Erinnern Sie sich, wie Sie vor 20 Jahren über Ihre Ferien gesprochen haben? Mundpropaganda (nicht Mund-zu-Mund-Propaganda) lief früher anders: Postkarten schreiben, Souvenirs nach Hause bringen und bei Fototreffs von der schönsten Zeit im Jahr schwärmen. Social, local, mobile (SoLoMo) hat die Kommunikation im Tourismus komplett auf den Kopf gestellt. Dank Digitalisierung werden überall und zu jeder Zeit via Instagram, Facebook, Snapchat oder WhatsApp Eindrücke ins eigene Netzwerk getragen. Smartphones mit Dauerzugriff aufs Internet sorgen für Non-Stop-Berieselung: Videos von der Traumdestination, Fotos aus dem Wellness Hotel oder Selfies von der Skipiste. Für touristische Organisationen ist das eine riesige Chance und Herausforderung zugleich.
Am diesjährigen E-Campus der Tourismus Services Ostschweiz AG, habe ich einen Impuls zum Thema Sharing entlang der Customer Journey gegeben. Die Kernfrage: Wie animiere ich (m)einen Gast, sein Erlebnis während allen Reisephasen zu teilen? In diesem Beitrag führe ich ein paar Massnahmen aus, die Präsentation am Ende dieses Beitrages rundet sie ab. Für eilige Leser: Hier geht es direkt weiter zur Präsentation.
Nur 2% der Zeit im Kaufmodus
Ferienhungrige durchlaufen auf der Customer Journey die Phasen Dreaming, Researching, Booking und Experiencing. Sharing, also das Teilen von Inhalten, spielt auf der ganzen Reise eine wichtige Rolle. Warum ist das so? „Menschen sind zu 98% ihrer Zeit nicht in der Kaufphase“, sagt Magnus Hüttenberend, Leiter Digitale Kommunikation bei der TUI Group im Podcast TalkingDigital (Min 12.15). Mit dem Angebot zum richtigen Zeitpunkt, am richtigen Ort zu sein, ist also fast unmöglich oder im besten Fall Glückssache. Marken, die sich in den Köpfen ihrer Zielgruppen verankern können, haben eine bessere Chance “zum Handkuss” zu kommen, wenn ein Kaufentscheid ansteht. Marketing und Werbung haben an Glaubwürdigkeit eingebüsst. Gemäss Edelman Trust Barometer geniesst “a Person like yourself” am meisten Vertrauen. Das Teilen von Fotos, Videos und Ferienerlebnissen in den sozialen Medien ist nichts Anderes, wie eine Empfehlung unter Freunden, Mundpropaganda im Social Web.
Menschen teilen, was sie bewegt
Plakative Werbung und anbiederndes Marketing sind 2017 out. Nicht das Produkt steht im Vordergrund, sondern das Erleben. Genau hier sollten Hotellerie, Gastronomie, Transportgesellschaften und touristische Organisationen mit im Gespräch sein. Ihre Herausforderung ist es also, Angebote zu schaffen, die überraschen, begeistern und Emotionen wecken, erst dann werden sie teilbar. Sie sollten ihr Angebot mit Kopf und Herz gestalten und nie die Erwartungen ihrer Gäste aus den Augen verlieren.
Phantasie, Empathie und persönliches Engagement können auch kleine Budgets strecken. Das Schneepanorama mit Palmen in der Sonne und Liegestühlen auf Pulverschnee auf Facebook weckt die Sehnsucht hier jetzt auch geniessen zu dürfen. Das Fondue, das der Wanderhotelier Thomas Frei seinen Gästen vor dem Bergpanorama in Gstaad serviert, macht Appetit auf mehr. Er nennt das #Gastbeglückung und teilt die schönsten Fotos von besonderen Momenten in den sozialen Medien. Bis sich ein Kunde auf der Customer Journey entscheidet, muss er mehrere Male mit dem Angebot in Berührung gekommen sein. An Touch Points fehlt es dem Tourismus nicht. Ob ein Anbieter selber gut gemachte Inhalte zur Verfügung stellt oder auf User Generated Content baut, ist auch ein strategischer Entscheid. In jedem Fall gilt: Konsistenz und Kontinuität sind die halbe Miete.
Mit Call-to-Action Sharing aktivieren
Auch wenn heute praktisch jeder ein Smartphone mit sich herumträgt, nicht alle lassen die Welt wissen, was sie gerade tun. Die 90-9-1-Regel von Jacob Nielsen bleibt gültig: 90% gehören zur schweigenden Mehrheit, die lieber konsumiert, was andere verbreiten. Teils ist das auch ein bewusster Entscheid, weil Ferien Privatsache sind oder zur Erholung vom stressigen Berufsalltag ein „Digital Detox“ angesagt ist.
Nicht immer jedoch fällt der Entscheid, nichts zu Teilen, so ganz bewusst. Oft mangelt es einfach an der Idee oder am Impuls. Wenn Sie wollen, dass Menschen etwas tun, sagen Sie es ihnen, helfen Sie mit Ideen. Für die Grand-Tour of Switzerland wurden auf der ganzen Strecke Foto-Spots mit Bilderrahmen aufgestellt: „Atemberaubende Viertausender, liebliche Hügellandschaften, mittelalterliche Städte, der tosende Rheinfall – auf der Grand Tour of Switzerland reihen sich die Sehenswürdigkeiten wie Perlen an einer Schnur.“ Jedem Besucher ist sofort klar, was hier zu tun ist.
Wenn Menschen etwas tun sollen, brauchen sie eine Aufforderung. Das klingt blöd, ist aber so. Die Call-to-Action (CTA) gehört in der Kommunikation dazu und ist Teil der Distribution. Anschreien müssen Sie dafür niemanden, die Alp Scharmoin, oberhalb Lenzerheide, hilft zum Beispiel dem Gast dezent auf die Sprünge: „For your best pics on Instagram, Twitter oder Facebook your are here: Scharmoin“.
Anlass geben zum Teilen am Instameet
Gerade in der Tourismus-Branche bieten Instameets eine hervorragende Chance, Menschen, die gerne fotografieren, mehr von einer Region zu zeigen oder den Blick hinter die Kulissen zu freizugeben. Die Rhätische Bahn hat an einem Samstag im Januar fünf Instagram-Stars aus ganz Europa eingeladen, die Welt der RhB zu entdecken. Mit ihren unvergleichlichen Bildern haben sie den Bündner Winterzauber festgehalten und auf Instagram und weiteren Netzwerken geteilt. Am Sonntag haben sich rund 40 weitere Instagramer aus der gesamten Deutschschweiz der Fotopirsch angeschlossen. Unter #instameetRhB #rhaetiansensation #graubunden #VisitChur haben sie ihre Eindrücke aus ihrer Perspektive festgehalten. Zahlreiche Fotos sind auch mit Orten oder Personen vertagt und haben so für noch mehr Reichweite gesorgt.
Beschaulicher ging es beim Valbella Inn zu, das Hotel hat fünf fotobegeisterte Biker zu einem Instagramer-Gipfeltreffen eingeladen und das strategisch geschickt angepackt. Neben dem Event-spezifischen Hashtag #valbellainmeet haben sie die Bilder unter anderem mit #sonnehochzwei der Lenzerheide ergänzt. Das ist klug überlegt, denn ein Hashtag für ein Event ist vergänglich, Keywords zu einer Region oder zu einem Thema werden immer wieder gesucht.
Geschichten setzen Alltägliches in Szene
Sie haben vor der Haustür kein türkisblaues Meer mit endlosem weissen Sandstrand? Das Südtirol auch nicht und macht trotzdem von sich reden. Die Region setzt auf Storytelling und setzt das scheinbar Alltägliche in Szene. Was uns bewegt sind Geschichten aus dem Südtirol. Portaits von Menschen, die hier leben und arbeiten: Von Judith in St. Ulrich, die mit viel Liebe Grödner Holzpuppen herstellt, weil ihr das schon in die Wiege gelegt wurde. Oder Lukas in Burgstall, der sich erinnert, wie er als kleiner Junge seinem Vater zugesehen hat, wie er den riesigen Seitenspeck aufgehängt hat. Er erklärt, wie er heute die Familientradition weiterführt.
Wenn Sie einen Moment Zeit haben, lassen Sie sich verführen, das Südtirol lädt ein: „Hol dir deine Geschichte und lass dich für einen Urlaub in Südtirol inspirieren.“ Und wer mag, sucht sich seine Lieblingskuh: Wer wird es? Johanna oder Flamme? Markus oder Gamsa? Bauern plaudern aus dem Stall und von der Weide und verraten: „Eine ist immer die Liebste“. Merke: Auch ganz alltägliche Dinge können Menschen fesseln, vorausgesetzt, es gibt dazu eine gute Geschichte zu erzählen. Solche Geschichten werden gerne geteilt und fördern die Mundpropaganda.
Es müssen nicht immer die grossen Geschichten sein, im Gegenteil. Die Aufmerksamkeit ist ein knappes Gut, knackiger Snack Content kann einen genauso guten Job machen. Emotionale Fotos, witzige Kurzvideos, GIFs oder Cinemagraph können schon gutes Futter zum Teilen im eigenen Netzwerk sein.
Blogger- und Influencer Relations
Viele Reise- und Outdoor-begeisterte Menschen teilen ihre Passion mit Bildern und Beiträgen, welche das Niveau von Fachmagazinen erreichen. Kommen die passenden Partner zusammen profitieren alle Seiten. Das Thema entwickelt sich noch und Gabriele Bryant hat einen sehr schönen Beitrag dazu geschrieben, worauf man bei Influencer-Relations achten sollte. Ein schönes Beispiel von Blogger-Relations auf Augenhöhe habe ich in diesem Blog bereits beschrieben. #Samwandert und Heidiland Tourismus zeigen, wie man mit einfachen Mitteln viel herausholt, die Region hat dafür auf den eigenen Blog gebaut.
Anders läuft es bei Anita, sie führt seit 2012 ihr eigenes Blog und berichtet auf Travelita über ihre Wochenendausflüge, Städtetrips und Fernreisen. Das Hotel Guarda Val und Arosa Lenzerheide Tourismus haben ihr einen Birthday Retreat spendiert. Ihr Bericht und die Fotos lassen sich sehen und wecken die Lust, gleich den Koffer zu packen. Und nochmals zurück nach Italien, wo Südtirol Wein Food-Blogger zu einem Koch-Event mit Weinverkostung eingeladen hat. Annette Sandner gibt in ihrem Blog Einblick in Konzeption und Umsetzung dieses Events. Solche Resultate kommen nicht von heute auf morgen zustande, sondern setzen einen sorgfältigen Aufbau von Beziehungen, eben Relations, voraus.
Content Curation: Nach Perlen tauchen im Web
Dass Sie nicht alles selber produzieren müssen, zeigen die Beispiele in diesem Beitrag. Tourismusregionen sind vielfältig im Gespräch. Das Online-Monitoring bringt an den Tag, was über eine Region, eine Stadt oder ein Hotel geschrieben wird. Egal ob es sich um dabei um einzelnes phantastisches Bild bei Instagram oder einen detaillierten Blogbeitrag handelt. Mit Content Curation entdecken, sammeln, beurteilen, organisieren und teilen Anbieter Inhalte zu ihrem Thema. Beim Kuratieren versteht es sich übrigens von selbst, dass Sie sich bei der Verwendung von fremden Inhalten zu den rechtlichen Grundlagen ins Bild setzen.
Der französische Reiseveranstalter Pierre et Vacances hat so Destinations-Websites für zwei Reiseregionen aufgebaut. Auf der Plattform Evasionmer kuratieren die Verantwortlichen Geschichten aus dem Netz und aus Social-Media-Kanälen. Sie binden aber auch Content von Kunden, Event-Veranstaltern und Hotels ein. Dazu gehören Kommentare, Bilder und Reisetipps. Inhalte werden also nicht gänzlich neu erschaffen, verschiedene Stimmen werden einfach in einem neuen Kontext zusammengezogen.
Die Destination Arosa Lenzerheide löst das über den Hashtag #arosalenzerheide und stellt die schönsten Bilder zusammen. So entsteht ein gemeinschaftliches Fotoalbum. Instagramer suchen auf der Plattform nicht nur ihre eigenen Bilder, sie entdecken auch, welche Accounts die gleiche Passion teilen und erhalten Inspiration, wie man Aufnahmen auch noch gestalten könnte.
Präsentation vom TSO E-Campus
Nach den Ferien ist vor den Ferien. Was die einen hier und jetzt erleben, bringt die anderen zum Träumen und verleitet sie zur Recherche nach ihrem nächsten Traumurlaub. Gerne teile ich hier meine Präsentation zur Mundpropaganda am TSO E-Campus für digitales Marketing vom 25. April 2017.
Ein spannender Beitrag, der die vielfältigen Möglichkeiten der”Mund-zu-Mund Propaganda” aufzeigt. Bei meinem Beispiel ist es aber nicht so, dass mir Arosa Lenzerheide und das Guarda Val ein “Birthday Retreat spendierten”. Sondern Arosa Lenzerheide hat mich ursprünglich beauftragt, einen Gastbeitrag für ihren Blog zu verfassen (der dann leider doch nicht auf die Wintersaison online ging). Dass sich das vereinbarte Datum für diese Recherchetätigkeit mit meinem Geburtstag überschneidet, wusste niemand.
Vielen Dank für die Klärung, Anita, und damit für einen weiteren Einblick, wie Influencer Relations gestaltet werden können. Und wenn das Wochenende gerade auf deinen Geburtstag fiel, war das wirklich ein schöner Zufall.
Ha! Da hast du doch tatsächlich Rayana in der Präsentation =) Toller Artikel Marie-Christine. Danke dir dafür.
Klar, ich habe ihr gesagt, als ich sie persönlich kennenlernte, dass ich ihr in letzter Zeit öfter online begegnet bin. :-)
Hi Marie-Christine, mit den Heimatbotschaftern haben wir das Thema glaub ich im Hochschwarzwald als Erste und dann direkt angegangen – also zunächst als Erlebnisse von und mit Einheimischen vor Ort, aber auch als Stories über alle Medien (für Beispiele): “Sie zitiert einen Besucher mit den Worten, die Heimatbotschafter seien “Sehenswürdigkeiten, mit denen man reden kann””. http://www.badische-zeitung.de/titisee-neustadt/menscheln-soll-es-gerne–86205582.html
Lieber Michael, ich hatte dich bei der Vorbereitung der Präsentation im Kopf, konnte das Beispiel dann aber nicht mehr abrufen, weil nicht mehr Top of Mind. Jetzt ist es wieder da. :-) Vielen Dank für deine Ergänzung.
Nich dafür. So is Internet ;-)
(und ich blogge ja auch nicht darüber… btw, es gibt noch mehr Beispiele ;-)
Das finde ich gut, danke für’s Wissen teilen. Sehe ich dich dieses Jahr an der #cosca17? http://www.cscamp.de/worum-gehts/
Leider nein . da bin ich verplant (und für einen Kurzbesuch ist es leider zu weit weg).