Die Kommunikationsabteilung der SBB hat ihren Newsroom weiterentwickelt, das Themenhaus verfeinert und ins Zentrum gerückt. Heute hat jeder Schritt im Newsroom-Prozess einen Bezug zum Themenhaus. Die Rollen sind nach dem AKV-Prinzip klar definiert. Die Prozesse werden mit CommTech unterstützt. “Wenn das nicht gewährleistet ist, verschwindet das Themenhaus irgendwann in der Schublade. Es braucht aber auch Rollen, die sicherstellen, dass die Vorgaben eingehalten werden”, sind meine beiden Gesprächspartnerinnen überzeugt.
Gesprochen habe ich mit Martina Rettenmund (Leiterin Planung und Kanäle) und Sonja Kramer (Leiterin Content Production), die zusammen mit Ramon Gander (Leiter Content) dafür sorgen, dass mit dem Themenhaus das strategische Themenmanagement im SBB-Newsroom in allen Prozessschritten umgesetzt wird.
So funktioniert der SBB-Newsroom
Seit 2018 arbeiten die SBB mit einem Newsroom. Ende 2023 wurde dieser einer umfassenden Analyse unterzogen und weiter professionalisiert. Ich durfte das Team beratend und als Sparringspartnerin begleiten. Das Themenhaus ist das Herzstück des Newsdesk des SBB-Newsrooms mit verschiedenen Planungs-, Steuerungs- und Analysetools.
Das Businesspartner-Modell der SBB stellt sicher, dass die Themenverantwortlichen in engem Austausch mit allen Geschäftsbereichen stehen und auch externe Themen im Blick haben. Am Kanaldesk stimmen sich die Kanalmanager über alle Kanäle hinweg ab. Sie sorgen für Kontinuität, Konsistenz und Community-Management. Mitarbeitende am Produktionsdesk unterstützen als Spezialistinnen in allen Prozessschritten, so etwa bei der Herstellung von multimedialen Inhalten oder der Weiterentwicklung der Kanäle.
Neu steht der SBB-Newsroom mit Ramon Gander zwar unter der Leitung eines Leiters Content. Zwei weitere Rollen unterstützen aber im Themenmanagement. Über das Themenhaus wacht Martina Rettenmund als Leiterin Planung und Kanäle. Dass die Prozesse sauber umgesetzt und die Rollen wie beschrieben ausgefüllt werden, liegt in der Verantwortung von Sonja Kramer als Leiterin Content Production.
Martina und Sonja, ihr arbeitet im SBB-Newsroom mit dem Themenhaus. Was kam zuerst, der Newsroom oder das Themenhaus?
Im Newsroom arbeiten wir seit 2018, das erste Themenhaus haben wir erst 2023 entwickelt; wir haben vorher immer mit strategischen Kommunikationsschwerpunkten gearbeitet, diese aber nie in einem Haus untergebracht (siehe Abbildung).
Bis in jüngster Vergangenheit waren der Newsroom und das Themenhaus zwei voneinander unabhängige Gebäude. Seit diesem Jahr haben wir den Newsroom weiterentwickelt und mit dem Themenhaus verheiratet, indem wir es eng in die Prozesse eingebunden haben.
Was war der Auslöser für die Idee, ein solches Themenhaus zu entwickeln?
Wir wollten Kanäle, Zielgruppen und Themen besser miteinander verbinden. Ziel war es aber auch, strategischer und langfristiger zu planen, um aus dem Hamsterrad des Tagesgeschäfts, dem Abarbeiten von Aufträgen, herauszukommen. An ein Haus dachten wir damals noch nicht. Das kam erst zwei Jahre später, als wir von einer Berufskollegin davon hörten.
Wir machten uns an die Arbeit und bauten unser eigenes Haus. Allerdings war es lange eingerüstet. Das heisst, wir haben unser Themenhaus praktisch jedes Jahr umgebaut. Für das Team war es sehr verwirrend, sich immer wieder auf ein anderes Themenhaus einzustellen.
Am Anfang wollten wir auch viel. Um im Bild zu bleiben: Das Haus sollte Marmorböden haben, Teppiche, aber auch Fliesen. Erst in diesem Jahr haben wir es auf ein Minimum reduziert und einen klaren Fokus gesetzt. So haben wir nicht nur eine klare Struktur, sondern auch mehr Verbindlichkeit geschaffen.
Stellt das Themenhaus kurz vor, bitte.
Unser Haus hat ein Dach, unter dem sich die Unternehmensstrategie und die “Raison d’être” der SBB befinden. Daraus haben wir die Schwerpunkte in vier Säulen abgeleitet. Sie geben dem Haus Stabilität.
Bei jedem Schwerpunkt ist die Ambition, also das, was wir anstreben, als Kernbotschaft hinterlegt.
Die Schwerpunkte haben wir in Rubriken heruntergebrochen. Diese sind bewusst etwas allgemein gehalten, um den Raum nicht zu klein werden zu lassen. Dennoch ist der Themenkorridor klar. Während die Schwerpunkte strategisch angelegt sind und einen längeren Zeithorizont haben, überprüfen wir die Rubriken als Themencluster jährlich.
Zum Haus gehören auch die Zielgruppen, denn wir fragen uns bei jeder Massnahme, wen wir primär damit erreichen wollen. Daraus ergeben sich dann auch die Kanäle.
Das Fundament des Hauses bilden die Markenwerte der SBB.
Das Gerüst um das Themenhaus ist inzwischen abgebaut. Was waren die letzten wichtigen Veränderungen?
Neu haben wir in diesem Jahr die Säulen mit den Schwerpunkten prozentual gewichtet. Wir wollen die Kommunikation steuern. Dazu benötigen wir eine Entscheidungsgrundlage. Das heisst, es muss klar sein, wo wir die grösste Wirkung erzielen wollen. Entsprechend entscheiden wir, wo wir Leistung und Ressourcen investieren. Zudem haben wir die neue Rolle der Themenmanager:innen geschaffen, die jeweils einen Schwerpunkt verantworten und als Gatekeeper im Steuerungsprozess fungieren.
Wie wir unsere 100 Prozent Ressourcen verteilen, haben wir intensiv diskutiert. Die SBB werden in den nächsten Jahren ihre Infrastruktur erneuern. Deshalb haben wir 30 Prozent für “Betreiben und Bauen” festgelegt. Dass 40 Prozent auf “Reisen und Transportieren” entfallen, ist der Corona-Pandemie geschuldet. Denn mit der Zunahme von Home-Office hat der Freizeitverkehr gegenüber dem Pendlerverkehr deutlich zugenommen. “SBB führen und leben” mit Themen zur gesellschaftlichen Verantwortung und der SBB als Arbeitgeberin gewichten wir mit 20 Prozent. Die restlichen 10 Prozent investieren wir mit “Wachsen und Entwickeln” in Themen zu intelligenter Mobilität und Lebensräume.
Wie stellt ihr sicher, dass die prozentuale Gewichtung der Schwerpunkte eingehalten wird?
Verantwortlich sind die Themenmanager:innen. Die Gewichtung der Themenschwerpunkte überprüfen wir alle zwei Monate und besprechen Abweichungen in der Strategiekonferenz. Dazu werten wir in unserem Redaktionstool Desk-Net (im August 2024 umbenannt in Kordiam) aus, wie oft zu den einzelnen Schwerpunkten kommuniziert wurde. Das funktioniert gut, weil wir auch im Redaktionstool jeden Beitrag konsequent einem Schwerpunkt zuordnen.
Damit die Rechnung aufgeht, haben wir die Gewichtung über die Schwerpunkte hinaus verfeinert. Es gibt unterschiedlich dimensionierte Themen, die zum Teil aus mehreren Kanälen bestehen. Deshalb haben wir die A, B, C-Kategorisierung ergänzt. Diese werden nicht nur im Kordiam (bisher Desk-Net) abgebildet, sondern sind auch Teil des Newsroom-Prozesses.
Nach welchen Kriterien werden A-, B- und C-Themen festgelegt?
Jede Kategorie umfasst mehrere Kriterien, die mehrheitlich erfüllt sein müssen. A-Themen sind in der Regel komplex, aufwendig und kanalübergreifend. Sie sind strategisch relevant, haben eine hohe Aufmerksamkeit und Imagerelevanz. C-Themen betreffen nur einen Teil des Unternehmens, eine Region oder eine Zielgruppe. Sie liegen in der Kompetenz der Businesspartner und Kanalmanagerinnen. Zudem unterliegen sie einem vereinfachten Prozess. B-Themen sind von mittlerer Tragweite und können beispielsweise Eröffnungen oder Kampagnen betreffen.
Wie spielen die Gewichtung der Schwerpunkte und die Kategorien zusammen?
Die Kategorien helfen uns, differenzierter zu beurteilen, inwieweit wir mit den Themen auf dem richtigen Weg sind. Die A-, B- und C-Themen sind auch im Redaktionstool abgebildet. Das ist für die Gewichtung der Ressourcen im Alltag, aber auch für das Controlling sehr wertvoll.
An der Strategiekonferenz hinterfragen wir die Massnahmen: Wenn wir zum Beispiel beim Schwerpunkt “SBB führen und leben” die Gewichtung von 20 Prozent überschreiten, schauen wir auch, mit welchem Ressourceneinsatz dies erfolgt ist. A-Themen binden deutlich mehr Ressourcen als C-Themen. Wenn wir in der Strategiesitzung feststellen, dass wir in einem Schwerpunkt viele C-Themen, aber kaum A-Themen umgesetzt haben, kann das umgekehrt ein Hinweis auf eine Verzettelung der Ressourcen sein.
Im Newsroom planen wir gut, aber wenn ein unerwartetes Ereignis eintritt, müssen wir handeln können. Der Blick auf die Kommunikationsplanung lässt uns schnell auf die C-Themen fokussieren, die wir dann streichen oder neu priorisieren. Diesen Spielraum haben wir früher nicht gesehen. Seitdem haben wir auch den Ressourceneinsatz viel besser im Griff.
Die Kriterien sind die perfekte Ergänzung zur Gewichtung und geben uns in dieser Kombination ein sehr gutes, aktuelles Bild und Steuerungsinstrument sowohl auf strategischer als auch auf operativer Ebene.
Wie stellt ihr sicher, dass das Themenhaus auch auf lange Sicht die Basis für den SBB-Newsroom bleibt?
Wir haben das Themenhaus als Zugangstor für Themen in unserem Newsroom-Prozess verankert. Bei der SBB arbeiten wir mit dem Businesspartner-Modell. Diese bringen Themen aus ihrem Bereich oder von aussen in den Newsroom ein. Für die Eingabe in das Redaktionstool muss zwingend einer der vier Schwerpunkte gewählt werden. Auf diese Weise werden alle Themen von Anfang an nach Schwerpunkten sortiert und dem jeweils zuständigen Themenmanager zugeordnet.
Die Kategorisierung A, B, C hilft bei der Navigation durch den Prozess. Ein A-Thema muss beispielsweise im Weekly, unserer wöchentlichen Redaktionssitzung, vom zuständigen Themenmanager gepitcht werden. Dazu erstellt der Businesspartner einen One-Pager, in dem auf Basis des Themenhauses alle wichtigen Fragen auf einer Seite beantwortet werden. Der One-Pager ist standardisiert. Jeder Prozessschritt hat einen Bezug zum Themenhaus. Wenn das nicht gewährleistet ist, verschwindet das Themenhaus irgendwann in der Schublade.
Es braucht aber auch Rollen, die sicherstellen, dass die Vorgaben eingehalten werden. Im SBB-Newsroom ist das einerseits der Leiter Content, der auch das Weekly leitet. Die Themenmanager stellen im Austausch mit den Businesspartnern den Themenkorridor sicher. Andererseits fokussieren wir beide als Prozessverantwortliche auf die Einhaltung und Weiterentwicklung der Prozesse.
Als drittes Element spielt das Redaktionstool eine zentrale Rolle. Wir haben es so eingerichtet, dass es die Einhaltung der inhaltlichen Vorgaben, aber auch der Prozesse unterstützt.
Spielt das Themenhaus eine Rolle bei der Wirkungsmessung?
Das ist der nächste Schritt, auf den wir hinarbeiten. Die Grundlagen dafür haben wir im Themenhaus angelegt, indem wir auch Kommunikationsziele formuliert haben. Daraus werden wir die Metriken ableiten, aber auch mit den Rollen klären, welche Aufgaben sie übernehmen. Das Themenhaus ist also Teil des gesamten Newsroom-Prozesses, bis hin zur Wirkungskontrolle.
Was möchtet ihr den Leserinnen und Lesern noch mit auf den Weg geben?
Wie unser Gespräch gezeigt hat: Ein Newsroom ist nie fertig. Es ist wichtig, ein Modell zu entwickeln, das zu den eigenen Rahmenbedingungen und Bedürfnissen passt. Für uns war und ist es wichtig zu etappieren, zu testen und zu verbessern. Im Februar überarbeiteten wir das Themenhaus. Im April haben wir uns mit den Rollen beschäftigt. Wir haben die AKV (Aufgaben, Kompetenzen, Verantwortung) klar definiert, geschult, Feedback und Gefässe für die Weiterentwicklung etabliert.
Wir haben viel Energie und Zeit in die saubere Erklärung der “Reason why” investiert. Die Veränderungen, die wir angestossen haben, sind gerade in einem grossen Team kein Selbstläufer. Erklären, Zuhören und Erfahrungsaustausch benötigen Raum und Zeit. Wir schaffen Verbindlichkeit und sorgen mit unserer Arbeitsteilung auch dafür, dass wir möglichst nicht in alte Muster zurückfallen. Dafür braucht es einen langen Atem und den haben wir.
Ich danke Martina Rettenmund und Sonja Kramer für das Gespräch und die Zeit, die sie sich genommen haben, um ihr Wissen und ihre Erfahrungen mit uns zu teilen.