 15-jähriger Neffe machen“, dann versuche ich zu erklären, dass Facebook genauso wichtig und ernst ist wie Pressearbeit. Schliesslich erreiche ich damit mehrmals pro Woche Tausende von Menschen, die per se schon eine Bindung zu meiner Marke haben. Mit meinem Verhalten auf Facebook kann ich das Bild eben nicht nur positiv, sondern auch negativ prägen.
Auch was die Einsatzmöglichkeiten von Facebook angeht, hört man die abstrusesten Ansätze. Geradezu schockiert hat mich kürzlich das Beispiel eines Schuhpflege-Herstellers, der auf Facebook sein völlig unbekanntes und wenig attraktives Produkt an Sporthändler bringen wollte (Budget war dafür kaum vorhanden, aber die Meinung war „Social Media ist ja so gut wie gratis“) – und auch noch eine Agentur fand, die ihm dafür ein Konzept entwarf! Erstens werden Schuhpflegeprodukte im Sporthandel meist von den Schuherstellern direkt mitverkauft und zweitens ist es meiner Ansicht nach wohl recht schwierig, auf Facebook eine so spezifische Gruppe wie die Sporthändler anzusprechen.
Wenn schon Facebook, dann sollte man es richtig machen. Das heisst nicht, dass man jeden Monat Tausende von Franken investieren muss – es heisst aber, dass man sich seriös mit der Sache auseinandersetzt und sich fragt, wo die Stärken und Schwächen der Plattform liegen und ob der Einsatz sinnvoll ist. Seriös heisst für mich, dass man die Fans ernst nimmt, was natürlich nicht heisst, dass der Umgang mit ihnen nicht auch humorvoll und locker sein kann. Wichtig ist, dass die Kommunikation dauerhaft und mit System gestaltet ist.
Andererseits gibt es ganz kleine Firmen, die wunderbare Facebookseiten aktiv betreiben. Mein Lieblingsbeispiel dafür ist momentan Marmelade. Es handelt sich um einen kleinen Laden in Biel, der vor allem Handgemachtes aus der Region vertreibt, und doch immerhin gegen 600 Fans auf Facebook hat, mit denen die Geschäftsführerin aktiven Dialog pflegt.
Bei Facebook zählt die Interaktion, wie bringst Du die Likers dazu, mitzumachen?
Fragen, fragen, fragen. Wer gefragt wird, der antwortet und automatisch steigt die Aktivität. Dann sind unsere Fans an den Produkten des Unternehmens interessiert. Ich stelle diese vor, ohne werberisch oder verkaufend zu sein. Das kommt gut an. Ebenfalls wichtig ist es, möglichst alle Anfragen ernst zu nehmen, auch seltsame oder kritische.
Zudem wird nach Möglichkeit jeder Post wird persönlich beantwortet. Und nicht zu vergessen sind Gewinnspiele, die immer hohes Engagement bringen. Die User sind besonders begeistert, wenn sie Dinge gewinnen können, die man nicht im Laden kaufen kann – zum Beispiel das Lieblingsprodukt mit dem eigenen Namen darauf. Ein anderes Mal haben wir die Fans über den Duft einer neuen Seife abstimmen lassen – auch das mit grossem Erfolg.
Wie häufig soll eine Seite posten und gibt es dafür eine gute Tageszeit?
Die Häufigkeit des Postings hängt sicherlich sehr vom Unternehmen ab und davon, ob man etwas Relevantes zu erzählen hat. News-Lieferanten wie Fernsehsender oder Zeitungen geniessen hier sicherlich die höchste Toleranz. Für die meisten Unternehmen halte ich drei bis fünf Posts pro Woche für angemessen. Was die Tageszeit angeht zeigen Studien, dass Posts ausserhalb der regulären Arbeitszeit höhere Aufmerksamkeit geniessen und die Leute am Donnerstag und Freitag auf Facebook am aktivsten reagieren.
Welche Rolle kann eine Agentur bei Aufbau und Pflege einer Fanseite spielen? Kann sie die Betreuung eine Seite dauerhaft übernehmen?
Beim Set-up der Seite ist es auf alle Fälle sinnvoll, einen externen Berater zu beauftragen oder sich gut zu informieren, auf was es ankommt. Schade ist es zum Beispiel (und das sieht man leider immer wieder) wenn Firmen statt einer Unternehmensseite ein privates Profil eröffnen Bei diesem muss erst eine gegenseitige Freundschaftsverknüpfung stattfinden – und ich will doch als Fan einem Unternehmen nicht meine Urlaubsfotos zeigen, Zudem kann ein Privatprofil nicht mehr als 5‘000 Freunde haben. Ausserdem verstösst ein Unternehmen mit Privatprofil gegen die Richtlinien von Facebook. Solche Fehler kann man mit etwas Erfahrung oder umfassender Information von Anfang an vermeiden.
Für gute Social-Media-Kommunikation braucht es ausserdem das Wissen darüber, wie die Kommunikation auf der jeweiligen Plattform abläuft. Auch hier kann eine Agentur mit Social-Media-Erfahrung gute Dienste leisten. Wie geht man mit aggressiven Usern um? Wie bringt man französischsprachige und deutschsprachige Fans unter einen Hut? Wie sieht ein guter Redaktionsplan aus? Bei den Dos und Don’ts kann ein externer Berater in der Startphase gute Unterstützung bieten.
Externe können auch die Betreuung einer Seite dauerhaft übernehmen. Ein Nachteil könnte sein, dass die Community Managerin sich nicht so gut mit den Produkten auskennt und keinen eigenständigen Zugriff auf Infos hat. In diesem Fall ist ein gut erreichbarer und ausreichend einflussreicher Ansprechpartner im Unternehmen Gold wert. Er sorgt dafür, dass Facebook-Fragen bevorzugt behandelt werden. Der grosse Vorteil eines Outsourcings ist hingegen, dass fix Ressourcen für Social Media zur Verfügung stehen und dass das Projekt eine hohe Wichtigkeit geniesst – die Erfahrung zeigt, dass die eigenen Kommunikationsmassnahmen oft hinter anderen Projekten zurückstehen müssen. Ausserdem sorgt der Blick von aussen wie so oft für einen lockeren, unverkrampften Blick auf die Tatsachen.
Was findest Du besser: ein organisches Wachstum einer Seite oder etwas „Schub“ mit Hilfe von Facebook Ads?
Die geschickte Kombination von beidem :-) Laut meiner Erfahrung verläuft das organische Wachstum in Phasen: eine Zeitlang geht es vorwärts, dann flacht die Kurve ab, weil die Kontakte der bestehenden Fans ausgeschöpft sind. In solchen Momenten tut ein kleiner Schub mit Ads gut, um das organische Wachstum in neuen Kreisen anzukurbeln. Ich empfehle übrigens, nicht Ads mit einem Gewinnspiel zu schalten, denn damit zieht man viele Schnäppchen-Jäger an. Sie treiben zwar die Fanzahl hoch, sind aber nicht wirklich von der Marke begeistert und engagieren sich daher später auch nicht. Besser finde ich Ads, die einfach das Logo, Posts von begeisterten Fans oder einen bekannten Slogan zeigen. Das reicht in der Regel, um die wirklich Interessierten anzusprechen. Auch beim Start einer Seite sind Ads sehr hilfreich – damit die Leute überhaupt von der neuen Präsenz erfahren.
Was bedeutet Erfolg auf Facebook?
Für mich ist der grösste Erfolg auf Facebook, wenn die Fans dankbar und begeistert sind und eine Beziehung zwischen ihnen und dem Unternehmen sowie unter den Fans entsteht. Erfolg auf Facebook ist es auch, wenn ich in einer Krise die Menschen aus einer grossen Empörung wieder in einen Dialog führen und für die Sicht des Unternehmens Verständnis wecken kann. Dann kann man den Erfolg auch daran messen, ob man auf Facebook Serviceanfragen löst und den Telefonsupport entlastet, neue Segmente erreicht, eine hohe Reichweite und Viralität erzielt oder User-Ideen abruft und umsetzt. Man kann sich auf Facebook so viele Ziele setzen …
Reicht schon ein Auftritt bei Facebook allein um im Social Web adäquat vertreten zu sein?
Das kommt auf das Unternehmen und seine Zielgruppen an. Wenn ich auf Facebook die relevanten Leute erreiche – warum nicht? Wird allerdings auf Twitter sehr viel über die Firma geredet, ist ein Engagement dort auf jeden Fall auch wichtig. Grundsätzlich finde ich aber: Lieber eines und das richtig als auf allen Hochzeiten tanzen zu wollen.
Welchen Tipp gibst Du jemandem mit, der eine Seite neu aufbaut?
Dass er frühzeitig im Unternehmen die Haltungsänderung einleiten sollte, die Social Media verlangt: zuhören, Dialog führen, Kritik als Unterstützung verstehen, konstant dabei bleiben, schnell reagieren.
Ich danke Barbara Schwede für dieses Gespräch.
Sehr interessantes Interview, das zeigt, wie wichtig eine gute Präsenz im Internet wirklich geworden ist.
Danke. Und es zeigt auch, wie viel Aufbauarbeit hinter einer solchen Präsenz steckt.