
Der Reuters Report „Journalism and Technology Trends and Predictions 2025“ analysiert die aktuellen Herausforderungen und Entwicklungen in der Medienbranche. Die Erkenntnisse sind nicht nur für den Journalismus, sondern auch für die Unternehmenskommunikation wichtig. Verändern wird sich nicht nur die Arbeitsweise von Corporate Newsrooms, sondern – und das hat mich überrascht – auch die Medienarbeit. Treiber sind generative KI und algorithmusgesteuerte Plattformen. Aber auch das Verhalten der Konsumenten hat sich verändert. Dem muss die Unternehmenskommunikation Rechnung tragen, wenn sie Wirkung erzielen will. Insbesondere wenn sie jüngere Zielgruppen erreichen will. Neben den wichtigsten Ergebnissen finden Sie in diesem Beitrag Tools und Plattformen, die Sie vielleicht noch nicht kennen.
Die Reuters-Befragung wurde zwischen dem 20. November und dem 20. Dezember 2024 durchgeführt. Es nahmen 326 Führungskräfte aus 51 Ländern teil. Darunter waren 65 Chefredakteure, 63 CEOs oder Geschäftsführer und 53 Leiter von Digital- oder Innovationsabteilungen. Die Mehrheit der Teilnehmer kam aus Medienhäusern mit Print-Hintergrund (54 %). Es folgten Rundfunkanstalten (25 %) und digital geprägte Marken (18 %).
KI-Plattformen: die neuen Akteure in der Medienlandschaft
Der Einsatz von KI verändert die Medien- und Kommunikationslandschaft grundlegend. KI-basierte Plattformen wie ChatGPT und Perplexity entwickeln sich zu ernsthaften Konkurrenten für traditionelle Medien. Sie beeinflussen massgeblich, wie Inhalte gefunden werden.
Insbesondere die Veränderungen im Bereich der Internetsuche (Search) werden zu einem echten Problem für Medien. Diese mussten bereits dramatische Einbrüche beim Social Traffic hinnehmen. Sie befürchten nun einen weiteren Rückgang ihrer Sichtbarkeit, wenn KI-Plattformen beginnen, «storyähnliche» Antworten auf Nachrichtenanfragen zu generieren. Viele Nutzerinnen geben sich mit diesen Antworten zufrieden und klicken nicht weiter. Die Besuche auf den Webseiten bleiben aus.
Ende 2024 hat ChatGPT eine Suchfunktion eingeführt. Diese basiert laut Report auf Lizenzvereinbarungen mit renommierten Nachrichtenquellen. Dazu gehören das Wall Street Journal, Reuters und die Financial Times. Diese Kooperationen versprechen den teilnehmenden Verlagen eine bevorzugte Platzierung in den Suchergebnissen. Die KI-Plattformen hingegen profitieren von vertrauenswürdigen, journalistisch geprüften Informationen. Kleinere Medienhäuser können sich solche Lösungen nicht leisten.
Die noch relativ junge Methode der Aggregation von Informationen bleibt jedoch nicht bei der Bereitstellung von Suchergebnissen stehen. Bei Perplexity können sich die Nutzerinnen und Nutzer unter „Für Sie“ einen personalisierten Nachrichtenfeed einrichten, der ständig aktualisiert wird. Für die US-Wahlen 2024 hat Perplexity einen Election Information Hub eingerichtet.

Die neuen KI-Aggregatoren fungieren also zunehmend als automatisierte Nachrichtendienste und haben damit das Potenzial, Medien zu ersetzen. Internationale Nachrichtenagenturen werden, wie wir gesehen haben, häufig lokalen Anbietern vorgezogen. Der Bericht erwähnt Angebote und Tools wie Particle als Beispiel: eine neue App, die KI nutzt, um Nachrichten zu organisieren und zusammenzufassen. Not Boring von Packy McCormick, aggregiert mit Hilfe von KI News, erklärt und ordnet ein.
Die Branche ist besorgt. Für mehr als die Hälfte der Befragten ist der Aufbau von Beziehungen zu neuen KI-Plattformen eine Priorität. Dies betrifft insbesondere Unternehmen wie OpenAI und Perplexity.
Aus kommerzieller Sicht haben die Verleger Erwartungen an Lizenzeinnahmen. Fast vier von zehn (36 %) glauben, dass diese Einnahmen von Technologie- und KI-Unternehmen eine wichtige Einnahmequelle sein werden.
Die Entwicklung steht noch am Anfang, wirft jedoch bereits ernsthafte Fragen auf: Wie politisch, transparent und glaubwürdig sind die Inhalte von KI-gesteuerten News-Aggregatoren? Wie wird mit lokalen und regionalen Nachrichten umgegangen, die für demokratisch organisierte Gesellschaften unverzichtbar sind? Schon heute führt die Konzentration in der Medienlandschaft zu einer immer schlechteren Nachrichtenabdeckung der Regionen. Einige Unternehmen haben erkannt, dass sie diese Lücke mit regional zugeschnittener Kommunikation nutzen können. So erreichen sie ihre Zielgruppen besser (nachzulesen u.a. im Beitrag zu Digitec Galaxus in diesem Blog).
Veränderung der Redaktionsarbeit: KI-Anwendungen im Newsroom
Die Integration von KI in Redaktionen schreitet rasch voran. 87 % der befragten Führungskräfte von Medienunternehmen geben an, dass KI ihre Redaktionen teilweise oder vollständig verändern wird.

Wie weit sich Newsrooms durch generative KI-Technologien verändern
Bildquelle: Reuters Trends and Predictions Report 2025 S. 33
Aus der Umfrage geht klar hervor, dass der Schwerpunkt auf der Verbesserung der Effizienz im Backend liegt. 96% der befragten Verlage gaben an, dass dies im kommenden Jahr sehr wichtig oder eher wichtig sein wird. Weitere Prioritäten sind die Verbesserung von Personalisierung und Empfehlungen (80%) sowie die Erstellung von Inhalten (77%). Auch Funktionen zur Nachrichtenbeschaffung (73 %) werden von den Verlagen als wertvoll erachtet. Dazu gehören Verifizierung, Datenjournalismus und Recherche. Codierung (67 %) und kommerzielle Nutzung (63 %) werden ebenfalls als nützlich angesehen. Insgesamt haben alle Anwendungen seit dem letzten Jahr an Bedeutung gewonnen.

Bildquelle: Reuters Trends and Predictions Report 2025 S. 31
Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend. KI-Toolkits bieten eine Reihe nützlicher Funktionen, z. B. Vorschläge für Überschriften und verschiedene Arten von Zusammenfassungen. Beim dänischen Medienunternehmen JP/Politikens Media Group hat ein zentrales Team MAGNA (siehe Grafik) entwickelt. Dieses Tool hilft bei einer Reihe von redaktionellen Aufgaben. Es unterstützt die Korrektur von Rechtschreibfehlern oder die Erzeugung von Entwürfen auf der Grundlage einiger wesentlicher Fakten. Die Lösung wird von drei verschiedenen Publikationen der Gruppe verwendet, welche den Inhalt an die unterschiedlichen Stilrichtlinien der einzelnen Publikationen anpassen. Dieser Ansatz, Content mehrfach zu verwenden, ist auch für Unternehmen vielversprechend.

Bildquelle: Reuters Trends and Predictions Report 2025 S. 32
KI verändert auch den investigativen Journalismus und den Datenjournalismus. KI-Modelle ermöglichen es, mit verschiedenen Quellen zu arbeiten, riesige Datenmengen zu analysieren und Geschichten zu recherchieren. Diese Arbeit hat früher Wochen oder Monate gebraucht.
Transformation von Inhalten: Anpassung an den Medienkonsum
Ein weiterer Trend ist die KI-gestützte Aufbereitung von Inhalten. Fortschritte in der Sprachtechnologie haben die Umwandlung von Textartikeln in Audioformate (mehrsprachig oder mit unterschiedlichen Stimmen) ermöglicht. Die meisten Verleger (75 %) planen, diese Funktion in diesem Jahr stärker zu nutzen.
Sogenannte „Conversational Interfaces“ eröffnen neue Möglichkeiten, lange Texte leichter zugänglich zu machen. Die Veröffentlichung von Googles Notebook LM im September 2024 hat im Internet für Aufsehen gesorgt. Mit dieser Anwendung ist es möglich, umfangreiche Artikel und Dokumente auf einen Schlag in Podcasts zu verwandeln.
KI-generierte Zusammenfassungen (70 %) und Chatbot-Suchfunktionen (56 %) gewinnen ebenfalls an Bedeutung. Etwa ein Drittel (36 %) will mit der Umwandlung von Textartikeln in Videos experimentieren.
Im November 2024 startete die Washington Post ein experimentelles generatives KI-Tool namens „Ask the Post AI„. Dieses liefert Antworten zu jedem Thema, das in den seit 2016 veröffentlichten Nachrichtenartikeln der Zeitung erwähnt wird. Ein solches Angebot vereinfacht die Orientierung auf einer Website und verbessert die Personalisierung. Die Informationstiefe geht damit über die reine Suchfunktion hinaus, die auf den meisten Websites ohnehin unzureichend ist.

Bildquelle: Reuters Trends and Predictions Report 2025 S. 34
Auch in diesem Thema werden die Verlagshäuser mit ihren Angeboten nicht allein sein. KI-gesteuerte Browser werden es den Verbrauchern ermöglichen, Artikel nach ihren eigenen Vorlieben zusammenzufassen, umzuschreiben und neu zu formatieren. Der Bericht erwähnt in diesem Zusammenhang Dia, der Browser soll Anfang 2025 auf den Markt kommen soll.
Lösungen gibt es auch für Bewegtbilder. OpusClip AI wandelt lange Videointerviews oder Filmmaterial in virale Kurzfilme um für die Nutzung auf TikTok, YouTube Shorts und als Reels.
Verändertes Nutzerverhalten für zu Verschiebungen bei den Plattformen
Das Nutzerverhalten hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Die Nachrichtenseiten verzeichnen einen starken Rückgang der Zugriffe über soziale Plattformen wie Facebook (-67 %) und Twitter (-50 %). Verstärkt wird dieser Trend durch teilweise dramatische Abwanderungen von sozialen Plattformen; bei X (ehemals Twitter) ist sogar von einem X-odus die Rede.
Diese Erosion führt dazu, dass Verlage ihre Präsenz auf wachstumsstarken Plattformen wie YouTube (+52), TikTok (+48) und Instagram (+43) verstärken. Trotz eines möglichen Verbots von TikTok in den USA Anfang 2025 sehen viele Verlage hier weiterhin grosses Potenzial. (Zum Zeitpunkt der Umfrage wurde vor dieses Verbot noch diskutiert).
Eine der grössten Herausforderungen für die Medien wird darin gesehen, Nutzer zurückzugewinnen. Im Fokus stehen jene, die in den letzten Jahren aufgehört haben, Nachrichten zu konsumieren, also die „Newsrdeprivierten“. Gleichzeitig soll auch die nächste Generation erreicht werden, die mit Social Media sozialisiert wurde. Viele Verlage konzentrieren sich darauf, die Qualität ihrer Websites zu verbessern. Das beinhaltet auch, dass sie mehr personalisierte Nachrichtenerlebnisse bieten und in Audio- und Videoformate investieren. Damit wollen sie mit dem veränderten Konsumverhalten Schritt halten.
Ein weiteres Phänomen zeigt sich im Bereich der politischen Kommunikation. Politiker umgehen zunehmend die etablierten Medien und setzen stattdessen auf eigene Kanäle und alternative Plattformen. Ein Beispiel dafür waren die US-Wahlen. Sowohl Donald Trump als auch Kamala Harris mieden die klassischen Nachrichtensender weitgehend und arbeiteten stattdessen mit Podcastern und YouTubern zusammen. Diese Erkenntnis können Sie auch für Ihre Kommunikation nutzen. Unternehmen bzw. ihre Marke können mit gezielten Kooperationen auch in reichweitenstarken Podcasts zu Gast sein. Voraussetzung ist natürlich, dass Host und Hörern geboten wird, das für sie relevant ist.
Die Reuter Journalism and Technology Trends and Predictions 2025 wurden am 9. Januar 2025 veröffentlicht. Der vollständige Bericht in englischer Sprache steht auf der Website des Reuters Institute zum kostenlosen Download zur Verfügung.