European Communication Monitor: europäische PR-Trendstudie für 2011

In diesen Tagen ist der diesjährige European Communications Monitor ECM 2011 erschienen. Bereits seit 2007 wird diese Trendstudie jährlich erhoben: sie zeigt, wie sich die Rahmenbedingungen der PR, aber auch die Kommunikation selbst in Europa verändern. An der diesjährigen Umfrage haben im März 2‘209 Berufsleute,vorwiegend aus dem Senior-Bereich, aus 42 europäischen Ländern teilgenommen. Durchgeführt wurde sie unter der Leitung von Prof. Ansgar Zerfass von der Universität Leipzig in Partnerschaft mit 11 renommierten Universitäten in ganz Europa. Die Studie bestätigt, dass die PR ihre Funktionen ausbaut, so zeichnen die meisten Professionals für eine immer breitere Aufgaben-Palette verantwortlich. Kommunikations-Verantwortliche rücken näher an die Unternehmensleitung und haben weitgehend direkten Zugang zur Chefetage – eine überfällige Entwicklung, welche die wachsende Bedeutung der Kommunikation unterstreicht. Zuoberst auf der Prioritätenliste stehen die Entwicklung der Social
Media Skills
und weiterhin die Unterstützung der Unternehmensziele.

Grösseres Gewicht und breitere Abstützung der PR

Acht von zehn Organisationen sind der Meinung, dass sich die Tätigkeit der PR inzwischen nicht mehr allein auf Publizität und Medienarbeit beschränkt. Abgedeckt wird über die Medien hinaus eine Vielzahl von Stakeholders: Konsumenten, Mitarbeiter, Investoren und/oder Politiker. Dass dies ein neuer Befund sein soll, überrascht mich, denn bereits zur Zeit meiner Ausbildung zur PR-Beraterin beim Schweizerischen Public Relations Institut SPRI hat das Curriculum diese Breite abgedeckt. Eine gute Abstützung im Management und ein breiter Zuständigkeitsbereich des PR-

Verantwortlichen wirken sich positiv auf die Resultate aus. Drei Viertel der Befragten haben direkten Zugang zum Management oder sind Teil davon (17,8%), dadurch sind sie nicht nur operativ, sondern zunehmend auch strategisch aktiv. Bei der Zugehörigkeit zum Management gibt es regionale Schwankungen, in Nordeuropa sind es immerhin 23,9%, den tiefsten Wert erreicht Westeuropa mit 11,2%. Interessant ist zu beobachten, dass in Deutschland kaum 5% im Management (Schweiz ca. 18%) sitzen – einen gleich tiefen Wert erreicht nur noch Frankreich – dafür rapportieren fast 90% an den CEO (Schweiz ca. 73%).

Public Relations in einer Identitätskrise

In vielen europäischen Ländern hat der Begriff Public Relations eine negative Konnotation und 42% der Befragten (Schweiz 36%, Deutschland 45%) orten den Grund in der negativen Berichterstattung in den Medien. Sie würde die Bezeichnung gerne ablösen durch Corporate Communications (68%), Strategic Communication (61%) oder Communication Management (56%).

Wenn das Imageproblem Auslöser für den Wechsel Bezeichnung ist, kann ich diesem Ansinnen wenig abgewinnen. Ich stimme Sascha Stoltenow zu, der bei Fink&Fuchs im Kommentar sagt: „PR tragen als einzige Kommunikationsdisziplin das angestrebte Ergebnis ihres Wirkens im Namen. Pressesprecher, Werber, Journalisten und auch Social Media-Experten sprechen über sich selbst oder die Technik, die sie einsetzen. Public Relations sprechen über das Ziel ihrer Arbeit – die

öffentlichen Beziehungen von Menschen und Institutionen.“ Vertrauen und Respekt erreicht der Berufsstand nicht durch den Wechsel des Labels (so würden wir auch nicht unsere Kunden beraten), sondern durch eine klare Profilierung. Die Transparenz und Chance zum Dialog, welche das Social Web mit sich bringt, ist die Gelegenheit für die PR, sich im vormedialen Raum zu profilieren und einen Gegenpol zur Berichterstattung in den Massenmedien zu schaffen. Die Initiative ergreift Prof. Thomas Pleil mit seinen Studenten an der Hochschule Darmstadt mit den PRraktikern, aktiv sind aber auch die PR-Studierenden in Hannover.

Corporate Communications kommt für mich im Übrigen nur dann als Begriff in Frage, wenn es darum geht, den Willen zur integrierten Kommunikation zu bestärken.

Online-PR: Social Media spielt (noch) eine Nebenrolle

Mit der digitalen Evolution Schritt zu halten ist das Hauptanliegen von 55% der Befragten. Und es ist wird erwartet, dass Online Kanäle in naher Zukunft eine führende Rolle im Media Mix einnehmen werden. Social Media ist jedoch nur Teil davon und dass die Akzeptanz noch wachsen muss, zeigen diese Zahlen: Waren im Jahr 2007 noch 11,5% der Meinung, dass Social Media wichtig ist, sprechen sich 2011 bereits 40,5% in diese Richtung aus. Immerhin sechs von zehn Profis glauben nicht an den Nutzen von Social Media, wohl aber an kontrollierte Online-Aktivitäten wie Websites, E-Mail und Online-Medienarbeit.

Online Communications und Social Media: Entwicklung von 2007 bis 2011
Online Communications und Social Media: Entwicklung von 2007 bis 2011

Schritt halten ist das Motto und Handlungsbedarf gibt es insbesondere beim Online-Monitoring – nur gerade jede dritte Organisation hat das „strukturierte Zuhören“ institutionalisiert. Das ist zwar ein klarer Fortschritt gegenüber dem Vorjahr (25,9%), dennoch finde ich diesen Wert ist erschreckend tief, wenn man bedenkt, wie schnell sich Meldungen und Meinungen online verbreiten. Für Unternehmen ist es vital zu erfassen in welchem stimmungsmässigen Klima sie kommunizieren und welche Issues diskutiert werden. Immerhin geben vier von zehn Berufsleuten aus der Kommunikation an, dass in ihrer Organisation Social Media Guidelines erarbeitet wurden (Vorjahr 31,8%) – wie weit diese auch wirklich implementiert sind, lässt die Studie offen. Mit der Definition von ROI („ratio of he financial profit resulting from an activity against ist acutual cost“) sind 52,8% der Befragten einverstanden, die übrigen waren der Meinung, dass mit dem ROI auch die Erreichung der Kommunikationsziele und nicht monetäre Werte der Kommunikation ausgedrückt werden können. Wie sich PR messen lassen, und was im ROI ausgedrückt werden kann, dürfte noch zu einigen Debatten führen: Die Frage der Messbarkeit ist wohl so alt, wie der Beruf selber und bis heute nicht befriedigend gelöst.

Der Blick nach vorne: Disziplinen 2014

Welches sind die in drei Jahren, also im Jahr 2014, die wichtigsten Disziplinen im Kommunikationsmanagement? Corporate Communications mit ihrem Blick auf die gesamte Organisation behält ihre führende Rolle. Marketing/Consumer Relations und interne Kommunikation/Change Management werden nach Meinung der Befragten in drei Jahren im Kommunikationsmix gleichbedeutend sein. Krisenkommunikation fällt vom dritten auf den fünften Platz zurück und Corporate Social Responsibility und Nachhaltigkeit legen weiter zu. Ein überdurchschnittliches Wachstum wird für die internationale Kommunikation und das Personal Coaching prognostiziert.

Wachstum von Online bisher überschätzt

Im Kommunikationsmix werden die Online Kommunikation (Websites, E-Mail, Intranet), Medienarbeit mit Online-Medien und Social Media Channels das Zepter übernehmen. Face-to-Face-Kommunikation bleibt wichtig, die klassische Medienarbeit wird jedoch bis 2014 klar weniger relevant sein, knapp 65% betrachten sie dannzumal noch als wichtig.Der Langzeitvergleich hat gezeigt, dass die Resultate einen Trend zeigen, das Wachstum jedoch meist stark überschätzt wird. Zu defensiv eingeschätzt wurde die Online-Medienarbeit, das Resultat überstieg die Werte der

Umfrage um +6,4%. Klar nicht erreicht wurden die Erwartungen bei Online Communication (-16,9%), Social Media (-18,6%) aber auch bei den Events (-10,3%) und Corporate Publishing (-14,9%). Gerade bei den beiden erst genannten dürfte der Grund darin liegen, dass sich die Technologien zwar rasant verändern, nicht aber die Menschen und ihr Verhalten.

Social Media: Online-Communities, Videos und Blogs trumpfen

Wo sehen jene 40,5%, die Social Media für die Kommunikation als wichtig einstufen, das Hauptgewicht? Jeder Zweite setzt auf Online Communities (Vorjahr 44,6%), kaum verändert haben sich die Online-Videos (Bewegtbild) mit 39,5% (Vorjahr 38,4%) und jeder dritte setzt auf Blogs, sei es auf Weblogs mit 28,3% (Vorjahr 30,9%) oder auf Microblogs wie Twitter mit 32,5% (Vorjahr 26,3%). Neu abgefragt wurden Social Bookmarks (16,5%) und Slidesharing (21,5%). Ins Hintertreffen geraten sind Wikis und Podcasts und auch virtuelle Welten mögen sich kaum Anhänger zu sichern. Die Grafik rechts zeigt, dass allen Disziplinen innerhalb eines Jahre ein massives Wachstum vorausgesagt wird. Baut man auf den bereits erwähnten Langzeitvergleich, dann sind diese Zahlen mit Vorsicht zu geniessen und eher als Trend einzuschätzen.

Die Zunahme der Bedeutung von Social Media Tools bis 2012
Die Zunahme der Bedeutung von Social Media Tools bis 2012

Und wie sieht es mit dem Learning by doing aus? Nur noch jeder fünfte Befragte ist wenig aktiv; immerhin 56,1% nutzen Social Media täglich, 25,6% mehrmals pro Woche privat. Diese Erfahrungen werden den Unternehmen in Zukunft zu Gute kommen. So breit wie das Aufgabengebiet ist, so vielfältig werden auch die Anforderungen an PR-Profis definiert. Hier tut sich eine Lücke auf, die nur teilweise mit Weiterbildung gefüllt werden kann. Die schnelle Entwicklung, insbesondere von Social Media, bringt es mit sich, dass Unternehmen für Spezialaufgaben künftig auf die Erfahrung von Agenturen zurückgreifen werden.

Der Link zu Umfrage zum Download als pdf.

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2 Kommentare zu “European Communication Monitor: europäische PR-Trendstudie für 2011

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