Caritas Zürich ist ein eigenständiges katholisches Hilfswerk und eine von 18 Organisationen im Schweizerischen Caritas-Netz. Im Kanton Zürich setzen sich 70 Mitarbeitende und rund 400 Freiwillige zur Linderung der Not von armutsbetroffenen Menschen ein. Einer davon ist Ariel Leuenberger, der sich als Mediensprecher im Kommunikationsteam auch mit den sozialen Medien beschäftigt. Ich habe ihn für diesen Blog zu seiner Tätigkeit befragt.
Wofür setzt sich Caritas Zürich ein?
Wir setzen uns im Kanton Zürich für arme Familien und Menschen in Not ein. Einerseits helfen wir den Betroffenen direkt, andererseits machen wir die Öffentlichkeit auf die Probleme der Armen aufmerksam. Und darauf, dass es diese bei uns wirklich gibt.
“Zuhören, Mitreden, Aufrütteln” heisst der Titel des Social-Media-Konzepts für Caritas Zürich; mit welchen Medien rüttelt ihr auf und wie packt ihr das an?
Wir haben einen Blog, der von Mitarbeitenden, Freiwilligen und Armutsbetroffenen geschrieben wird. Sie erzählen Geschichten aus ihrem Alltag und zeigen damit sehr persönlich, welchen Herausforderungen sie begegnen. Auf unserer Facebook-Seite weisen wir auf aktuelle Medienbeiträge, interessante Posts anderer oder auf unsere eigenen Artikel hin; bei externen Links lassen wir unser Know-how oder auch mal eine Frage, die uns beschäftigt, im Kommentar einfliessen. Zudem haben wir mit “Nachbarn” ein Magazin, das regelmässig die Schicksale von Betroffenen zeigt. Und schliesslich ist unsere Grundlagenstelle damit beschäftigt, für uns wichtige Themen zu recherchieren und zu analysieren, damit wir der Politik Handlungsbedarf und Lösungsansätze aufzeigen können.
Wie organisiert Caritas Zürich das Zuhören?
Alle Interessierten haben die Möglichkeit, auf unserem Blog, auf unserer Facebook-Seite oder per Mail ihre
Anregungen anzubringen. Zudem nutzen wir verschiedene Hilfsmittel wie Google-Analytics, Google-Alerts (beide kostenlos) oder Argus, um herauszufinden, was die User mögen und wie andere über uns reden. Diese Dienste erlauben es, sich wöchentlich oder monatlich genaue Analysen zukommen zu lassen. Man muss die dann einfach auch auswerten können… Auf Facebook sind wir mit vielen anderen Seiten verlinkt. So erfahren wir, welche Themen gerade aktuell sind und können uns bei Bedarf in die Diskussionen einschalten. Es hilft sicher auch, dass wir uns auch privat mit Social Media beschäftigen, denn es gibt ja Überschneidungen vom privaten und beruflichen Netzwerk. Unsere Themen – Solidarität, Gerechtigkeit, soziales Engagement – beschäftigen Viele.
Wen versucht ihr über die sozialen Medien zu erreichen? Habt ihr bereits eine Community aufbauen können? Wen erreicht ihr online sicher nicht?
Wir versuchen, Menschen im Kanton Zürich zu erreichen, die sich für soziale Themen interessieren. Einerseits geht es um die Sensibilisierung, andererseits sind Social Media für uns wichtige Kanäle, um andere, einfachere Zugänge zu unseren vielfältigen Angeboten zu schaffen. Wenn wir zum Beispiel Freiwillige suchen, wenn in einem unserer Secondhand-Läden ein Event stattfindet, wenn wir zu einem Artikel in der Zeitung Stellung beziehen wollen, können wir per Blog und Facebook schnell eine beachtliche Anzahl Menschen erreichen. Unsere Communitiy besteht zur Zeit aus vielen eher passiven und wenigen aktiven Menschen. Und aus Organisationen, mit denen wir auch offline vernetzt sind. Unsere Spenderinnen und Spender – viele schon lange pensioniert – erreichen wir online eher weniger.
Seit Juni 2012 betreibt ihr den Züriblog. Welche Rolle spielt er in eurer Kommunikation?
Der Züriblog soll die Menschen hinter Caritas Zürich zeigen. Auf keinem anderen Kanal kommen Mitarbeitende und Freiwilligen so direkt zu Wort wie im Blog. Es geht um persönliche Erlebnisse, Emotionen und darum, unsere Arbeit sichtbar zu machen. Zudem ist der Blog ein guter Kanal, um ein aktuelles Thema aufzugreifen und dieses mit unserer Arbeit zu verknüpfen – unter der Rubrik „Standpunkt“ macht dies Daniel
Wirz (Leiter der Kommunikation und Mitglied der Geschäftsleitung von Caritas Zürich) regelmässig. Das können wir auf der Website oder im Magazin weniger spontan machen, weil es dort nicht die persönliche Meinung eines Mitarbeitenden wäre, sondern die von Caritas Zürich. Für offizielle politische Stellungnahmen ist der Vorstand zuständig.
Im Blog erzählt ihr persönliche Geschichten, wie schützt ihr die Persönlichkeit der armutsbetroffenen Menschen, über die ihr sprecht?
Sarah Moser, die im Blog über das Leben als alleinerziehende Mutter schreibt, benutzt ein Pseudonym. Alle Geschichten, welche wir aus unserem Alltag erzählen, sind anonymisiert, also mit anderen Namen, Wohnorten oder Berufen versehen.
Leidet nicht die Authentizität, wenn ihr Schicksale verfremdet? Das ist ja doch dann nicht ehrlich?
Im Blog verfremden wir nicht die Schicksale, sondern nur die persönlichen Daten. Die Geschichten sind alle echt.
Bei Caritas Zürich engagieren sich 70 Mitarbeitende und rund 400 Freiwillige, wie löst ihr die “interne” Kommunikation und welche Rolle spielen die sozialen Medien?
Intern benutzen wir keine sozialen Medien. Da läuft vieles per Mail oder direkt. Einmal pro Monat sehen sich alle Mitarbeitenden während einer Stunde zum „Märt“, wo die Abteilungsleitenden über kommende Aktivitäten informieren. Wöchentlich wird der „Wochenrapport“ der Abteilungsleitenden an alle Mitarbeitenden verschickt. Die Kommunikation mit den Freiwilligen ist weitgehend den Projektleitenden überlassen. Grundsätzlich ermuntern wir die Mitarbeitenden, ein Facebook-Profil einzurichten und unsere Seite zu liken. Dann erfährt man nicht unbedingt mehr, aber die Infos sind teilweise aktueller. Wir bieten auch Unterstützung an, wenn Fragen zu den Social Media da sind.
Funktioniert Fundraising über die sozialen Medien? Wie arbeitet die Caritas Zürich konkret?
Für uns funktioniert Fundraising primär offline. In der Schweiz gibt es zum Glück ein gut funktionierendes Sozialnetz, wir haben keine augenscheinlich katastrophalen Zustände. Es ist darum schwierig, die Dringlichkeit unserer Arbeit aufzuzeigen. Wenn zum Beispiel in Haiti die Erde bebt, tausende Menschen sterben und Millionen obdachlos werden, sind die Medien voll von schrecklichen Bildern. Und alle wollen helfen. Dann funktioniert Fundraising auch via Social Media.
Wir arbeiten vor allem mit Direct Mailings, doch Spenden sind nicht unsere einzige Einnahmequelle. Wichtig sind auch private Stiftungen. 40% unserer Mittel erwirtschaften wir selbst mit den Secondhand-Läden und anderem, zudem werden wir von der katholischen Kirche im Kanton Zürich unterstützt.
Wenn Ressourcen keine Rolle spielen würden, was würdest du am liebsten noch realisieren?
Eine grosse Kampagne für unsere Secondhand-Läden, an der sich die Kundschaft via Social Media beteiligen kann. Wo Kundinnen und Kunden Bilder von sich in Secondhand-Kleidern posten – zum Beispiel über unsere Facebook-Seite, über Instagram oder direkt bei uns im Laden. Diese Bilder würde ich dann gerne für Kampagnen verwenden. Das würde die User involvieren, uns mehr Reichweite geben und wäre sicher auch witzig.
Was gibst du anderen Hilfsorganisationen auf den Weg, die vermehrt online kommunizieren wollen?
Zuerst sollten die Mitarbeitenden motiviert werden, denn wir Kommunikationsleute sind auf persönliche Geschichten der Basis angewiesen. Da zum Teil Widerstände gegen Social Media bestehen, sind interne Information und Begleitung wichtig, um Vertrauen aufzubauen. Und manchmal ist es wichtiger, sich rasch zu etwas zu äussern, als tagelang an der perfekten Formulierung zu feilen – das braucht ebenfalls Vertrauen und ist auch eine Frage der Führungskultur. Am besten funktionieren Social Media, wenn man bereits offline eine breite Community hat, die sich gerne austauscht.
Ariel Leuenberger arbeiter seit über vier Jahren bei Caritas Zürich, zuvor war er als Berater in einer Werbeagentur tätig. Seine Aufgaben sind Medienarbeit, die Redaktion des Magazins «Nachbarn» und die Abstimmung der Kommunikationsarbeit aller Caritas-Organisationen in der Deutschschweiz. Neben Social Media interessiert er sich für alle Arten von Corporate Publishing – momentan versucht er, den Jahresbericht von Caritas Zürich attraktiver zu gestalten. An der FHNW hat er den CAS Kommunikation für Nonprofit-Organisationen mit der Abschlussarbeit zum Thema “Zuhören, Mitreden, Aufrütteln. Social Media Konzept Caritas Zürich” abgeschlossen.
2 Kommentare zu “Caritas Zürich im Interview: auf der Strasse für Menschen in Not – im Web zur Aufklärung.”