Unternehmen suchen immer wieder neue Wege, wie sie ihre Zielgruppen erreichen können. Mitarbeitende als Botschafter sind zwar im Trend, doch sie sind keine Selbstläufer. Egal ob sie im Unternehmen nach innen wirken oder in ihrem Umfeld für die Organisation auftreten: Sie geniessen eine hohe Glaubwürdigkeit. Allerdings reicht dafür die Anstellung allein nicht aus. Bedingung ist ein klares Jobprofil mit entsprechender Expertise. Dafür braucht es einen Plan.
Man kann es nicht oft genug wiederholen, und darum stelle ich das hier ganz an den Anfang:
Botschafter oder Corporate Influencer handeln freiwillig und aus intrinsischer Motivation, sonst sind sie unglaubwürdig.
Diese Begriffe kläre ich gleich noch, denn da herrscht zuweilen ein Wirrwarr.
Menschen können mehr
Woher kommt eigentlich dieser Run auf die Mitarbeitenden? Befragungen wie der Edelman Trust Barometer zeigen: Die Chefetage schafft den Vertrauensaufbau und die Nähe zu den Stakeholdern alleine nicht (mehr). So geniesst ein CEO weniger Vertrauen als die Mitarbeitenden. Wenn Menschen “wie du und ich” miteinander kommunizieren, spricht man im Fachjargon von Peer-to-Peer.
Aber es gibt noch weitere Gründe, warum Mitarbeitende im Netz gute Botschafter sein können:
- Mitarbeitende aus allen Bereichen des Unternehmens vermitteln Themen aus ihrem Tätigkeitsbereich und Arbeitsumfeld in der Regel kompetent und persönlich. Was sie sagen, wird von ihrem Umfeld in der Regel verstanden. Das liegt daran, dass sie ganz natürlich und oft mit Beispielen und Geschichten aus ihrem Alltag sprechen. In aller Regel steht dahinter auch nicht zuerst die Absicht, zu verkaufen, sondern zu erklären und zu begeistern. So können sie für ihre Arbeitgeberin als Türöffner, aber auch als Vermittlerin auch für schwierige oder komplexe Themen wirken.
- Die Zielgruppen werden organisch (also nicht über bezahlte Inhalte) immer schwieriger erreichbar. Das hat mit der Informationsüberflutung zu tun. Denn die ist der Grund, dass soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram &Co. steuern, was und wie viel an die Benutzer ausgespielt wird. Menschen können über den direkten Austausch Algorithmen zumindest ein Stück umgehen.
- Menschen ziehen sich online immer mehr in private Räume zurück. Sie kommunizieren über Messenger wie WhatsApp oder Telegram. Oder sie tauschen sich in geschlossenen Gruppen aus. Das nennt man Dark Social. Auch Mitarbeitende stehen genau in diesen Räumen im Austausch. Sie bekommen mit, was gesprochen wird und bringen sich zu Themen, die sie bewegen, selber ein. Das kann durchaus auch ihre Arbeit sein.
- Ein Unternehmen kann nicht überall aktiv sein. Über Mitarbeitende, die sich vernetzen, entsteht eine grössere Sichtbarkeit und organische Reichweite. Die Kommunikation wird auf mehrere Schultern verteilt und dadurch auch skalierbar.
Nicht alle sind Botschafter
Vor ein paar Jahren, als Social Media noch in den Kinderschuhen steckten, waren Guidelines ein grosses Thema. Jetzt sind sie wieder da, denn es braucht Regeln. Doch bevor Regeln aufgestellt werden können, gilt es zu klären, wer welche Rolle einnimmt. Ich habe das in diesem Kommunikations-Rollenmodell aufgearbeitet:
Für Pressesprecherinnen (oder Mediensprecher) gehört es zum Job, für das Unternehmen zu sprechen. Sie sind dafür ausgebildet und autorisiert.
Mitarbeitende jedoch, die extern in ihren eigenen Kanälen und Netzwerken über ihren Arbeitgeber sprechen, werden zu Botschaftern. Oft sind sie sich dessen so nicht bewusst. Sie kennen den Mitarbeiter, der am Stammtisch so allerlei aus seinem Job ausplaudert, ohne sich bewusst zu sein, wie das auch an den Nachbartischen ankommt? Oder die Kollegin, die mit ihrer Mitfahrerin im Zug im Abteil nebenan etwas zu laut über ihren Arbeitgeber erzählt? Mitarbeitenden fehlt also oft das Bewusstsein zur möglichen Tragweite ihres Tuns.
Mitarbeitende werden also meist unbewusst zu Botschaftern. Pflegen sie darüber hinaus aber eine Passion für ihren Beruf und kennen sich in einem Thema besonders gut aus, ist der Weg zum Corporate Influencer nicht mehr weit. Dafür braucht es aber noch etwas mehr, nämlich eine bewusste, kontinuierliche, konsistente und vor allem kompetente Kommunikation. Zuhören und Empathie sind für Corporate Influencer Pflicht.
Aufgabe der Kommunikation ist es, das Potenzial zu erkennen, aber auch die Risiken abzuschätzen und die Mitarbeitenden auf dem für sie passenden Weg zu begleiten. Das verlangt Fingerspitzengefühl, Zeit und Ausdauer.
Kandidatenkarrussel
Schritt 1 ist zu erkennen, wer sich aus eigenem Antrieb zum Botschafter oder zur Expertin entwickelt hat. Im Unternehmen werden die passenden Kandidatinnen gesucht. Doch wer eignet sich überhaupt? Die richtigen Leute zu finden ist je nach Unternehmensgrösse und Organisation gar nicht so einfach:
Erste Voraussetzung: Es braucht Mitarbeitende, die mit Leidenschaft arbeiten, eine ausgeprägte Identifikation mit ihrer Organisation, ihren Teammitgliedern und den Zielen aufweisen. Zudem sollten sie:
- Motivation mitbringen ihr Wissen zu teilen, Neues zu entdecken, zu lernen und sich zu vernetzen,
- in der Lage sein Themen aus ihrem Fachbereich kompetent und verständlich zu vermitteln,
- interessiert sein zu diskutieren, andere Haltungen zu sehen und zu differenzieren,
- bereit sein auch in persönlichen Social Media-Profilen und Netzwerken Inhalte zum Unternehmen zu teilen,
- Willens sein, Kolleginnen und Kollegen zu helfen.
Und dann kommt noch ein ganz wichtiger Punkt: Schauen Sie sich die drei Mitarbeiter-Typen nach Gallup an. Dann lassen Sie mal Ihr Unternehmen Revue passieren – oder fragen Sie das HR. Zu welcher Gruppe gehört die Mehrheit Ihrer Mitarbeitenden? Je nachdem überlegen Sie sich, ob Sie sich weitere Gedanken zum Thema dieses Beitrags machen oder sich allenfalls doch eher den Themen Leadership und Kultur zuwenden.
Na dann mal los – aber bitte mit Plan.
Sie sind noch dabei? Gut! Dann werden Sie sich überlegen, wie Sie Ihre Mitarbeitenden als Botschafter gewinnen können. Das ist kein Spaziergang, die Otto Group beispielsweise ist schon über zwei Jahren am Thema dran. Aber der Aufwand lohnt sich, ihr Jobbotschafter-Programm ist ein Erfolg.
Zuerst sollten Sie die Situation in Ihrem Unternehmen oder in Ihrer Organisation prüfen:
- Lässt die Kultur Botschafter zu? Haben die Mitarbeitenden Freiraum um sich zu entwickeln?
- Pflegt das Unternehmen eine Fehlerkultur? Entwickelt es daraus eine Lernkultur?
- Wie steht es um die Motivation der Mitarbeitenden? (da kommt Gallup wieder ins Spiel)
Damit Sie den Blick für das Wesentliche nicht verlieren, arbeiten Sie mit Konzept und erarbeiten Sie ein Employee Advocacy-Programm mit klaren Zielen. Da immer auch Ressourcen im Spiel sein werden und die Organisation tangiert werden kann, gehört dabei das Management ins Boot. Machen Sie sich intern auf die Suche nach Talenten: Change Agents fallen auf. Dann öffnen Sie das Angebot für alle und sichern Sie die regelmässige Kommunikation in der Programmgruppe. Einmal Pizza für alle wird nicht reichen. Und nochmals: Freiwilligkeit ist zentral, aber lassen Sie die Mitarbeitenden nicht alleine. Bieten Sie eine umfassende Begleitung mit Coaching, Schulung, Motivation und Sprechstunden. Und nehmen Sie nicht einfach zur Kenntnis, sondern zeigen Sie Erfolge (die Sie messen) und feiern Sie diese auch.
Was gehört alles in ein Employee Advocacy-Programm?
Ein Employee Advocacy-Programm ist im wesentlichen ein Konzept, das alle Fragen aufgreift und die Leitplanken legt.
- Information: Interne Kommunikation und Kultur, die auf Lernen aufbaut
- Guidelines: Rollen, Erwartungen und Kompetenzen klären
- Interne Prozesse zur Befähigung, Förderung und Motivation von Mitarbeitenden
- Bereitstellung von kuratierten Inhalten zur Verbreitung in den persönlichen Netzwerken
- Förderung mit Schulung, Coaching, Guidelines und Austauschformaten
- Freiraum: Vertrauen und Zeit, auch neue Wege zu gehen
- Tools: z.B. Elevate von Linkedin, Amplify von Hootsuite, Sociabble
Das Programm betrifft das ganze Unternehmen. Stützen Sie entsprechend die Erarbeitung breit ab! Anregungen hierzu finden Sie im wirklich gut gemachten Blueprint-Whitepaper von Kublé.
5 Tipps zum Schluss
So quasi als Zusammenfassung gebe ich Ihnen die wichtigsten Stolpersteine auf den Weg.
- Die Profile der Mitarbeitenden müssen zu den Themen des Unternehmens passen: Instagram Reise- und Lifestyle passen nicht zu B2B Sanitär-Rohren.
- Die Erwartungen und Spielregeln müssen mit den Mitarbeitenden klar geregelt werden.
- Der regelmässige Austausch und die Reflexion der Aktivitäten mit den Botschaftern gehören dazu.
- Die Teilnahme ist freiwillig, die Information über das Botschafter-Programm erfolgt im ganzen Unternehmen.
- Mitarbeitende sehen für sich den Nutzen und fühlen sich nicht «vor den Karren gespannt».
An der Connecta 2019 habe ich ein Kurzreferat zum Thema gehalten. Hier finden Sie die Slides dazu:
Danke, dieser Beitrag gibt ein sehr guter Überblick über das Thema. Zwei Ergänzungen meinerseits:
Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, mal in einem kleinen Kreis (aka Pilotgruppe) zu starten und dann das Programm langsam auszuweiten
Bei den Tools fehlt Smarp, meines Erachtens sehr starke Plattform bei Employee Advocacy. Wenn auch eher für grössere Unternehmen geeignet
Vielen Dank, Michael, für diese wertvollen Ergänzungen. Gerade für Tooltipps sind meine Leserinnen und Leser sicher dankbar. Kannst du darum noch etwas mehr dazu sagen, was Smarp so stark macht?