Studie zu Kommunikation im Wandel: KI prägt sechs neue Rollencluster

KI ist in der Kommunikation keine Zukunftsmusik mehr, sondern längst im Alltag angekommen. Die Studie „Künftige Rollen und Kompetenzen in der Kommunikationsprofession im Wandel der Digitalisierung 2025″ der AG CommTech und der GK Personalberatung zeigt, wie sich die Rollen und Kompetenzen in der Unternehmenskommunikation verschieben und welche sechs Rollencluster künftig über den Erfolg entscheiden werden. Die Kompetenzprofile in der Branche sind künftig hybrid: Gefragt ist eine Symbiose aus technologischer Effizienz und menschlicher Authentizität. Um Wirkung zu erzielen, sind neben Technologieverständnis ebenso Soft Skills und klare Verantwortlichkeiten im Team unerlässlich.

Von den 142 Befragten geben 84 Prozent an, dass Digitalisierung, Automatisierung und KI ihr Arbeitsumfeld bereits heute stark oder sehr stark beeinflussen. Für die Zukunft erwarten dies sogar 97 Prozent. Der Bericht beleuchtet im ersten Teil den aktuellen Forschungsstand sowie die Diskussion um neue und alte Rollenprofile. Im zweiten Teil werden die Ergebnisse aus der Umfrage und der qualitativen Interviews präsentiert. Diese zeigen, wie KI und Digitalisierung die Kommunikation verändern. Abgeschlossen wird der Bericht mit drei Best Cases aus der Unternehmenspraxis von Covestro, der Otto Group und Körber sowie mit konkreten Handlungsempfehlungen.

Ich empfehle Ihnen, den gesamten Bericht zu studieren. Sie finden den Downloadlink dazu am Ende dieses Beitrags.

Forschungsstand: Aktuelle Entwicklungen

Die Studie fasst den aktuellen Forschungsstand zusammen und belegt: Die Digitalisierung verändert die Kommunikationsbranche grundlegend. Eine Auswertung von 62’391 PR-Stellenanzeigen aus Österreich und Deutschland aus den Jahren 2015 bis 2020 ergab, dass digitale Hard Skills, etwa Fähigkeiten im Umgang mit digitalen Medien, digitalem Marketing und Journalismus, häufiger nachgefragt wurden. Gleichzeitig zeigt der Bericht, dass Soft Skills, also persönliche Fähigkeiten wie Kommunikationsstärke, Teamfähigkeit oder Stressresistenz, an Bedeutung gewinnen. Denn sie sind wichtig, um strategisch zu denken, den Kontext zu verstehen und ethisch zu reflektieren.

Parallel dazu ordnet die Studie internationale Modelle ein, darunter die „CommTech-Skill-Matrix” von Prof. Dr. Oliver Hoffmann. Diese Matrix beschreibt drei Kompetenzebenen: Kernkompetenzen auf der Grundebene, Daten- und Technologieintegration auf der operativen Ebene sowie strategische, resiliente Führung auf der strategischen Ebene. Somit bietet sie einen Rahmen, um Rollen und den Entwicklungsbedarf systematisch abzuleiten.  (im Bericht zu finden auf Seite 11.)

CommTech Skill Matrix Prof. Dr. Oliver Hofmann in der Studie Künftige Rollen und Kompetenzen
in der Kommunikationsprofession
im Wandel der Digitalisierung

Zudem verweist der Bericht auf den Communications Trend Radar 2024 der fünf Entwicklungen aufzeigt, die Rollen und Kompetenzprofile prägen: Information Inflation, AI Literacy, Content Integrity, Workforce Shift, Decoding Humans. Mehr zu dieser Studie finden Sie in diesem Blog.

Sechs Rollencluster mit Zukunft

Die Befragung zeigt ein geteiltes Bild zur Frage, ob in den letzten 12 Monaten neue Rollen entstanden sind: 37 % sagen ja, 28 % sagen nein, haben jedoch Rollen in Planung. Der Rest sieht keine Veränderung, auch nicht in der Planung.

Doch es tut sich etwas: Die Studie identifiziert sechs Rollencluster, darunter Rollen für die KI-gestützte Kommunikation. Neben den bisher bekannten, traditionellen Rollen entstehen neue Rollen, die sich durch Spezialisierung auf CommTech oder Ethik/Governance auszeichnen. Generell beobachten wir den Trend zu T-Shaped Profilen, die den Blick fürs Ganze haben und in einem Bereich hoch spezialisiert arbeiten können.

Wir leben in einer Zeit tiefgreifender Veränderungen. Das bringt auch ein neues Fachvokabular mit sich: von KI-Fluency über Data Literacy bis hin zu digitaler Empathie. Viele Begriffe werden im Bericht ab Seite 23 erklärt.

Übersicht Rollen- und Kompetenzen 
Quelle. Studie: Künftige Rollen und Kompetenzen in der Kommunikationsprofession im Wandel der Digitalisierung, AG CommTech, GK Unternehmens- und Personalberatung GmbH, 2025

Die Übersicht zeigt die Gegenüberstellung der sechs Rollencluster mit den jeweils geforderten Kompetenzen. Dabei bezieht sich der Begriff „Kompetenzen“ auf Fähigkeiten und nicht auf Handlungsspielraum und Machtbefugnisse. Der Begriff wird gerne in zwei Bedeutungen genutzt. Ich fasse für Sie die Rollencluster und die wichtigsten Kompetenzen zusammen. Mehr entnehmen Sie bitte dem Bericht.

1. Strategische Kommunikationsführung

Rollen: Kommunikationsverantwortliche/Kommunikationsfachkraft, Head of Public Relations/PR Expert, Head of Communications (Interne Kommunikation), Chief Communications Officer (CCO)

Profil: Fach- und Führungskräfte, die auf strategischer Ebene agieren, Kommunikation lenken und den Einsatz von Technologien mit Management verbinden. Sie sind Visionäre mit ausgeprägten Führungs- und Beratungskompetenzen.

Die drei wichtigsten neuen Aufgaben:

  • Datenbasierte Strategieentwicklung: KI-Tools für Inhaltsanalyse nutzen und evidenzbasierte statt intuitive Entscheidungen treffen
  • KI-Governance: Ethische Standards für KI-Einsatz definieren, automatisierte Prozesse überwachen und KI-Projekte strategisch steuern
  • Technologiegestützte Führung: Teams durch digitale Transformation führen und Change-Prozesse bei KI-Integration begleiten

Zentrale neue Kompetenzen: strategisches Denken mit digitaler Kompetenz, adaptive Führung, technologische Reflexionsfähigkeit, KI-Fluency (Verständnis von KI-Funktionsweisen und deren strategischer Integration)

2. Content & Storytelling

Rollen: Content Creator/Storyteller/AI Narrative Strategist, PR-Manager/Press Officer, Corporate Newsroom Manager

Profil: Experten für die inhaltliche Gestaltung, für Storytelling, für crossmediale Botschaften und KI-gestützte Narrativstrategien. Sie entwickeln medienübergreifende Inhalte und setzen moderne Technologien ein, um wirkungsvolle Geschichten zu erzählen.

Die drei wichtigsten neuen Aufgaben:

  • KI-gestützte Content-Produktion: Texte, Videos und Audio mit KI-Tools erstellen und durch Nutzerdatenanalyse optimieren
  • Personalisierte Echtzeit-Kommunikation: Dynamische, datengetriebene Botschaften basierend auf Echtzeitanalysen entwickeln
  • Integrierte Content-Steuerung: KI für Themenfindung und Redaktionsplanung nutzen, alle Kanäle zentral orchestrieren

Zentrale neue Kompetenzen: KI-Fluency, Automationsmanagement (Steuerung automatisierter Content-Prozesse), digitale Medienkompetenz, Storytelling mit Datenunterstützung und die Fähigkeit, die gesunde Balance zwischen KI und menschlicher Intuition und Kreativität sicherzustellen.

3. Daten- & KI-Experten

Rollen: Technische/analytische Experten/Datenanalysten, Predictive Communication Analyst, AI Communication Manager, Prompt Engineer

Profil: Technikorientierte Fachkräfte, die mit Daten, KI und Automatisierung arbeiten. Sie bereiten Entscheidungen vor und machen neue Tools für die Kommunikation nutzbar, indem sie komplexe Analysen durchführen und technologische Innovationen einführen. In diesem Cluster finden sich teils ganz neue Rollen.

Die drei wichtigsten neuen Aufgaben:

  • Prädiktive Kommunikationsanalyse: KI-Prognosemodelle entwickeln, Trends vorhersagen und proaktive Strategien ermöglichen
  • KI-Systemintegration: KI-Tools implementieren, Teams schulen und die technische Performance überwachen
  • Datenbasierte Insights: Grosse Datenmengen analysieren und strategische Handlungsempfehlungen ableiten

Zentrale neue Kompetenzen: KI-Fluency, Datenkompetenz, also die Fähigkeit, Daten zu verstehen und strategisch zu nutzen, Automationsmanagement, mit Predictive Communication die vorausschauende Kommunikationsplanung, aber auch mit der Auswertung von Corporate Listening und Monitoring zu verstehen, wie sich die Kommunikationsarena entwickelt, um kommunikative Chancen zu nutzen und Krisen früh zu erkennen.

4. Ethik, Governance & Risiko

Rollen: Ethik-Verantwortliche/KI-Ethik-Verantwortliche, Virtual Reputation Auditor, Certified AI Ethics Officer for Communications

Profil: Rollen in diesem Cluster fungieren als Wächter für ethische Standards, KI-Governance und einen verantwortungsvollen Einsatz von Technologie in der Kommunikation und Organisation. Sie definieren Rahmenbedingungen, überwachen die Einhaltung von Regeln und minimieren Risiken im Umgang mit neuen Technologien.

Die drei wichtigsten neuen Aufgaben:

  • Algorithmische Fairness prüfen: KI-Systeme auf ethische Konformität bewerten und Governance-Richtlinien entwickeln
  • KI-gestützte Reputationsüberwachung: Deepfakes erkennen, Fake News analysieren und Reputationsrisiken frühzeitig identifizieren
  • Compliance-Management: KI-Audits durchführen und rechtliche Rahmenbedingungen für KI-Einsatz sicherstellen

Zentrale neue Kompetenzen: ethische Entscheidungsfindung, Medienforensik (Erkennung manipulierter Inhalte), technologische Reflexionsfähigkeit, digitale Medienkompetenz

5. Stakeholder & Public Affairs

Rollen: Community-Manager/Stakeholder-Manager, Corporate Interaction Manager, Public Affairs Expert/Head of Public Affairs

Profil: Schnittstellenrollen zur Pflege externer und interner Beziehungen, mit den Schwerpunkten Vertrauen, klare Kommunikation und Reputationssicherung. Sie stellen sicher, dass die Anliegen von Stakeholdern Gehör finden, und vertreten die Organisation gegenüber wichtigen externen Partnern, einschliesslich Öffentlichkeit und Politik.

Die drei wichtigsten neuen Aufgaben:

  • KI-gestützte Stakeholder-Analyse: Echtzeit-Interaktionen auswerten und personalisierte Ansprache durch CRM-Systeme ermöglichen
  • Automatisierte Community-Betreuung: Social Listening Tools nutzen, automatisierte Antworten generieren und Sentiment-Analysen durchführen
  • Datenbasierte Einflussnahme: Digitale Kanäle für politische Kommunikation nutzen und evidenzbasierte Argumentationsstrategien entwickeln

Zentrale neue Kompetenzen: Digitale Empathie (authentische Verbindungen trotz technischer Vermittlung), digitale Kommunikationsfähigkeit, interkulturelle Sensibilität in digitalen Räumen.

6. Beratung, Training & Change

Rollen: KI-Berater für Unternehmen, KI-Kompetenzentwickler, Change-Management-Experte

Profil: Begleiter des Wandels: Sie treiben die Einführung von KI, den Kompetenzaufbau im Unternehmen und die Gestaltung von Veränderungsprozessen voran. Sie entwickeln Lernangebote, beraten zu neuen Technologien und unterstützen Teams aktiv bei der Anpassung an den Wandel.

Die drei wichtigsten neuen Aufgaben:

  • KI-Strategieberatung: Bei der Auswahl und Einführung von KI-Systemen beraten und technologische Potenziale analysieren
  • Digitale Kompetenzentwicklung: KI-Schulungen konzipieren, digitale Lernformate entwickeln und Lernfortschritte messen
  • Agiles Change-Management: Digitale Transformation begleiten, Akzeptanz für neue Technologien schaffen und Widerstand abbauen

Zentrale neue Kompetenzen: KI-Fluency, Change-Kompetenz, digitale Medienkompetenz, soziale Kompetenzen für Technologie-Adoption.

KI verbindet alle Rollen

Alle Rollencluster verbindet dieselbe Entwicklung: weg von manueller Ausführung hin zur strategischen Steuerung von KI-Systemen. Der Mensch wandelt sich vom Produzenten zum Manager, Bewerter und ethischen Kontrolleur technologischer Prozesse.

Quelle: Studie: Künftige Rollen und Kompetenzen in der Kommunikationsprofession im Wandel
der Digitalisierung, AG CommTech, GK Unternehmens- und Personalberatung GmbH, 2025

KI und Digitalisierung prägen jede Rolle, unabhängig davon, ob sie traditionell gewachsen oder neu entstanden ist. Das verändert die Kompetenzprofile in der gesamten Kommunikationsprofession. Vertiefende Informationen zu allen Rollen, ihren spezifischen Aufgaben und Kompetenzanforderungen finden Sie im Bericht ab Seite 13. 

Wir befinden uns also inmitten einer rasanten Veränderung unseres Berufsstands. Auf dem Weg liegen gleich mehrere Stolpersteine.

  • Durch die Digitalisierung, die fortschreitende Entwicklung und den zunehmenden Einsatz von KI verändern sich Rollen laufend. Wie bereits erwähnt, ist das Bild zu den Rollen gespalten. Das liegt vermutlich auch daran, dass die Rollenprofile, also die Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungen (AKV), in den wenigsten Unternehmen geklärt sind. Und selbst wenn, dann wurden sie nicht aktualisiert und sauber aufeinander abgestimmt. Dieses Versäumnis sorgt für Doppelspurigkeit und Effizienzverlust. Die vorliegende Studie kann ein Anstoss sein, hier aufzuräumen.
  • Laut dem Bericht neigen Vorgesetzte dazu, die Kompetenzen ihrer Teammitglieder zu überschätzen. Dadurch besteht die Gefahr, dass sie ihnen bei der Entwicklung von Kompetenzen und Veränderungsprozessen zu wenig Unterstützung bieten.
  • In den meisten Organisationen fehlen noch klare Vorgaben und verantwortliche Personen, die das Thema KI von der Erprobung über die Bewertung bis zur Entscheidung, was genutzt wird, vorantreiben. Zwar findet ein fachlicher Austausch statt, dieser ist jedoch meist nicht systematisiert. Externe Bildungsangebote hinken der Zeit noch hinterher, obwohl aktuelle KI-Angebote überall wie Pilze aus dem Boden schiessen.

Die Verknüpfung von AI Literacy mit der Praxis der professionellen Kommunikation steckt noch in den Kinderschuhen. Initiativen wie die AG CommTech und ComImpact in der Schweiz helfen Kommunikationsprofis dabei, sich zu vernetzen, weiterzubilden und Erfahrungen auszutauschen.

Wer heute, wie damals beim Aufkommen des Internets und der sozialen Medien, die Jahre bis zur eigenen Pensionierung zählen will, ist auf dem Holzweg. Auch KI ist gekommen, um zu bleiben. Wenn Sie sich, selbst als erfahrener Kommunikator, nicht mit dem Thema im Rahmen Ihrer eigenen Praxis beschäftigen, werden Sie hinter den Entwicklungen zurückbleiben.

Zentrale Befunde der Studie

Ergänzend zur quantitativen Befragung führten die Studienautoren qualitative Interviews mit acht Kommunikationsverantwortlichen aus Unternehmen sowie einem Vertreter einer Agentur durch. Diese Gespräche liefern tiefere Einblicke in die strategischen Überlegungen und praktischen Herausforderungen im Zusammenhang mit KI und Digitalisierung.

Die Interviews ergeben ein differenziertes Bild: Während die quantitative Befragung Trends und Tendenzen aufdeckt, unterstreichen die Führungskräfte die Komplexität der Umsetzung in der Unternehmenspraxis. Ihre Erfahrungen reichen von ersten Pilotprojekten bis hin zu strategisch integrierten KI-Einheiten. Die Gespräche machen sowohl Erfolgsfaktoren als auch strukturelle Hindernisse deutlich.

Aus diesen Praxiseinblicken kristallisieren sich fünf zentrale Erkenntnisse heraus:

1. Unterschiedliche Reifegrade, aber klare Richtung 
Die qualitativen Interviews zeigen eine stark variierende KI-Integration. Einige Unternehmen testen erste Pilotprojekte, während andere bereits über strategisch integrierte KI-Einheiten verfügen. Derzeit liegt der Fokus auf der Content-Erstellung. Die Entwicklungstiefe hängt dabei von den Ressourcen, den Datenschutzvorgaben und der strategischen Relevanz innerhalb des Unternehmens ab.

2. Kurzfristige Veränderungen sind absehbar 
Der Wandel hat nach Ansicht der Befragten bereits begonnen und wird sich in Kürze intensivieren. 77 % der Befragten rechnen innerhalb der nächsten 12 Monate mit konkreten Veränderungen in ihrem persönlichen Arbeitsumfeld, 47 % davon sogar unmittelbar. Bei PR-Agenturen liegt dieser Anteil sogar bei 90 %. Dies ist ein Beleg für den enormen Handlungsdruck auf Agenturseite. Führungskräfte sehen Veränderungen häufiger als unmittelbar bevorstehend (53 %) als Mitarbeitende ohne Führungsverantwortung (36 %).

3. Weiterbildung erfolgt fragmentiert und selbstorganisiert 
Die Weiterbildung erfolgt fragmentiert und selbstorganisiert.
Laut den befragten Kommunikationsverantwortlichen erfolgt der Kompetenzerwerb im Umgang mit KI überwiegend praxisnah: 82 % der Befragten bilden sich im Eigenstudium fort, während nur 44 % von internen oder externen Schulungsangeboten berichten.

Lediglich 9 % verfügen über ein festes Weiterbildungsbudget für digitale Kompetenzen. Die Trainings fokussieren sich auf operative Tätigkeiten wie Prompten (78 %), neue Technologien wie Content-Management und Automatisierung (68 %) sowie AI Engineering und Customer GPTs und Agents (45 %). Strategische Kompetenzen wie Data Literacy (36 %) und Change Management (35 %) sind unterrepräsentiert.

4. Hohe Motivation trifft auf schwache organisatorische Strukturen
Die Ergebnisse zeigen ein paradoxes Spannungsfeld: Einerseits gibt es ein hohes individuelles Engagement, andererseits stehen diesem schwache organisationale Strukturen gegenüber. Während Einzelpersonen Neugier, Lernbereitschaft und Anpassungsfähigkeit zeigen, fehlt es auf institutioneller Ebene oft an Orientierung, strategischer Kompetenzplanung und sichtbarem Führungswillen.

Weiterbildung findet also statt, jedoch meist zufällig und selbstorganisiert. 69 % der Befragten geben Eigenmotivation als primären Anstoss für die Auseinandersetzung mit KI an. Nur 32 % erleben starke oder sehr starke Unterstützung durch das C-Level. Und dennoch entstehen laufend neue Rollen, wie auch dieser Beitrag zeigt. Diese entstehen allerdings häufig leise, unsystematisch und ohne klare Verankerung. Die Folgen sind absehbar.

5. Kompetenzprofile zwischen Technik, Strategie und Empathie 
Die Studie zeigt eine deutliche Verschiebung von reinen Fach- zu hybriden Kompetenzprofilen. Zukunftskompetenzen wie digitale Empathie, AI-Literacy, strategisches Denken, Datenkompetenz und technologische Reflexionsfähigkeit sind ebenso wichtig wie Kreativität, Neugier und Anpassungsfähigkeit. Dabei wird deutlich: Es reicht nicht aus, Tools zu bedienen. Vielmehr ist ein tiefes Verständnis der Funktionsweisen, Grenzen und Implikationen von Technologien erforderlich.

Fünf Handlungsempfehlungen

Im Bericht werden Handlungsempfehlungen abgegeben. Ich habe sie für Sie zusammengestellt.

1. Reifegrad bestimmen

Bevor neue Kompetenzen aufgebaut oder Rollenprofile definiert werden, sollten Kommunikationsabteilungen den Reifegrad ihrer Organisation prüfen. Wo stehen sie aktuell, was wird von ihnen gefordert und welche Lücken bestehen? Nur auf dieser Basis lassen sich Prioritäten richtig setzen.

2. Rollenprofile anpassen

Anstatt neue Titel zu erfinden, müssen Rollen geklärt und bestehende Rollen weiterentwickelt werden. Dabei ist es wichtig, ihnen klare Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten (AKV) zuzuweisen. Der Bericht betont, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um Rollenkonzepte nicht mehr ad hoc, sondern strategisch aus Kompetenzen abzuleiten. Dazu gehört eine klare Vorstellung davon, welche Kompetenzen zur Basis gehören und wo vertieftes Spezialwissen erforderlich ist. Ob fokussierte Rollen benötigt werden oder Kompetenzen in bestehende Rollen integriert werden, hängt von der Ressourcenplanung und den spezifischen Anforderungen der jeweiligen Abteilung ab.

3. Weiterbildung systematisieren

Eigenstudium und Peer-Learning allein reichen nicht aus. Organisationen sollten deshalb in strukturierte Weiterbildung investieren. Dazu gehören interne Weiterbildungsprogramme, Mentoring durch erfahrene Kolleginnen sowie praxisnahe Team-Workshops. Wichtig ist, Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen individuelles Engagement systematisch gefördert und in Lernpfade überführt wird.

Im nächsten Abschnitt lesen Sie Best Practices von drei Unternehmen für die Umsetzung. 

4. Kompetenzen entwickeln

Die Studie empfiehlt, Kompetenzen als ausgewogenes Portfolio zu entwickeln. Neben technologischen Fähigkeiten müssen deshalb auch Soft Skills wie Lernfähigkeit, Resilienz, Kreativität und Empathie gezielt gestärkt werden. Strukturelle Kompetenzmodelle helfen dabei, zielführende Fortbildungsmassnahmen zu entwickeln. Balanced-Skill-Sets fördern gezielt sowohl Tool- und Prompting-Kompetenz als auch Wissen über Datenstrukturen, ethische Implikationen und Change-Management.

5. Governance und Verankerung auf C-Level sichern

Die digitale Transformation der Kommunikation muss als strategisches Führungsthema auf C-Level verankert werden. Führungskräfte sollten Verantwortung übernehmen, Zielvorgaben kommunizieren und Leitplanken setzen. Je klarer das Top-Management die digitale Richtung vorgibt, desto erfolgreicher gelingt die Umsetzung im Unternehmen.

Drei praktische Ansätze aus Unternehmen

Wie gelingt die Transformation in der Praxis? Die Studie stellt drei Unternehmen vor, die unterschiedliche, aber erfolgreiche Wege zur Kompetenzentwicklung eingeschlagen haben. Ihre Ansätze zeigen: Es gibt zwar kein Patentrezept, aber durchaus bewährte Strategien.

Die Cases verdeutlichen, wo theoretische Erkenntnisse aus Forschung und Befragungen auf die Unternehmensrealität treffen. Sie zeigen die spezifischen Herausforderungen, Ressourcen und kulturellen Gegebenheiten eines Unternehmens. Zwar setzt jedes Unternehmen andere Schwerpunkte, doch alle verbindet der systematische Ansatz zur Skill-Entwicklung.

Covestro

Der Leverkusener Chemiekonzern Covestro hat das systematische „Shape Your Development“-Programm entwickelt. Dieses definiert vier definierte „Future Skills“: Beratungskompetenz, Datenkompetenz, KI-Expertise und stakeholderfokussierte Kommunikationsplanung. Im Rahmen eines Weiterentwicklungsprogramms wird das Skill Framework durch individuelle Skill-Gap-Analysen und vielfältige Lernformate unterstützt. Zu diesem Zweck wurde auch ein Projekt-Marktplatz eingerichtet, eine Plattform, auf der Projekte ausgeschrieben und teamübergreifend besetzt werden können, um neue Fähigkeiten „on the Job“ zu erwerben.
(Lesen Sie mehr dazu im Bericht ab Seite 62.)

Otto Group

Die Otto Group arbeitet am Aufbau einer holistischen, daten- und technologiegestützten Kommunikation und Erfolgsmessung. Die Unternehmenskommunikation setzt auf Agilität durch „Power Teams“: kleine, motivierte Gruppen, die sich für spezifische Zukunftsthemen begeistern und den Transformationsprozess vorantreiben. Zu diesem Zweck wurde auch „News2Use“ etabliert: kurze Sessions, in denen neues Wissen aus den Power Teams im Team geteilt wird. Das Programm wird durch kontinuierliche Retrospektiven und Stakeholder-Feedback ergänzt.
(Lesen Sie mehr dazu im Bericht ab Seite 64.)

Körber

Der internationale Technologiekonzern Körber verfolgt einen 360-Grad-Ansatz mit einem GenAI-Framework für Brand und Communications. Im Rahmen der Strategie werden Skills, Analytics, Tools und Kanäle sowie Thought Leadership integriert. Der Fokus liegt aktuell auf den Fähigkeiten technikorientierte Strategieentwicklung und -umsetzung, Datenanalyse und -visualisierung, Prompt Engineering als Must-have, Content Co-Creation und Change Enablement. Der wichtigste Tipp von Körber lautet: Keine Scheu und in kleinen Schritten loslegen! Es braucht überschaubare Pilotprojekte. Aber auch klare Ziele und definierte Meilensteine. Ebenso wichtig sind regelmässige und verbindliche Test- und Lernzeiten sowie die Auswertung, aus der die weitere Entwicklung folgen kann. (Lesen Sie mehr dazu im Bericht ab Seite 64.)

Kritische Einordnung: Grenzen der Kommunikation

Die Studie deckt ein grundlegendes Problem auf: Die Liste der geforderten Kompetenzen wird immer länger und umfassender. Die CommTech Skill Matrix nach Hoffmann (siehe weiter oben im Beitrag) umfasst beispielsweise drei Ebenen mit jeweils fünf bis sechs Kompetenzbereichen. Die sechs übergreifenden Kompetenzcluster der Studie, von strategischen Kommunikationskompetenzen über digitale KI-Fähigkeiten bis hin zu ethischen und sozialen Kompetenzen, würden selbst Universalgenies überfordern.

Hier stellt sich die Frage: Entwickeln sich Kommunikatoren zur eierlegenden Wollmilchsau„? Die Antwort liegt in der strategischen Arbeitsteilung. Nicht jeder Kommunikator muss alle Kompetenzen beherrschen. Vielmehr braucht es eine Grundausstattung für alle: digitale Grundkompetenz, KI-Verständnis und ethisches Bewusstsein sowie Spezialisierung in bestimmten Bereichen. Also der T-Shaped-Ansatz.

Einige der in der Studie genannten Aufgaben wie Prompt Engineering oder Automationsmanagement könnten meiner Ansicht nach künftig zu eigenständigen Berufsbildern ausserhalb der klassischen Kommunikationsabteilung werden. Sie umfassen Tätigkeiten, die auch für andere Unternehmensbereiche relevant sind. Ähnliches kennen wir bereits von ausgelagerten Aufgaben wie der Web-Entwicklung oder dem SEO-Management. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie nicht in Form von Schnittstellen von der Kommunikation mitgedacht und genutzt werden.

Der Tipp von Körber kommt also nicht von ungefähr: „Engagiert euch gemeinsam mit anderen Teams innerhalb eurer Organisation (zum Beispiel HR, Legal oder IT)“ und „Holt euch regelmässig die C-Level-Perspektive (Erwartungen, Ideen, Vorgaben)“. Kommunikation war schon immer eine Vernetzungsaufgabe, heute mehr denn je.

Gefragt ist aber auch Erwartungsmanagement: Wir sollten nicht nur über KI sprechen, sondern auch über das Selbstverständnis und die Grenzen unseres Berufs.

Evolution statt Revolution: mit Strategie

Auch wenn die Studie von einer Revolution spricht, sehe ich diese Entwicklung eher als Evolution. KI ersetzt den Menschen nicht, sondern verändert seine Aufgaben grundlegend. Die Balance zwischen technologischer Effizienz und menschlicher Authentizität bleibt entscheidend.

Für die Praxis bedeutet dies: Starten Sie mit überschaubaren Pilotprojekten, entwickeln Sie klare Kompetenzmodelle und definieren Sie, welche Fähigkeiten zur Grundausstattung gehören und an welchen Stellen eine Spezialisierung sinnvoll ist. Die Zukunft gehört nicht dem Alleskönner, sondern interdisziplinären Teams mit komplementären Fähigkeiten.

Eine fundierte Grundlage hierfür bietet die Studie „Künftige Rollen und Kompetenzen in der Kommunikationsprofession im Wandel der Digitalisierung 2025“ von AG CommTech und GK Personalberatung. Sie unterstützt Kommunikationsabteilungen und Newsrooms dabei, Rollen mit klaren Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungen zu definieren und ihre eigene Weiterentwicklung strategisch zu steuern. Den vollständigen Bericht können Sie hier kostenlos herunterladen.

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